He, hallo, wir zwitschern jetzt!
In keinem Wahlkampf wurde so stark auf das Internet gesetzt wie in diesem. Doch die Parteien tun das oft sehr ungeschickt.
(Fundstück aus dem Archiv: Diesen Bericht verfasste ich im September 2008, als das Internet langsam zum Wahlkampftool wurde – wenn auch mit mäßigem Erfolg)
Gleich beginnt die TV-Konfrontation mit Heinz-Christian Strache. Noch schnell tippt Vizekanzler Wilhelm Molterer – oder einer seiner Mitarbeiter – eine Nachricht ins Handy ein: “Liebe leute, in kuerze treffe ich auf heinz-christian strache auf orf2.” Wenige Minuten später kommt die nächste Botschaft vom ÖVP-Spitzenkandidaten: “So, die letzten vorbereitungen laufen, jetzt muss ich dann mein handy abschalten.” Und nach der Konfrontation heißt es: “So, diskussion zu ende. Dem strache habe ich’s gezeigt heute …”
Es handelt sich bei diesen Meldungen aber nicht um SMS, sondern um Kurznachrichten, die im Internet nachzulesen sind – unter http://twitter.com/wilhelmmolterer. Wer sich auf dem Onlineportal twitter.com anmeldet, kann Meldungen mit bis zu 140 Zeichen darüber verfassen, was er gerade tut oder was ihm gerade einfällt. “Microblogging” nennt die Community das. Mittlerweile “twittern” (zu Deutsch: zwitschern) mehrere heimische Politiker: Von Andreas Schieder, dem roten Staatssekretär, über Siegfried Nagl, dem ÖVP-Bürgermeister in Graz, bis hin zu den Grünen. Die Parteien tummeln sich zunehmend im Netz. Die FPÖ postet Videos auf YouTube, die Grünen bloggen live von ihrem Bundeskongress, und die jungen SPÖler haben sich Profile auf Freundschaftsportalen wie StudiVZ angelegt. Mit einem Blick ist ersichtlich, dass in keinem Wahlkampf so stark auf das Internet gesetzt wurde wie in diesem. Doch trotz dieser Mühen zeigt sich, dass den Parteien oft das Verständnis fürs Web fehlt. Und auch der Mut, sich dort auf wirkliche Diskussionen einzulassen.
Molterers Gezwitscher ist ein gutes Beispiel dafür. Beim Wahlkampfauftakt der ÖVP postete sein Team Texte und Bilder: Molterer auf der Videoleinwand, am Rednerpult, am Tanzparkett. “Aber gerade bei Twitter ist es auch üblich, dass die Leute miteinander reden”, sagt Internetveteran Max Kossatz, der das Weblog wissenbelastet.com betreibt. Da verfasst User Nummer eins eine Nachricht (z.B.: wilhelmmolterer: “Flotte sohle mit christine marek auf grazer boden …”), woraufhin User Nummer zwei antwortet und User Nummer eins dann zurückschreibt. Diesen Dialog scheut die Politik aber, Molterers Team zwitscherte beim Wahlkampfauftakt beispielsweise nicht zurück. Was wie Politik 2.0 anmutet, ist dann doch eher Politik 1.0 – also Kommunikation nach dem Sender-Empfänger-Prinzip statt Interaktion. Das betrifft aber auch andere Parteien. Die SPÖ veröffentlicht beispielsweise in ihrem Flickr-Fotoalbum langweilige Pressefotos, die Kommentarfunktion ist generell ausgeschaltet. Auch die Grünen tun sich schwer. Sie haben jetzt ihre neue, sehr moderne Webseite veröffentlicht, auf der der User seinen Inhalt selbst zusammenstellen kann. Schaut auf den ersten Blick toll aus, auf den zweiten Blick stellt sich die Frage, wer dieses Service überhaupt nutzt.
