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Fake News gesetzlich verbieten? Wieso das umstritten ist

Das Nachrichtenmagazin profil brachte eine brisante Neuigkeit: Zitiert wird der Vorschlag des Staatsschutzes, das Verbreiten von Desinformation unter Strafe zu stellen – siehe dieser Bericht von Jakob Winter. Ich möchte meine Zweifel an solchen Ideen erklären und ein paar interessante Quellen verlinken.

Vorweg: Ich halte es für gut, dass Behörden und Politik die Auswirkung von Desinformation ernstnehmen, gleichzeitig sind solche Vorschläge heikel, weil sich die Frage stellt, ob ein solcher Paragraf potenzielle Auswirkungen auf Meinungsfreiheit und Pressefreiheit haben könnte, bzw. auch, wie umsetzbar ein solches Vorhaben ist (aktuell scheint der Staatsschutz selbst die eigene Äußerung zu relativieren, siehe auch hier).

Juristisch ist eine Schwierigkeit: Wie definiert man, was Desinformation ist? Eine häufig zitierte Quelle ist dieses Dokument des Europarats, in dem Wardle und Derakhshan Desinformation definieren als „Informationen, die falsch sind und absichtlich erstellt werden, um einer Person, sozialen Gruppe, Organisation oder einem Land zu schaden.“ (Im Gegensatz z.B. zu Fehlinformation, die zwar auch falsch ist, aber nicht mit der Absicht erstellt wurde, jemandem Schaden zuzufügen) 

Es kann schwierig sein, vor Gericht nachzuweisen, dass eine Falschmeldung „absichtlich“ erstellt wurde und noch dazu darauf abzielt, jemandem oder beispielsweise einem Land Schaden zuzufügen. In der „Utah Law Review“ schreibt Jason Pielemeier beispielsweise: „Die Absicht eines Absenders/einer Absenderin zu bestimmen, ist bekanntermaßen schwierig und kann nochmal so schwer sein in Online-Kontexten, wo es Nuancen, Jargon und Slang gibt (…). Diese Herausforderung wird dadurch erschwert, dass Desinformation, per Definition, oft auch das Potenzial haben muss, ‚öffentlichen Schaden‘ anzurichten.“ 

Aus rein journalistischer Sicht erscheint es oft leicht erkennbar, was Desinformation ist – zum Beispiel haben wir in Österreich einige Online-Medien, die wiederholt mit dem Verbreiten von falschen Behauptungen oder sehr kreml-affinen Erzählungen auffallen. Aber in solchen Fällen auch einen Vorsatz juristisch nachzuweisen und strafrechtliche Konsequenzen zu erwirken, kann schon deutlich schwieriger sein als rein bei einer journalistischen Analyse zum Ergebnis zu kommen, dass eine Seite oft unseriöse und faktenwidrige Inhalte verbreitet.

In unserer Demokratie ist es nicht verboten, falsche Behauptungen zu verbreiten – das ist gut so, weil zum Beispiel Menschen und Medienhäuser manchmal unabsichtlich falsche Aussagen verbreiten oder eben einfach Fehler machen. Gut ist, dass es in manchen Fällen rechtliche Möglichkeiten gibt, einzelne Falschmeldungen zu klagen – zum Beispiel wenn man mittels falscher Behauptungen in der Öffentlichkeit verächtlich gemacht wird, kann man wegen „übler Nachrede“ klagen. Das passiert auch immer wieder, siehe zum Beispiel hier. Solche Fälle sind wichtig, um zu zeigen: Ja, die Meinungsfreiheit geht in unserer Demokratie weit, aber es gibt auch Grenzen, ab wann etwas beispielsweise üble Nachrede ist. Nur ist längst nicht jede falsche und (aus einem politischen Gesichtspunkt aus) problematische Aussage klagbar. Es ist also nachvollziehbare Überlegung, sich zu fragen, ob man Desinformation stärker unter Strafe gestellt werden könnte – nur da gibt es auch gröbere Einwände.

Ein zweiter Einwand ist nämlich: Wie stellt man sicher, dass ein solcher Paragraf nicht überbordend eingesetzt wird?

In etlichen Ländern gibt oder gab es Überlegungen, strengere Gesetze gegen „Fake News“ einzuführen. In der Debatte tauchen auch immer wieder ähnliche rechtsstaatliche Einwände auf, schon 2020 schrieb David Kaye, der damalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Meinungsfreiheit:

„Insbesondere ist der Begriff ‚Desinformation‘ ein rechtlich äußerst schwer fassbares Konzept, es besteht die Gefahr, dass damit exekutive Behörden übermäßigen Ermessensspielraum erhalten, und bestimmen, was Desinformation ist, was ein Fehler ist und was Wahrheit ist.“


Solche Diskussionen lösen schnell Ängste vor einem „Wahrheitsministerium“ aus – ich selbst bin vorsichtig bei solch harten Formulierungen. Denn Fakt ist: Das Strafrecht begrenzt schon jetzt an einigen Stellen, was nicht mehr zulässige Rede ist (weil es zB Verhetzung darstellt oder auch üble Nachrede). Und ich glaube sehr wohl, dass man darüber diskutieren kann und soll, wo es Nachbesserungen im Strafrecht rund um Themenkomplexe wie Desinformation und Hassrede braucht.

