Europa ist nicht machtlos – 3 Anmerkungen zu PRISM
Die USA überwachen anscheinend den Rest der Internetbevölkerung. Dies legen interne Dokumente und Berichte zum Überwachungsprogramm PRISM nahe. Doch ist Europa tatsächlich so machtlos, was kann der einzelne tun und warum ist die amerikanische Sichtweise so ganz besonders problematisch? Ich habe drei zentrale Aspekte zusammengefasst:
– Die US-Regierung verteidigt PRISM damit, dass eh keine US-Bürger betroffen seien.
Das ist eine besonders skurrile Verteidigungslinie. Was wollen uns Barack Obama und seine Mitarbeiter damit sagen? Etwa, dass für den Rest der Menschheit nicht die gleichen Menschenrechte gelten?
Das stimmt ganz sicher nicht, ich zitiere aus der UN-Menschenrechtscharta, Artikel 12:
„Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.“
Dazu könnte man auch noch viele weitere europäische oder österreichische Bestimmungen zum Datenschutz zitieren, aber klar ist: Der Schutz der Privatsphäre ist nicht nur ein Recht, über das sich ausschließlich US-Amerikaner erfreuen können.
– Kann ich mich jetzt davor schützen? Es gibt bereits Anleitungen im Web, wie man PRISM umgeht. Ist das sinnvoll?
Stimmt, es gibt solche Anleitungen und natürlich ist es immer gut, zu wissen, wie man seine Anonymität im Netz schützt. Jedoch wissen wir noch nicht zu 100 Prozent, wie die Überwachung von PRISM funktioniert. Da ist es schwierig, Tipps zu geben. Noch viel wichtiger ist: Die Lösung kann nicht sein, dass jetzt alle auf andere Webseiten und Anonymisierungsdienste ausweichen. Viel wichtiger ist, dass PRISM als Ganzes gestoppt wird.
Solche Anleitungen sind bestenfalls eine Notlösung. Viel mehr geht es darum, dass Staaten wie die USA nicht derartige Überwachungsprogramme anwenden. Wem seine Grundrechte wichtig sind, der kann zum Beispiel NGOs wie die digitale Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation unterstützen, die gegen PRISM ankämpft. Zwar können wir Europäer nicht den US-Präsidenten wählen, wohl können wir aber Druck auf unsere Politiker ausüben – und die sind nicht so machtlos, wie oft suggeriert wird. Siehe nächster Punkt.
– Ist Europa denn komplett machtlos? Können wir da nur zusehen?
Mitnichten! Ausgerechnet jetzt arbeitet die EU an einer neuen Datenschutzverordnung, die auch Firmen wie Facebook und Google betreffen würde. Die neue Verordnung könnte dazu führen, dass US-Firmen nicht länger europäische Grundrechte ignorieren können, denn sonst drohen hohe Strafzahlungen. Auch sehr spannend: In der ursprünglichen Fassung war ein Artikel enthalten, der die Drittstaaten den Zugriff auf die Daten europäischer Bürger verbietet. Konkret stand im Artikel 42:
„No judgment of a court or tribunal and no decision of an administrative authority of a third country requiring a controller or processor to disclose personal data shall be recognized or be enforceable in any manner, without prejudice to a mutual assistance treaty or an international agreement in force between the requesting third country and the Union or a Member State.“
Dieser Paragraph hätte das amerikanische Vorgehen zumindest nach europäischem Recht verboten. Guess what: Nach internationalem Druck verschwand dieser Paragraph wieder aus der Verordnung. Ursprünglich war das geplante Datenschutz-Paket überaus ambitioniert. Doch die Verordnung läuft Gefahr, verwässert zu werden oder gar zu scheitern. Lobbysten arbeiteten daran, unliebsame Paragraphen verschwinden zu lassen.
PRISM stellt nun sogar eine große Chance dar: Es zeigt, wie wichtig ein strenger europäischer Datenschutz ist. Noch verhandelt das EU-Parlament über die neue Datenschutzverordnung und es gibt durchaus Vorschläge, die strengeren Paragraphen wieder hineinzunehmen. Der öffentliche Aufschrei über PRISM ist wichtig, um jetzt Druck zu machen. Denn, wie gesagt: Europa kann hier durchaus die Zähne zeigen.
