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Grüner Karren sucht neuen Motor

Citymaut, Ausländer, Regierungsansage: Die Grünen rüsten zur Schlacht und ringen mit ihrem Mut




Es gab nur wenige Redner, die vergangenen Sonntag so prononciert gegen die Wiener SPÖ auftraten wie Sabine Gretner. Die 37-Jährige stellte sich im Austria Center vor mehrere hundert Parteikollegen und sprach über Bürgermeister Michael Häupl, die Verschwendung von öffentlichen Geldern und die Misswirtschaft beim Prater-Bau. „Die absolute Mehrheit der SPÖ tut der Stadt nicht gut. Wir müssen sie bei der nächsten Wahl brechen“, sagte sie. Und danach, als die Wiener Grünen ihre bunten Zettelchen in die Wahlurne warfen, landete sie auf dem dritten Listenplatz. Sabine Gretner wird im kommenden Wahlkampf ein grünes Aushängeschild sein.

Die Wiener Grünen haben ihr Team für die Gemeinderatswahl im Herbst 2010 zusammengestellt. Knapp hinter Gretner, auf Platz sieben, landete Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz – eine Sachpolitikerin mit Biss. Sie versetzte die SPÖ mit ihren Untersuchungsausschüssen zu Pflege und Psychiatrie in Argumentationsnotstand.

Die gute Reihung von Gretner und Pilz ist ein Zeichen dafür, dass die Grünen genug haben vom Wohlfühlwahlkampf, bei dem sie möglichst allen gefallen wollen. „Wir werden der SPÖ auf die Zehen steigen müssen“, meint Maria Vassilakou, die beim letzten Wahlkampf noch mit guter Laune „Bürgermeisterin von Wien“ werden wollte.

„Wir brauchen mehr Mut und konkretere Ideen“, sagt Gretner. Für sie bedeutet das auch, zu polarisieren. Die grüne Planungssprecherin würde es zwar nicht so ausdrücken: Aber ihre Partei eierte bisher um heiße Themen herum. Sie liebäugelt zum Beispiel mit einer Citymaut, auf einem Wahlplakat war diese Forderung aber sicherheitshalber noch nicht zu sehen.

Konkreter werden. Für die Grünen heißt das auch, brennende Probleme in den Bezirken aufzugreifen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Birgit Hebein (Platz neun) und Jennifer Kickert (Platz 13) nun für den Gemeinderat kandidieren. Die beiden gelten als fleißige Lokalpolitikerinnen im 15. Bezirk. Kickert habe, so scherzen Parteikollegen, schon an jeder Haustür im Viertel einmal angeklopft. Dieser Einsatz machte sich bezahlt: Bei der letzten Wahl schnitten die Grünen im 15. überraschend gut ab – dabei ist das verarmte Rudolfsheim-Fünfhaus gar keine Bobo-Hochburg.

Pragmatischer als bisher wollen die Grünen in der Integrationspolitik sein. „Wir werden unsere Grundhaltung nicht ändern. Aber wir wollen zeigen, dass wir keine grünen Traummännlein sind“, meint Klubobfrau Vassilakou. Ihre Parteikollegen sollen Probleme nicht mehr kleinreden und negative Erlebnisse mit Migranten nicht relativieren. Die Grünen leiden noch immer unter dem Multikultimief aus den 90er-Jahren. Dabei gibt es seit Jahren ein grünes Zuwanderungsmodell, das Einwanderer unter anderem nach wirtschaftlichen Kriterien bewertet. In Wien wurde dieses jedoch nahezu verschwiegen, denn der linke Flügel stößt sich noch immer daran.

Schärfere Oppositionspolitik, konkretere Forderungen, Probleme zugeben. Das Umdenken hängt mit den Wahlschlappen zusammen. In Wien haben die Grünen bei der Europawahl 5,4 Prozent, bei der letzten Nationalratswahl 1,4 Prozent verloren. Die Zeiten, in denen die Partei von Urnengang zu Urnengang wuchs, sind vorüber.

Besonders gefährlich wird es für die Grünen, wenn sich der Wahlkampf rein zum Match „Strache versus Häupl“ zuspitzt und die beiden anderen Oppositionsparteien unter „ferner liefen“ antreten. „Aber bei der Wahl geht es gar nicht um Strache gegen Häupl“, sagt Christoph Chorherr, „die wirkliche Frage ist, ob Rot-Schwarz die Stadt erstickt oder Grün erstmals kommt.“

Wenn die SPÖ ihre absolute Mehrheit verliert, braucht sie einen Partner. Chorherr hat schon in seiner Rede vor Parteikollegen anklingen lassen, dass er eine Regierungsansage will. „Bescheidener Ehrgeiz führt zu bescheidenen Anstrengungen.“

Mit dieser Meinung ist er in der Minderheit. Viele Grüne fürchten, wie der Wasserträger der SPÖ zu wirken. In diesem Punkt dominiert dann doch die Angst.



Dieser Artikel ist im Falter 47/09 erschienen. Foto: Christian Wind

Ingrid Brodnig:
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