Lass mal Gutschein!
Fünf Gänge um 14,50 Euro oder Yogakurs um 39 Euro. Auch in Wien versprechen Gutscheinportale Schnäppchen. Doch nach dem Hype um Seiten wie Groupon und Dailydeal tritt Ernüchterung ein
Bericht: Ingrid Brodnig & Florian Holzer
Letzter Abend im Februar. Günter Szigetis Restaurant Feles – Zur Schwarzen Katze ist voll. Voller als sonst an einem Mittwoch, und trotzdem ist Günter Szigeti darüber nicht froh. Denn heute Abend wird er fast kein Geld verdienen. “95 Prozent der Leute, die heute in meinem Lokal sitzen, essen auf Gutschein“, sagt der Wirt. Auf dem Schnäppchenportal DailyDeal.at hat er billige Menüs verkauft. Fünf Gänge für zwei Personen kosteten im Internet nur noch 29 statt 70 Euro. 470-mal wurde dieser Gutschein verkauft. Ein Verlustgeschäft. Fünf Monate lang verköstigte Szigeti hauptsächlich Schnäppchenjäger. Die Gutscheinkunden nahmen den regulären Kunden auch noch die Tische weg, das Geschäft brach ein. Am 14. April sperrt Szigeti sein Lokal zu.
Der Wirt weiß, dass er Fehler gemacht hat. Er hätte die Anzahl der Gutscheine begrenzen müssen oder die Menüwahl für die Gutscheinesser einschränken sollen, damit es ihn nicht zu teuer kommt. Hat er aber nicht. Seine Hoffnung, mit der Rabattaktion neues, junges, mobiles Publikum nach Gersthof zu locken, wurde enttäuscht. “Noch einmal gekommen sind nur jene, die mehrere Gutscheine gekauft hatten.“
Noch vor wenigen Monaten herrschte eine Euphorie rund um die GutscheinportaleSzigetis Erfahrung schockiert Wiener Gastronomen. Noch vor wenigen Monaten herrschte eine Euphorie rund um die Gutscheinportale. Groupon.at oder dailydeal.at bieten vergünstigte Dienstleistungen und Waren an. Der Konsument zahlt fünf statt zehn Euro für den Besuch im Cineplexx, 29,90 statt 85 Euro für den Bierbraukurs, 49 statt 119 Euro für die Thermenwartung, 49,90 statt 99 Euro für die Mitgliedschaft im Fitnessclub Holmes Place.
Mit Abstand am beliebtesten sind aber die Ermäßigungen fürs Essengehen: Im Internet kauft man sich zum Beispiel einen Gutschein für zehn Euro und kann dann im Lokal Speisen im Wert von 20 Euro konsumieren. Oder man checkt sich vergünstigte Menüs, serviert werden dann etwa Beef Tartare, Topinambursuppe, pochierter Lachs und rosa Schweinsmedaillons und eine Süßspeise, pro Person 14,50 Euro.
Das lockt Konsumenten, die ein paar Euro sparen und etwas Neues ausprobieren wollen. Die Portale wiederum verdienen an jedem Deal kräftig mit, meist etwa die Hälfte. Und die Gastronomen nehmen das in Kauf, weil sie sich neue Kunden versprechen. Im Idealfall ist das eine Win-win-Situation. Der Fall Szigeti zeigt aber: Oft geht diese Rechnung nicht auf. Das Geschäft mit den Gutscheinen ist hochriskant und nicht so lukrativ, wie es noch vor wenigen Monaten hieß.
An den Coupons verdienen in erster Linie die Portale. Genaue Zahlen rücken die Firmen nur ungern raus. Zumindest ist bekannt, dass Dailydeal 2011 fast 200.000 Gutscheine in Österreich verkauft hat – Gesamtwert: 9,3 Millionen Euro.
Unterm Strich verdient der Gastronom ungefähr ein Viertel seines herkömmlichen PreisesViel Geld für ein simples Prinzip. Auf den Schnäppchenportalen werden Produkte mindestens um die Hälfte günstiger angeboten. Ein Wirt verlangt etwa laut Speisekarte für eine Fischplatte 20 Euro. Kurze Zeit gibt es eine Onlineaktion, User können diese Fischplatte um zehn Euro kaufen. Die eine Hälfte des Gutscheinpreises landet beim Onlineportal, die andere beim Wirt. Unterm Strich verdient der Gastronom ungefähr ein Viertel seines herkömmlichen Preises, also 5 Euro pro Fischplatte.