Hauptsache dabei, das scheint oftmals der Gedanke zu sein. “Es ist wie zu jener Zeit, als Leute sagten:, He, hallo, jetzt habe ich auch eine E-Mail-Adresse!’ Aber diese dann nie verwendeten”, meint Christoph Chorherr. Der grüne Gemeinderat in Wien ist einer der wenigen internetaffinen Politiker, die sich nicht nur in Wahlkampfzeiten im Netz herumtreiben und auch dem Dialog im Web offen gegenüberstehen. Erst kürzlich rief er die Leser seines Blogs dazu auf, selbst Wahlplakate für die Grünen zu entwerfen – die Internetuser konnten dann abstimmen, welche davon tatsächlich im Wahlkampf eingesetzt werden sollen. In der Masse der ahnungslosen Politiker gibt es doch einzelne, die den Nutzen des Netzes verstehen. Darunter auch Michaela Mojzis. Die Bundesgeschäftsführerin der ÖVP setzt das Internet vor allem parteiintern ein. Da werden Funktionäre und Bürgermeister nach ihrer Meinung befragt und angespornt. Die eigene Basis ist gerade bei der heurigen Wahl wichtig, meint Mojzis: “Es ist ein Mobilisierungswahlkampf, bei dem es darum geht, die eigenen Leute zum Wählen zu bringen. Da kann das Internet sicher helfen.”
Was manche Politiker hierzulande erst begreifen, ist in den USA schon Common Sense. Der große Vorreiter im Internetwahlkampf ist Barack Obama, der demokratische Präsidentschaftskandidat. Wer sich unter http://my.barackobama.com registriert, wird sofort Teil einer wahlwerbenden Community, bei der man sich mit Demokraten aus der Umgebung zusammentun oder online Buch führen kann, an wie viele Türen schon geklopft und wie viele Wähler schon angerufen wurden. Obama benutzt das Internet nicht nebenbei – sondern als einen Standpfeiler seiner Kampagne. Zum Beispiel verkündete er seine Entscheidung, auf öffentliche Wahlkampfzuschüsse zu verzichten, zuallererst auf dem Videoportal YouTube.
Lokalisierung, Partizipation, Gemeinschaftsgefühl. Wer das Internet geschickt nutzt, hat diese Vorteile. Es gibt aber auch eine große Schattenseite: die Denunzierung. Nicht nur von amerikanischen Präsidentschaftskandidaten werden peinliche Aufnahmen ins Netz gestellt – auf YouTube wurde zum Beispiel auch ein Video veröffentlicht, in dem der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) einen Pfarrer beleidigt. Dieser hatte die Höhe der Politikerbezüge im Vergleich zu den Durchschnittsgehältern kritisiert. Pröll sagte darauf: “Wenn ich mir anschaue, was wir zwei zu verantworten haben, ist da auch ein Unterschied. Weil, wenn bei mir etwas schiefgeht, muss ich das vor den Leuten verantworten. Wenn bei Ihnen was schiefgeht, dann reden Sie sich auf den Herrgott aus.” YouTube ist wie geschaffen fürs Anpatzen und Lustigmachen. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte etwa der User “nomeister” Clips, die SP-Spitzenkandidat Werner Faymann als Marionette von Krone-Herausgeber Hans Dichand zeigen. Onkel Hans als Clown Habakuk, der Kasperl am Arm ist dabei Faymann.
Natürlich wäre es übertrieben zu behaupten, dass das Internet zum politischen Leitmedium wurde. “Die klassischen Medien wirken nach wie vor noch so stark, dass das Internet nur ein Begleitmedium ist”, sagt Imma Palme, Geschäftsführerin des SPÖ-nahen Meinungsforschungsinstituts Ifes, und ihr Kollege, Peter Ulram vom ÖVP-nahen Marktforscher Fessel-GfK, stimmt zu. Österreich ist auch nicht mit den USA vergleichbar, wo Webdienste wie Twitter wesentlich stärker genutzt werden. Während beispielsweise 75.000 User das Gezwitschere von Obama verfolgen, tun dies bei Wilhelm Molterer rund 120.
