Das böse Paket
Der Fall Amazon: Der weltgrößte Onlinehändler macht Milliardengeschäfte in Europa. Warum zahlt er fast keine Steuern?
Ein 3-D-Fernseher um 266 Euro. Eine Nespresso-Kaffeemaschine um 49 Euro. Eine Xbox-360-Spielkonsole für 147 Euro. Mit solchen Kampfpreisen wirbt Amazon im Adventgeschäft. “Reduzierungen bis zu 70 Prozent“, “einmalige Angebote, nur heute reduziert“ verspricht der Onlineshop, und gerade in der Weihnachtszeit schlagen tausende Kunden zu. Was sie nicht wissen: Auf diese Einnahmen zahlt der Konzern fast keine Steuern.
7,5 Milliarden Euro Umsatz machte Amazon im Jahr 2010 in Europa, es zählt zu den sogenannten Fortune-500, den 500 umsatzstärksten Firmen der Welt, und ist auch in Österreich der mit Abstand erfolgreichste Onlinehändler. Doch mehr und mehr gerät der Konzern in der EU unter Druck. Vielen Staaten missfällt, dass die Firma zwar riesige Umsätze in ihrem Land macht, diese aber in der Europa-Zentrale in Luxemburg verbucht – einem Steuerparadies. Auf europäischer Ebene wollen nun einige Finanzminister dagegen vorgehen; generell wollen sie Internetfirmen stärker zur Kasse bitten.
Von Amazon über Google bis hin zu Apple: Internetfirmen treiben es unter den steuertricksenden Konzernen besonders wild. Ihr Geschäft ist global und großteils virtuell. Da hinkt das europäische Steuerrecht, das Großteils noch aus dem 20. Jahrhundert stammt, hinterher. Die IT-Konzerne wählen gewiefte Firmenkonstrukte, siedeln sich in Ländern wie Luxemburg, Irland oder den Cayman Islands an und verbuchen ihre Gewinne dort, wo es am billigsten ist.
Amazon illustriert das sehr schön: Wenn ein Österreicher auf der deutschen Webseite Amazon.de einen Fernseher kauft, schließt er keinen Vertrag mit der deutschen Webseite ab – sondern mit der Europazentrale Amazon EU S.a.r.L. in Luxemburg, so steht es auf der Rechnung. Amazon.de ist offiziell nur eine Webseite, die Amazon.de GmbH wiederum nur ein Dienstleister der Luxemburger Zentrale. Auch in Österreich fällt lediglich die Umsatzsteuer an, die man für jede Importware zahlen muss.
In Österreich fuhr Amazon im Jahr 2010 einen Umsatz von 283 Millionen Euro einFür heimische Unternehmer ist das ein Wettbewerbsnachteil: Sie zahlen wesentlich mehr Abgaben. Für Nationalstaaten ein Steuerproblem: Wenn immer mehr Menschen ihre Waren online und nicht im Geschäft um die Ecke kaufen, wandern zunehmend Steuern ins Ausland. In Österreich fuhr Amazon im Jahr 2010 einen Umsatz von 283 Millionen Euro ein, geht aus einer Studie des EHI Retail Institute hervor. Von diesem dreistelligen Millionenbetrag hat der österreichische Fiskus vergleichsweise wenig.
Die Luxemburger erlauben eine sehr kreative Buchhaltung. Konzerne können ihre internationalen Verluste und Einnahmen so zusammenrechnen, dass unterm Strich kaum noch ein offizieller Profit übrigbleibt. Im Jahr 2010 verbuchte die Amazon EU S.a.r.L. etwa 7,5 Milliarden Euro Umsatz. Sie meldete aber nur einen Gewinn von 55 Millionen Euro.
Sogar in den USA müsste Amazon mehr Steuern zahlen als in der EU.Amazon-Chef Jeff Bezos weiß, was für ein Schnäppchen er da macht. In einem Bericht an die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC schrieb die Konzernführung sogar: “Der effektive Steuersatz im Jahr 2011, 2010 und 2009 war niedriger als die in den USA vorgeschriebenen 35 Prozent (…). Diese Einkünfte hängen in erster Linie mit unserer europäischen Niederlassung zusammen, deren Zentrale in Luxemburg liegt.“ Kurz gesagt: Sogar in den USA müsste Amazon mehr Steuern zahlen als in der EU.