Die Internetplattformen sind sehr geschickt darin, diese Deals den Wiener Geschäftsleuten schmackhaft zu machen. “Wir teilen uns den Erfolg“, meint zum Beispiel Thomas Hofirek, Österreich-Chef von Dailydeal. Er erzählt gerne, wie sehr die Coupons ein einzigartiges Marketinginstrument seien und wie viel Rücksicht man auf die Geschäftspartner nehme. “Bei keiner anderen Werbeform bekommen Sie im Schnitt 25 Prozent des Verkaufspreises“, sagt er.
Manche schütteln da nur den Kopf. “Ich frage mich, ob diese Gastronomen eine Ahnung von Grundrechnungsarten haben“, sagt Stefan Gergely, ehemaliger Wissenschaftsjournalist beim Profil, der vor 20 Jahren Gastronom wurde, heute das Schlossquadrat im fünften Bezirk leitet und sich seitdem immer auch mit den wirtschaftlichen Perspektiven der Wiener Szenegastronomie beschäftigt. Laut ihm hätte Szigeti bei so einem Deal gar keine Chance gehabt. In der einigermaßen anspruchsvollen Gastronomie gibt es die Formel, dass der Wareneinsatz bei 24 bis maximal 30 Prozent des Umsatzes liegen soll, die Personalkosten bei 35 bis 40 Prozent. “Laut gängiger Ansicht eines Betriebswirts ist ein Unternehmen, das über 60 Prozent für Wareneinsatz und Personal verbraucht, nur schlecht gewinnbringend zu führen“, so Gergely. So ein Gutscheinkunde muss also verdammt oft ohne Gutschein wiederkehren, ehe sich die erste Nulllohnrunde ausgezahlt hat.
Höchstens ein Zehntel der Gutscheinleute hätte Trinkgeld gegeben, meint Muliar, dafür waren sie aber umso frecher und mühsamerUnter den Wirten gibt es nun spürbare Ernüchterung. Auch andere schimpfen, zum Beispiel Markus Muliar, Besitzer des Cafés Markusplatz. Er musste sein Lokal nach der Gutscheinaktion zwar nicht zusperren, wird sich so etwas aber nie mehr wieder antun. Vorigen Sommer, in der “toten Zeit“, wollte er seinen neuen Schanigarten füllen und breiteres Publikum erreichen. Promotion sei gefragt, dachte er sich. Ein Liter Aperol-Spritz und eine Antipastiplatte um neun statt um 25 Euro, so lautete sein Angebot bei Dailydeal. “Es war eine Katastrophe“, sagt Muliar. Auch er hatte den Andrang unterschätzt. Erst als 641 Gutscheine von Dailydeal verkauft waren, war ihm klar, dass vor allem eine zeitliche Einschränkung ratsam gewesen wäre. “Wir haben nicht nur draufgezahlt, weil es nicht einmal den Wareneinsatz deckte, sondern vor allem, weil die Rabattkunden im Herbst den Vollzahlern die Plätze wegnahmen.“ Auch habe er mit der Aktion sein Personal verärgert. Höchstens ein Zehntel der Gutscheinleute hätte Trinkgeld gegeben, meint Muliar, dafür waren sie aber umso frecher und mühsamer: “Und als uns am letzten Tag der Gutscheingültigkeit dann alles ausgegangen ist, fingen sie sogar an, mich zu bedrohen. Die sind völlig ausgerastet, einer meinte, er würde mich verklagen, wenn ich nicht sofort 25 Euro auf sein Konto überweisen würde. Zwei hab ich dann rausgeschmissen, ich konnte einfach nicht mehr.“
Die Gefahr ist, dass Gutscheinkunden das bestehende Geschäft vermiesen. So erging es auch Barbara Rappauer, die ein Yogastudio im zweiten Bezirk im März 2011 eröffnete. Sie ist eine klassische Firmengründerin, bei der sich schon kurz nach der Eröffnung Groupon meldete, ob sie nicht Interesse an so einem Deal hat, ob sie neue Kunden gewinnen will. Ja, wollte sie. So bot sie einen Zehnerblock an. “Endlich in der Balance mit allen Sinnen dank dem 10er-Block Yoga bei Poweryoga für 39 statt 140 €“, stand auf groupon.at. Eine Fehlkalkulation.