Laut Palme ist es aber trotzdem undenkbar, auf das Internet im Wahlkampf zu verzichten. Gerade jüngere, mobilere Wähler greifen vermehrt darauf zu. Auf dem Portal StudiVZ richten beispielsweise viele junge User kritische Fragen an Politiker wie Wilhelm Molterer. Aber nicht alle Mitglieder freuen sich, dass die Spitzenkandidaten kurz vor der Wahl das Internet entdecken. Ein User findet das zum Beispiel “echt peinlich” und schreibt: “Wahrscheinlich betreibt das Ganze eh irgendein Wahlkampfhelfer, der sich für den Moltererausgibt.” Die ÖVP gibt auch zu, dass viele Beiträge nicht vom Vizekanzler selbst, sondern von seinem Team verfasst werden. Das ist ein generelles Problem der Spitzenkandidaten im Wahlkampf: Sie zwitschern eine Volksnähe vor, die sie weder im Bierzelt noch im Internet haben.
Dieser Text erschien im September 2008 (Falter 37/08). Foto von Werner Faymanns Flickr-Account und im Rahmen der Creative-Commons-Lizenz von mir weiterbearbeitet. Copyright: Thomas Jantzen/SPÖ.
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zur erweiterten Gefahrenerforschung: Wie kommen denn Ermittler dazu dass eine Person potentiell Terrorist werden koennte? Naemlich ohne diese Person (noch frühzeitiger) zu ueberwachen.
Vielleicht weil diese Person etwas mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die ein Terrorist ist. Das waer dann wohl so ziemlich jeder.
Die links-grünen Eliten planen die Vernichtung der eingesessenen europäischen Volker durch Masseneinwanderung von Nichteuropäern, insbesondere von Muslimen, weil sie diese brauchen, um die bürgerlich-christlich geprägten Gesellschaften radikal nach utopischen Vorstellungen umzukrempeln (Antonio Gramsci hat das alles schon vor 80, 90 Jahren durchdacht) und wundern sich dann, dass es Widerstand gegen die eigene Vernichtung gibt.
Europa soll zu einem bunten Völkergemisch werden, in dem sich letztlich der Islam durchsetzen wird, während alle nicht-westlichen Gesellschaften weiterhin ihre eigenen nationalen Gesellschaften behalten und da wundert sich die Elfenbeinturmbewohner, dass die völlig durchgeknallte Selbstvernichtung nicht von allen begeistert aufgenommen wird...
Die etablierten geistigen "Eliten" in Europa haben jede Orientierung und führen die westliche Welt in den Untergang....
Was Breivik getan hat, ist moralisch nicht zu rechtfertigen, nachvollziehbar als Verzweiflungstat ist es meines Erachtens dennoch. In 10, 20 oder 30 Jahren, wenn der Bürgerkrieg um die Herrschaft in Europa tobt zwischen den muslimischen Einwanderern und den Eingesessenen, wird man das verhalten von Breivik in weiten Bevölkerungskreisen verstehen, da bin ich mir sicher!
dieses beispiel zeigt deutlich, wie weit weg von der realität die entwicklerInnen solcher kampagnen sind...
Das spricht mir aus der Seele! Komplett inhaltsleer, keine tiefergehenden Informationen oder Erklärungen für die Bürger, kein Dialog, .... das Ganze ist völlig sinnlos. Was insbesondere deswegen schade ist; da es eine gute Gelegenheit gewesen wäre an Politik desinteressierte Menschen, insbesondere Junge, zurückzugewinnen. Darum tut es mir mehr leid, als um die 200.000 Euro, denn es wird noch viel mehr bei uns verschwendet.
Unbedingt richtig!
Hier noch meine Gedanken zum Thema: http://inartissojo.com/blog/2011/11/04/werner-faymann-und-das-internet/
Kein Politiker, der nicht von sich aus in den neuen Medien präsent sein will, sollte sich da präsentieren. Man kann einfach nicht glaubwürdig rüberkommen.
