“Facebook wollte gar nie cool sein”

David Kirkpatrick kennt Mark Zuckerberg besser als jeder andere Journalist, er hat die Firmengeschichte minutiös – und mit sehr viel Begeisterung – in seinem Buch “Der Facebook-Effekt“ dokumentiert. Im Gespräch erklärt der Autor, warum seit dem Börsengang vieles schwieriger wurde.

Falter: Herr Kirkpatrick, kann man sagen, Facebook habe unser Leben revolutioniert?

David Kirkpatrick: Klar! Vielen Menschen ist es nicht so recht bewusst, aber die größte Leistung war: Facebook hat eine neue Kommunikationsform geschaffen. Es hat die bereits existierenden Beziehungen aus unserem Alltag in eine digitale Form übersetzt. In den letzten fünf Jahren geschah überdies ein bedeutender Wandel. Die Mehrheit der Menschen lebt nun in Städten. Dadurch geht die Intimität und Transparenz, die viele aus Dörfern und kleineren Gemeinden kennen, verloren. Es ist schon interessant, dass Facebook als Kommunikationssoftware diese Transparenz wiederherstellt.

Aus diesem virtuellen Dorf wandern nun viele Jugendliche aus. Zumindest hört man, dass Teenager die Seite zunehmend meiden.

Kirkpatrick: Facebook kämpft nicht nur um Userzahlen, sondern vor allem um die Zeit, die User bei einem verbringen. Gerade junge Leute nutzen gern verschiedenste Dienste. Somit bleibt nun mal weniger Zeit für Facebook über als früher. Derzeit heißt es oft, Facebook sei nicht mehr cool. Dabei wird aber eines übersehen: Facebook wollte gar nie cool sein, sondern eine Dienstleistung, ein nützlicher Teil des menschlichen Lebens so wie E-Mail oder das Internet als Ganzes. Aus Sicht von Mark Zuckerberg ist es gar kein Problem, wenn Facebook nicht mehr cool ist. Er wollte nie cool sein. Wenn man als Firma nur auf Coolness baut, verschwindet man irgendwann wieder.

Die Dienstleistung ist also, dass Facebook unser Offlineleben online zugänglich macht?

Kirkpatrick: Genau. Es zeigt Informationen über Menschen, die einem wichtig sind. Schwierig ist nur, dass Facebook die Bedürfnisse extrem unterschiedlicher Menschen erfüllen muss. Der Börsengang macht das nicht leichter. Jetzt müssen sie auch ständig an Umsatz dazugewinnen, umso effektivere Werbung schalten. Facebook bastelt also nicht nur daran, wie man dem User möglichst nützliche Information liefert, sondern auch, wie man kommerzielle Information schaltet, auf die die Leute reagieren. Das ist eine Herausforderung, die sie in meinen Augen bisher nicht gemeistert haben.

Derzeit gibt es Kritik, dass zu viel Werbung und zu wenig unbezahlte Inhalte angezeigt werden.

Kirkpatrick: Facebook muss Geld machen, ohne die User vor den Kopf zu stoßen. Ob ihnen das gelingen wird? Wer weiß. Wobei: ihnen ist schon bewusst, dass sie ihre User bei Laune halten müssen.

Umstritten ist auch der Transparenz-Gedanke, den Mark Zuckerberg in Ihrem Buch darlegte: also dass mehr Transparenz zu einer besseren Gesellschaft führe.

Kirkpatrick: Er bereut vermutlich, dass er das jemals gesagt hat. Was er damals meinte, war: Transparenz ist grundsätzlich gut. Die Leute bei Facebook liefern dafür gerne folgendes Beispiel: Wenn es unter College-Studenten üblich ist anzugeben, ob man in einer Beziehung ist, kann man den Partner nicht so leicht betrügen. Lernt man wen in einer Bar kennen, schaut man sofort dessen Facebook-Profil und den Beziehungsstatus an. Lügen geht nicht mehr so einfach. Gleichzeitig hat Facebook viel Kritik bei der Privatsphäredebatte einstecken müssen. Ich denke, Mark Zuckerberg hat eingesehen, dass jeder User Kontrolle über sein Profil haben muss. Eine harte Lektion, weil er fast schon religiös daran glaubte, dass mehr Transparenz positiv ist.

Aber hat er seine Meinung wirklich geändert oder nur gelernt, dass diese Meinung in großen Teilen der Welt unpopulär ist?

Kirkpatrick: Wohl ein bisschen von beidem. Er weiß auf jeden Fall, dass es für den Erfolg seiner Firma wichtig ist, anderen nicht so stark Transparenz aufzuzwingen, wie man das früher tat.

 

Dieses Interview erschien im Falter 4/14. Foto: David Kirkpatrick

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