“Ein paar Monate lang war ich nicht sicher, ob ich mein Geschäft zusperren muss“, sagt Rappauer. Auch ihren Deal kauften hunderte Menschen, drei Monate lang war ihr Studio hauptsächlich mit Groupon-Kunden gefüllt. “Es gab Wochen, da hatte ich nur 200 Euro Umsatz. Das hätte mich fast Kopf und Kragen gekostet.“
Das Problem war, dass plötzlich auch Stammkunden mit Gutschein auftauchten. Damit hatte die Studiobetreiberin nicht gerechnet. Heute weiß sie es besser, aber Groupon hat sie damals auch nicht vorgewarnt, dass sie lieber Stammkunden von der Aktion ausschließen solle. Diese Portale wollen Deals verkaufen, das ist ihr Geschäftsmodell. “Man merkt auch, dass die Verkäufer unter immensem Druck stehen. Die müssen täglich ihre Quote erfüllen, neue Deals an Land ziehen“, sagt Rappauer.
Sie ist skeptisch, ob die Gutscheine tatsächlich viele treue Neukunden liefern. Ihr erster Kontakt mit Groupon war eher ein Schreckensszenario, sie lehnt das Prinzip aber nicht zur Gänze ab: “Ich glaube, man muss bei diesen Gutscheinen ganz genau wissen, was man damit erreichen will und wie man es anlegt.“
Für ein Drittel der Firmen sind die Gutscheinaktionen unprofitabelViele aber verkalkulieren sich oder hegen falsche Hoffnungen. Das zeigt zumindest eine US-Studie (hier das PDF). Laut der Rice University in Houston sind die Gutscheinaktionen für ein Drittel der Firmen unprofitabel, 42 Prozent der Geschäftsleute würden nicht erneut an so einer Aktion teilnehmen. Anders ausgedrückt: Die Mehrheit schließt eine erneute Rabattaktion zumindest nicht aus.
Für manche ist es tatsächlich ein tolles Marketingtool. Zum Beispiel für den Meinl am Graben. “Man muss wissen, worauf man sich einlässt“, sagt Udo Kaubek, Geschäftsführer des Feinkostsupermarkts. Er wusste es offenbar: Er verkaufte Gutscheine für das Gourmetrestaurant Meinl am Graben, allerdings war mit 79 Euro ein relativ hoher Preis angesetzt, die Zahl auf 100 Stück begrenzt, ein spezielles Menü vorgegeben und angemessene Kleidung verlangt – so wird Geiz eher ungeil. Gleichzeitig nützte Kaubek Dailydeal auch für Meinl to go. Die Mitnahmetheke des Edelsupermarkts, wo man schnell ein Sandwich oder ein fertiges Gulasch kaufen kann, war noch verhältnismäßig unbekannt. Seit der Dailydeal-Aktion hat sich das sicher geändert: 1587 Gutscheine für Essen aus der Gourmetvitrine um zehn statt um 20 Euro wurden verkauft. “Das war klassische Promotion, hat die Wünsche dieser Klientel gut getroffen und eine nachhaltige Steigerung für diese Sparte bewirkt“, sagt Kaubek.
Meinl-Essen um zehn statt 20 Euro. Als Kunde kann man ein Schnäppchen machen, man muss aber jeden einzelnen Deal genau überprüfen, ob man sich wirklich so viel spart. “Ich schaue stets auf die Webseiten der Lokale und vergleiche den Preis auf der Speisekarte mit der Aktion. Manches wirkt eher dubios“, sagt Martin Krumböck. Der 25-Jährige Informatiker ist ein typischer Gutscheinkäufer: Er hat studiert, ist berufstätig, internetaffin und mobil. Über die österreichischen Kunden sind keine Statistiken bekannt, von seinen deutschen Käufern behauptet Groupon zumindest, dass mehr als 66 Prozent Abitur haben, mehr als die Hälfte weiblich sind, gut zwei Drittel arbeiten und 58 Prozent in ihrem Haushalt 2000 Euro netto oder mehr verdienen.
Krumböck kauft regelmäßig auf Portalen wie Dailydeal und Groupon Gutscheine, von der Paintballschlacht mit Freunden über seine neue Matratze bis hin zur Stelze. “Meistens sind es aber Restaurants. Ich bin noch nicht so lange in Wien, und es ist ein Weg, neue Sachen kennenzulernen“, sagt der gebürtige Linzer.