Man muss ja nicht mal schummeln am FB-Profil. Man veröffentlicht einfach nur die richtig netten Sachen, Gelegenheiten, Fotos und Momente für alle Freunde. Man schränkt die persönlichen Postings auf den "inneren" Freundeskreis ein. Dann sieht der alte Bekannte halt nur einen Ausschnitt aus dem Leben. Aber genauso kann man auch seine Erzählungen & Darstellungen während eines Abends in großer Runde einschränken (solang keine Leute dabei sind, die Genaueres wissen und dies auch kundtun). Same same.
Aber sicher spannend, das Treffen. Fix Oida!
#OPEN und #PIPA blieb leider unerwähnt.
zu: ACTA und VDS sind Chiffren für ein unsauberes Demokratieverständnis. Da werden in geheimen Verhandlungen Dokumente erstellt, und wenn der fertige Entwurf an die Öffentlichkeit dringt, ist es für eine echte Debatte längst zu spät. Diese Geheimniskrämerei auf supranationaler Ebene ist ein guter Trick, um umstrittene Gesetze ohne große Diskussion auf Schiene zu bringen.
Hinweis:
Ross und Reiter werden von Ihnen hier laufend anonymisiert: Welche Personen meinen Sie genau, die "im geheimen Dokumente erstellen" Wessen "Geheimniskrämerei"?? Wie heißen, die Österreicher, die hier aktiv waren / sind? Wenn Sie diese "Geheimniskramerei" selbst eliminieren würden, wären Roß und Reiter konkret benannt. (Ein "Ministerium" kann ja nicht schreiben, verhandeln, etc. --- nur Personen.)
Ich finde, Sie nehmen (wie sehr viele Journalisten, inkl. Mr. Wolf vom ORF) die Sache immer noch zu leicht.
Durch privat bzw. allgemein erhältliche Software fische ich (mit fast 98% Genauigkeit) aus facebook die ÖVP- oder SPÖ-Wähler heraus; womit das Wahlgeheimnis zu 98% futsch ist. (wird normalerweise "demokratieschädlich" genannt)
Bei den $cientologen wurde deren Grundsatz "von jedem eine Akte anlegen" (im $c.Jargon: Ethik-Akte) von Leuten wie Ihnen heftig bekämpft, weil totalitär. Nun haben Sie das, was früher "totalitär" genannt wurde: eine Akte von jedem, die Privates und Intimes enthält.
Danke U$-Konzerne und U$-Regierung, v.a. Bush-Regierung für die exorbitante
- politische Spionage
- Wirtschaftspionage
- militärische Spionage
Denn: heute ist Information viel, viel wichtiger als "Geld"; Information regiert die Welt.
lg
In D hat ein Blogger nach seinem Urlaub festgestellt, dass etliche seiner Texte im web gefehlt haben. Das hat den gewaltig überrascht, sodass er gleich nachforschte.
Der Provider hat ihm die Blog-Beiträge herausgelöscht!! Und zwar deswegen, weil ein Rechtsanwalt dem Provider eine einstweilige Verfügung eines kleinen BRD-Gerichtes gemailt hat, mit der Aufforderung, zwei dutzend Texte zu entfernen. Das hat der Provider gemacht, um nicht als "Störer" (ist in der BRD so) vom RA belangt zu werden.
Das heißt: lange bevor der Blogger davon erfahren hat (vom Rechtsanwalt und des Gerichtsbeschlusses) waren seine Texte vom web entfernt.
Die einstweilige Verfügung wird OHNE Anhören der Blogger beschlossen; nach der Anhörung des Bloggers wurde der Beschluß aufgehoben; das Entfernen der Texte war rechtswidrig, weil der Gerichtsbeschluß aufgehoben werden mußte.
Also: wenn von Ihnen im web zwei dutzend Beiträge fehlen und sie nicht wissen warum, dann wissen Sie, wo das Problem bei #ACTA liegt. http://is.gd/ED43eX
Das Problem ist, dass sechs Konzerne (Sony, MGM, Universal, ...) mehr Macht haben, als die gesamte EU und ihre Politiker.
lg