Wer sich weiter über PRISM informieren will: Ich habe eine Linksammlung angelegt, die laufend erweitert wird.
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liebe ingrid, schön, dass es dich gibt! jede woche lese ich genussvoll deine kolumne und diesmal- ja es passt jedes wort- die nicht liker sind dieselben leute, die auch am gang nicht grüßen! klar- ja, denen fehlt es am emphatie und dass der like -knopft ist wie das lächelen des internets------ das kling wie eine wunderbare musik in den ohren- würde ich so gerne dir ein paar likes schenken! bleibe dir treu und stark wie du bist und macht deinen weg! ganz lg grüße irena
Vielen Dank für die ausführliche Behandlung des Themas. Damit sollten nun wirklich alle Fragen beantwortet sein.
Ich weiß den Aufwand zu schätzen!
Gottfried
1.) Das ist natürliche eine Auslegungsmöglichkeit, eine Einzelmeinung, die von StA od. vom Ministerium völlig anders ausgelegt werden kann und durch einen "Erlass" völlig anders regeln kann.
2.) was in Ö nicht gespeichert wird, wird oftmals im Ausland gespeichert (anderswo gibts auch die #dvs) sodass man sich halt von anderen Ländern wie D mittels Verfahrenshilfe (oder CD-Ankauf) die Infos holt.
3.) auch bei nicht-schweren Straftaten oder Nicht-Straftaten stellt man einfach einen fingierten oder übertriebenen "Verdacht" in den Raum, sodass man die Daten auch Unschuldiger (oftmals Dissidenten bzw. Andersdenkender) auswertet. Das ist ein ur-, ur-alter Schmäh in der Juristerei.
alles spacken hier
Hast mein volles Mitgefühl.
So war es für mich als man (Verbrecher) mein Rad klauten
ich finde es sehr schön den herrn piraten mit seinem eigenen businessmodell zu konfrontieren. das will er dann auch nicht: wie ein künstler bezahlt werden.
ich kann ihm auch nur raten, einmal flattr auszuprobieren. wenn er sich davon ein bier im halbjahr leisten kann, hat er glück.
so sehr ich gegen panikmache und kriminalisierungen bin, die lösungen der piraten sind nicht im geringsten tauglich.
Lesen Sie: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,828246,00.html
Der Pirat ist völlig vernebelt mit seinem "huuuuuh, Interneeeet! Und Flattr-Cents & CC retten uns alle" und Clara Luzia pocht (mir) zu sehr auf "Wenn du Musik hören willst, zahl dafür".
Erst einmal, was ist das für ein Ansatz "wovon sollen professionelle Musiker leben?".
Ist man nicht dann erst professionell, WENN man davon lebt?
Was soll dieses Berufsmusikertumdingens-hochgehalte? Wenn man davon leben kann, ist es großartig, aber wenn nicht, muss man sich halt tatsächlich andere Wege suchen, "an das Geld der Fans zu kommen"; sei es Merchandise oder besondere nichtdigitale Extras beim Album oder besondere Livequalitäten/"eine gute Show" oder sich reicherem, (älterem?) Publikum anbiedern oder oder.
Oder man ist halt nicht "Berufsmusiker" und muss sich wie viele andere Künstler aus anderen Bereichen mit Nebenerwerben oder Auftragsarbeiten durchschlagen.
Das kann einfach nicht mehr Rückgängig gemacht werden.
Es "wird" doch heutzutage nicht ernsthaft jemand MusikerIn, im Glauben, vom Verkauf von Alben leben zu können..?
Es ist schade, dass Musik oft nicht gewertschätzt wird, DAS sollte sich tatsächlich ändern. Aber in einer Zeit, wo jede_r, der Musik machen will und ein paar hundert Euro in einen PC/Instrumente investieren kann, auch Musik machen kann, ist jammern auch das falsche. Der Kuchen ist ja gleich groß, bzw. kleiner - er wird aber in viiiiiel mehr kleine Stücke geteilt.