Bei solchen Schnäppchen ist die Hemmschwelle niedriger, etwas auszuprobieren. “Wenn’s nicht so gut ist, war’s wenigstens günstiger. Und wenn alles passt, komm ich eventuell wieder“, sagt Krumböck. Über einen Gutschein lernte er das Neni im Zweiten kennen, das neue Lokal von Szenewirtin Haya Molcho. Da gab es zum Beispiel drei Gänge und eine Flasche Wein für zwei Personen um 34 Euro. Nach dem Angebot ist Krumböck mehrfach wieder hingegangen – diesmal ohne Rabatt. Er hat auch schon mitbekommen, dass Wirte bei den Gutscheinen stöhnen. Dann hört man: “Ach, schon wieder so ein Gutscheinkunde.“
Die Gutscheinportale sprechen gezielt unseren Jäger- und Sammlertrieb an.Viele Kunden zerbrechen sich nicht den Kopf, ob die Geschäftsleute von diesem Deal leben können. “Die Menschen sind Optimierer“, sagt Klaus Atzwanger. Er ist Anthropologe und in einer für Verhaltensforscher ungewöhnlichen Branche tätig: der Unternehmensberatung. “Wir funktionieren nach dem Modell der Kosten-Nutzen-Rechnung, versuchen maximal zu profitieren.“ Insofern sei das Streben nach Rabatten, Sonderangeboten und Schnäppchen ganz natürlich. Die Gutscheinportale sprechen gezielt unseren Jäger- und Sammlertrieb an.
Jeden Tag senden die Gutscheinportale ihren Newsletter an hunderttausende Kunden aus. Dutzende Deals werden angekündigt mit Hinweisen, man möge “schnell zugreifen“ oder sich bei einer Sonderaktion “exklusiv und zum letzen Mal: die beliebstesten Deals – nur in limitierter Stückzahl und für kurze Zeit“ sichern. Da erwacht im modernen Büromenschen der Jagdinstinkt. Nur noch drei Stunden läuft dieser Deal! Schnell klicken, Kreditkarte zücken, schon hat man sich ein “Sushi + Maki All you can eat für 2 Personen“ gekrallt.
Nach der Euphorie der ersten Schnäppchenkäufe werden viele Kunden zurückhaltender. Manche Geschäfte sind zu Recht leer. Nicht immer ist das Essen so ansprechend wie auf den Bildern im Netz. Der Hype um die Coupondienste flaut langsam ab. Auch an der Börse. 2010 wollte Google Groupon um sechs Milliarden US-Dollar kaufen – und blitzte ab. Angeblich weil das Portal mehr wert sei. 2011 ging die Firma an die Börse und holte sich 700 Millionen Dollar. Doch trotz riesiger Umsätze schreibt Groupon jetzt Verluste. Das System krankt: Die Expansion ist teuer, Nachahmer gibt es unzählige. So schwierig ist es auch nicht, eine Webseite zu programmieren und Gutscheine zu verhökern.
Google managt das Konsumverhalten der Generation iPhoneKonkurrent Dailydeal gehört mittlerweile Google. Der Internetriese buttert kräftig Geld in seine Tochterfirma. Derzeit geht es um die Frage, welche Firma auf dem übersättigten Markt überleben wird. Für Google macht diese Investition Sinn: Es ist ein weiterer Dienst, mit dem sich das Unternehmen als allumfassende Internetmarke positionieren kann. Man stelle sich eine Zukunft vor, in der man auf sein Handy schaut, das von Google programmiert wurde, einen Stadtplan aufruft, der von Google stammt, und dann einen günstigen Essensdeal sucht, den Google vorschlägt. All diese Dienste gibt es bereits: Sie heißen Android, Google Maps und Dailydeal. Dass Google Ende 2011 auch noch Zagat gekauft hat, den größten und wichtigsten Restaurantguide der USA, der gerade stark nach Europa expandiert, macht die Sache nur kompletter: Google managt das Konsumverhalten der Generation iPhone.