Egal, ob Guardian, Spiegel oder Falter: Wer bei Amazon nachfragt, wird stets nur ein knappes Statement erhalten mit Sätzen wie: “Amazon zahlt alle anwendbaren Steuern in jedem der Länder, in denen das Unternehmen tätig ist.“ Oder: “Wir haben eine europäische Zentrale in Luxemburg mit hunderten von Mitarbeitern, die dieses komplexe europäische Geschäft verwalten.“
Mehr hat der Konzern dazu nicht zu sagen. An diesen Statements ist aber sogar etwas dran. Wahrscheinlich befolgt Amazontatsächlich die europäischen Gesetze. Oder besser gesagt: Es nutzt sie so weit aus, wie es nur geht.
In Österreich sind die Steuertricks der IT-Firmen bisher kein großes Thema. Auf eine Anfrage des Falter hieß es aus dem Finanzministerium lediglich, dass man “Internet-Monitoring“ betreibe und auf europäischer Ebene Steuerbetrug bekämpfe. Andere Staaten sind schon einige Schritte weiter. Ausgerechnet die wirtschaftsliberalen Briten klagen darüber, dass Amazon in ihrem Land zwar Verkäufe in Milliardenhöhe mache, aber dort dafür keine Körperschaftssteuer zahle. Das britische Parlament befragte bereitsAmazon-Manager zu deren Steuermoral.
Die Franzosen sind wieder einmal besonders streng. Der französische Fiskus fordert nun sogar 198 Millionen Euro von Amazon. Es ist eine Nachzahlung inklusive Strafe für die Jahre 2006 bis 2010. Ihre Argumentation: Wenn ein französischer Kunde auf der französischen Webseite Amazon.fr ein Produkt kaufe, sei es doch absurd zu behaupten, dass dieses Geschäft in Luxemburg stattfinde.
Das Problem besteht darin, dass das Rechtssystem mit der virtuellen Ökonomie nicht schritthält“Das Problem besteht darin, dass das Rechtssystem mit der virtuellen Ökonomie nicht schritthält“, wird ein französischer Regierungsvertreter im Wall Street Journal zitiert. Er spricht damit den allerwichtigsten Punkt an: Wer die Steuerlöcher für große IT-Konzerne stopfen will, muss international denken. Deswegen suchen derzeit mehrere europäische Staaten nach neuen internationalen Steuerstandards – auch speziell für Internetfirmen. EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta forderte erst neulich ein härteres Vorgehen gegen Steuersünder. Amazon wurde von ihm als Paradebeispiel genannt.
Dass diese Debatte nun kommt, überrascht Unternehmen wie Amazon sicher nicht. Sie haben längst damit gerechnet, dass europäische Staaten neugierig auf ihre Finanzen schauen. So räumt Amazon bereits in einem Bericht an die US-Börsenaufsicht SEC ein, dass man mittlerweile in mehreren Staaten unter Beobachtung stünde – und dass es zu weiteren Untersuchungen kommen könnte.
Dieser Bericht erschien in Falter 50/12. Illustration: Oliver Hofmann
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Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?
Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.
Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.
Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.
Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.
Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.
Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?
Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.
Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.
Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.
Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)
Möchte gerne auf meinen Artikel in der Zeitschrift "Die Zukunft", Juli 2010, verweisen:
"Open Government - let the sunshine in"
http://diezukunft.at/?p=1463
sowie auf meine Linksammlung auf: http://bit.ly/aEwPsW
Mit besten Grüßen
Rudolf Legat
http://www.ref.gv.at/uploads/media/Oesterreichs_Weg_zum_Europaeischen_Shared_Environmental_Information_System.pdf
Darum habe ich Sky – Abo!
Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)
Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
Schade.
Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.
Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
LG Paolo