(Und einer der erfolgreichsten Acts des Landes zu sein, reicht heutzutage natürlich nicht aus, wenn dieses Land die Größe von Österreich hat man und außerhalb des FM4-Universums wenig Aufmerksakeit bekommt...ich weiß ja nicht mehr genau, wie es "vor dem Internet" war, aber ich behaupte mal, dass es vor 20 Jahren nicht so viele österreichische Acts gab, die außerhalb der Landesgrenzen Beachtung bekamen..?)
stimmt, doch das mit den paar hundert euro stimmt überhaupt nicht, klar kannst Du musik machen mit billigsdorfer ausrüstung, doch das klingt dann eben jämmerlich, noch ist es nicht möglich nur annähernd den sound zu schaffen, der in millionenteuren studios produziert wird. eine akustische gitarre die wirklich gut klingt kostet minimum 3000 euro. eine komplette adäquat klingende CD mit 11 songs kostet an die 40 000 Euro. marketing ist da noch keines dabei und don't forget wer bezahlt die musiker, techniker und co., als einzelindividuum kannst Du vieles selber erreichen, doch es ist ein unterschied ob Du dich auskennst mit soundtechnik oder dies als beruf ausübst, ergo wird die qualität der musik vorerst rapide zurückgehen. wirklich begabte musiker werden zu beginn das handtuch werfen, denn wer will sich das ganze noch geben, es wurde durch die gratismentalität noch schwieriger sich gegen konzerne und gaballiers als auch ötzis durchzusetzen, denn nur wer das geld hat kann sich qualität leisten, der rest kann bleiben wo der pfeffer wächst und wer wirklich eine ahnung hat von der materie wird sich nicht die blösse geben ein home recording konstrukt anzubieten, geschweige denn dass man sich das selber anhören will, klingt eben shei....e, und die , die das gegenteil behaupten, kennen sich eben nicht aus, es gibt ja auch bei castingshows leute, die denken superstars zu sein und verstehen die welt nicht mehr wenn sie zur sau gemacht werden. dennoch hast Du gute ansätze in Deinem posting, lg
mein hobby kostet bisher auch leicht 20.000,- ich nenne mich deshalb aber nicht profesioneller radrennfahrer und jammere über die geringen preisgelder bzw mangelnde sponsoringverträge...
nicht alles was hinkt....
Dass dein Hobby dich eine gewisse Menge Geld gekostet hat, ist zwar schön, hat aber nicht das geringste mit dem Thema zu tun. Die Begriffe "Professionalisierung" und "erfolgreich" sind im Gegensatz zu dir als Rennradfahrer von aussen zugeschriebene und hinsichtilch Marktdurchdringung und kultureller Identität legitime Begriffe. Wenn du Rennrad fährst, interessiert das abgesehen von deinen Angehörigen wahrscheinlich niemanden, wenn CL´s Album ins Netz gestellt wir, werden 10.000 Downloads getätigt. You see??
Interessantes Interview der liebe Herr Kopaczynski argumentiert mMn sehr schwach - kann auch sein dass da Argumentationslücken der Piraten widergespiegelt werden.
Was mir fehlt ist allerdings die Diskussion über Vertriebswege/modelle von Musik per se z.B. Frage an C.L. "Wieviel Geld bekommst Du raus beim Albumverkauf um €10?"
Bekannte Künstler bekommen bei iTunes z.B. etwa EUR 3,- pro Download eines Albums um EUR 10,-
3 Euro kommt mir viel vor. Laut dieser mittlerweile legendären Grafik ist's deutlich weniger, nämlich 94 cent.
http://www.informationisbeautiful.net/2010/how-much-do-music-artists-earn-online/
Als Urheber meine ich mittlerweile: Jeder Generation das Recht auf Utopie. Unverständlich ist allerdings, dass die Piraten bislang nicht in der Lage sind, den §42 des Urheberrechts sinnerfassend zu lesen. Das Recht auf Privatkopie existiert seit den sechziger Jahren!
Eindeutig NICHT privat ist natürlich, wenn man ein geschütztes Werk (dessen Veröffentlichungsrecht man nicht hat) ins web stellt und so einen schwarzen Gratis-Vertriebskanal zu geschätzten 2 Milliarden potenzieller Konsumenten eröffnet. Das sollte auch jedem Teenager einleuchten. Und wenn nicht, sind die Erziehungsberechtigten gefordert. Man lässt Kinder ja auch nicht die Autobahn überqueren.