Vielleicht gibt es aber doch fairere Lösungen, sowohl für die kleinen Geschäftsleute als auch für preisbewusste Konsumenten. In New York bietet der Onlinedienst Savored vergünstigte Speisen und Getränke in der Luxusgastronomie an. In Restaurants gibt es meist Tage oder Tageszeiten, die schlechter besucht sind. Für diese Zeiten bietet Savored eine 30-Prozent-Ermäßigung an. Die Kunden müssen zehn US-Dollar für die Reservierung via Onlineportal zahlen und zur gebuchten Stunde erscheinen. Was die Gäste im Lokal ausgeben, bleibt zur Gänze beim Wirt. So sparen sich die Besucher Geld, und die Restaurants kriegen ihre Tische voll.
Auch in Wien gibt es spannende Konzepte. Etwa die sogenannte Restaurantwoche des internationalen Onlinerestaurantführers dining-city.com, die zweimal im Jahr stattfindet. 52 Restaurants nahmen zuletzt teil. Vorgeschrieben wird nur, dass es abends ein dreigängiges Überraschungsmenü um 25 Euro und mittags einen Zweigänger um 12,50 Euro geben muss. Je nach Küchenniveau – diningcity.com orientiert sich in Österreich nach den Wertungen von Gault Millau – kann ein Zuschlag verlangt werden, zehn Euro für zwei Hauben, 20 für drei. Wie viele Plätze an welchen Tagen, ob nur an schwach gebuchten Tagen, ob nur an einem speziellen Tag, entscheidet das Restaurant. Bezahlt wird im Restaurant, diningcity.com bekommt weder Prozente noch Provisionen. Die Leistung “Restaurantwoche“ ist Bestandteil einer Pauschale von 695 Euro, die Restaurants für ihre Online-Präsentation auf diningcity.com bezahlen.
Ein ähnliches Modell startet diese Woche und läuft bis 25. März, die zum vierten Mal stattfindenden “Nespresso Gourmet-Weeks“. Auch hier richtet sich der Preis des zweigängigen Mittags- oder dreigängigen Menüs am Abend nach den Gault-Millau-Hauben (24 Euro für eine Haube, zehn Euro für jede zusätzliche), und zum Schluss gibt’s einen Kapselkaffee geschenkt.
Vielleicht kann das Web also doch Möglichkeiten bieten, kompromissbereite Kunden und findige Geschäftsleute zusammenzubringen, und Win-win-Situationen schaffen. Zumindest, wenn so etwas wie Verteilungsgerechtigkeit gegeben ist.
Dieser Bericht stammt aus dem Falter 10/2012 und wurde von Florian Holzer und mir gemeinsam verfasst. Die Fotos stammen von Christian Wind und zeigen Barbara Rappauer, Udo Kaubek und Günter Szigeti
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Danke für den tollen Artikel!
Hab nur eine kleine Anmerkungen zu Punkt 2:
"Man hätte das laut Fussi eher als Frage einbringen können, zum Beispiel. ob es fair sei, dass nur große Söhne in der Bundeshymne vorkommen. "
Diese Diskussion hatten wir afaik bereits. Sie mündete in der Änderung des Textes der Hymne, wirksam ab 1.1.2012.
Das stimmt. Ich bin auch nicht sicher, ob es politisch sinnvoll ist, die ganze Debatte nochmal zu eröffnen, wenn die Regierung diese Debatte dann gar nicht führen will. Aber was Fussi wohl meinte ist, dass die Tonalität des Postings ungünstig war. Hier erklärt er, was er genau meint: http://www.rudifussi.at/2014/06/27/analyse-heinisch-hosek-im-scheissgewitter/
Shitstorms werden in logischer Folge befördert wenn nicht ausgelöst dadurch, dass es auf facebook keinen Dislike-Button gibt. Wenn einem etwas nicht passt, muss man was schreiben. Und diese Mühe machen sich eher jene, die extrem dagegen sind - mit entsprechender Wortwahl. Jene, die dafür sind, klicken auf Like, und das war's.
Andere fühlen sich durch die schiere Sichtbarkeit dieser shitstormesken Kommentare bestärkt und lassen ihren Frust (der gern auch aus der allgemeinen Lebenssituation erwächst) ebenfalls los. Das schaukelt sich dann weiter hoch (bzw. "hinunter"). Der Teufel sch...t halt immer auf den größten Haufen.
Zudem haben wir im vorliegenden Fall nicht nur das Thema Gleichberechtigung sondern auch das prinzipielle Match Politiker vs. (populärer) Heimatmusiker. Heinisch-Hosek hätte wahrscheinlich irgendwas gegen Gabalier posten können. Hätte sie auch angeeckt und Widerspruch hervorgerufen.