Der Bericht des Nachrichtenmagazin profil aber schlägt zurecht Wellen. Dass Userinnen und User Sorge vor einem „Wahrheitsministerium“ baut ja auch auf sehr nachvollziehbaren Überlegungen auf – zum Beispiel ist immer wieder eine Sorge, dass sich politische Parteien vordergründig gegen „Desinformation“ einsetzen könnten, aber dann näher betrachtet die Presse- und Meinungsfreiheit begrenzen. Auch in Österreich passiert es, dass zum Beispiel Politiker:innen journalistische Berichterstattung als „Fake News“ bezeichnen – „Fake News“ ist mittlerweile oft auch ein politischer Kampfbegriff um Äußerungen zu diskreditieren, die jemandem unrecht sind. Mein Eindruck ist: In Österreich ist das Verhältnis von Politik und kritischen Medien oft durchaus angespannt, was solche Regulierungsideen umso emotional aufgeladener macht.

Man muss auch immer genau hinblicken, ob eine Maßnahme überhaupt effektiv wäre. Es gab in Österreich bereits einen Paragrafen gegen die Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte (§ 276 StGB), der wieder abgeschafft wurde, nachdem er de facto nicht zur Anwendung kam. Siehe auch diese Tweets von Hans Peter Lehofer.

Die Frage stellt sich dann auch, ob neue rechtliche Bestimmungen wirklich eine deutliche Verbesserung bringen, ob sie also effektiv wären. Es gibt Länder, die Gesetze oder Paragrafen verabschiedet haben, die die Verbreitung von Desinformation erschweren sollen – sehr bekannt ist das französische Anti-Fake-News-Gesetz. Dieses war eine Reaktion auf die Präsidentschaftswahl 2017, bei welcher sehr viele bösartige Gerüchte über den Kandidaten Emmanuel Macron verbreitet wurde. Dieses Gesetz zielt speziell auf Wahlkämpfe ab und ermöglicht es Gerichten in den drei Monaten vor einer Wahl in einer Art Schnellverfahren (binnen 48 Stunden), Falschmeldungen entfernen zu lassen. Wichtig ist hier auch: Diese Bestimmung gilt nicht permanent in Frankreich, sondern dezidiert in der heiklen Vorwahlphase – eine doch sehr relevante Einschränkung. Und als dieses Gesetz beschlossen wurde, gab es einige Kritik, zum Beispiel, dass sich der französische Staat zu viele Rechte herausnehmen würde.

Eine aktuelle Frage ist, ob das französische Gesetz effektiv ist – hier zumindest findet man eine Recherche, wie online weiterhin vor Wahlkämpfen Stimmung gemacht wird und unauthentische Kanäle ihre Botschaften verbreiten. Im Text sagt der Desinformations-Experte François-Bernard Huyghe über das französische Gesetz: „Ich finde es im besten Fall nutzlos, im schlimmsten Fall freiheitsfeindlich.“

Die Schwierigkeit ist in meinen Augen bei solchen Paragrafen oder Gesetzes, sicherzustellen, dass der Gesetzestext weder überbordend ist – also unerwünschte negative Auswirkungen hat, weil er zu weitgehend ausgelegt werden kann –, noch zu ineffektiv, dass es in der Praxis zu keinen Verurteilungen kommt.

Generell finde ich aber eine Debatte über den rechtlichen Rahmen, auch über politische Reaktionsmöglichkeiten, was wir gegen Desinformation und unfaire Stimmungsmache tun könnten, sehr relevant. Hilfreich wäre aktuell, wenn der Staatsschutz nun genau erklären könnte, was sein juristischer Vorschlag ist – ob die genannten Bedenken angemessen sind, lässt sich erst eruieren, wenn es einen konkreten Vorschlag gibt, was nun gefordert wird. Aktuell findet man dazu widersprüchliche Äußerungen. Man merkt wahrscheinlich: Ich bin skeptisch, was ein allgemeines, weit ausgelegtes Bestrafen von Desinformation betrifft, aber ich glaube, eine Debatte über mögliche Reaktionen, auch einzelne juristische Nachbesserung, ist absolut sinnvoll.

 

Bild erstellt mittels Midjourney

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  • Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?

    Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.

    Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.

    Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.

  • Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.

    Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.

    Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
    Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?

  • Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.

    Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.

    Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.

  • Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
    Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
    Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
    Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)

  • Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
    meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
    der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)

  • Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
    Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
    Schade.

  • Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.

  • Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
    2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
    Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
    Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
    LG Paolo

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