Wäre auch interessant, wie die Struktur der Negativ-Poster aussieht. Wieviele Männer, Einkommenslevel, Geschiedene, Alter etc. Und ob diese Struktur repräsentativ für Österreich ist (oder auch jenen, die bei einer Volksabstimmung für die alte Hymne stimmen würden). 14.000 oder mittlerweile mehr sind für eine eingehendere statistisch Betrachtung schon nicht wenig.
Andererseits: 6 Millionen der Internetbevölkerung haben nicht geshitstormt (nur davon gelesen in der großen medialen Berichterstattung).
Interessant, dass Sie auf den Dislike-Button zu sprechen kommen. Ich habe ja zum "Gefällt mir nicht"-Knopf, den sich viele wünschen, eine andere Meinung: Facebook lässt den bewusst weg, weil er den Trollen nützen würden, die nur Zwietracht säen wollen. Die würden es dann als Auszeichnung sehen, möglichst viele Dislikes zu ernten und selbst permanent Dislikes zu verteilen. Aber wie Sie richtig sagen, eines vergisst man oft bei solchen Debatten: Die schweigende Mehrheit hat online nicht geschimpft und sich nicht am Shitstorm beteiligt. Nur das ist leider dann oft (auch für die Betroffenen) dann nicht sichtbar.
thx, ich freue mich über Ihre Replik. Ja, das kann prinzipiell in beide Richtungen gehen. Auf einer ganz grundsätzlichen Ebene könnte man mit der Frage spielen, ob "der Mensch" (heutzutage, in Social Media) eher tätig wird, wenn - all other things being equal - er zur Startaussage pro eingestellt ist oder contra (pathetischer ausgedrückt sie aufbauen oder zerstören, verteidigen oder angreifen will). Sicher hängt es auch davon ab, wie die Startaussage gepolt ist - um bei dem manichäischen Weltbild zu bleiben ;) ...ich weiß... sehr sehr pauschal und abstrakt... ;)
Das genaue, konkrete Gegenexperiment und damit den Vergleich, wie es ausgesehen hätte, wenn Gabalier Heinisch-Hosek in derselben Tonart und Stärke und zuerst angegriffen hätte, ist leider nicht möglich. Hätte es dann die bösen Kommentare eher zugunsten der neuen Hymne gegeben bzw. gegen den Aggressor Gabalier?
Mit einem Dislike-Button gäbe es Waffengleichheit zwischen den beiden Typen. Dann hätten auch die negativ Eingestellten die Convenience-Option des Button Drückens (und manche von ihnen würden sich den bösartigen Kommentar vielleicht sparen).
Ich meine, man sollte auch noch deutlicher zwischen dem klassischen Troll und Shitstorm-Teilnehmern unterscheiden, wenn man über Manieren im Internet spricht. Klassische Trolle sind lieber unbekannt - in meiner von Freunden und Gutgesinnten bevölkerten Timeline gibt es kein Trollen (bzw. zeigt mir facebook keins). Shitstorm-kompatible Bemerkungen seh' ich von bekannten Personen schon.
Danke für diesen Beitrag! Da ich mir vorgenommen habe, eine Recherche zum Thema Sexismus und Internet zu machen, würde mich interessieren, woher die Information kommt, dass es nur eine kleine, aber umso lautere Minderheit ist, die antifeministische Postings schreibt. Wie findet man so etwas überhaupt heraus und wie kann man so etwas quantifizieren? Gibt es dazu Umfragen? Und nebenbei bemerkt denke ich nicht, dass wir ein Problem mit der Wut an sich haben, sondern mit einer ganz bestimmten Wut. Und zwar ein Zorn, der sich als hasserfülltes Ressentiment und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Luft verschafft. Man kann angesichts der Verhältnisse in unserer gegenwärtigen Gesellschaft schnell einmal wütend werden, aber das heisst nicht zwangsläufig, dass man seine Mitmenschen virtuell anpöbeln und anspucken muss, wie das die Wutbürger mit ihren Shitstorms tun. Ist aber nur ein kleines Detail, ansonsten finde ich den Artikel recht gut.
Es gibt eine großartige Studie zum Thema Antifeminismus, die die Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gab: http://www.boell.de/de/content/die-antifeministische-maennerrechtsbewegung Sie behandelt zwar in erster Linie den deutschsprachigen Raum, einiges davon lässt sich aber auch hierzulande beobachten. Für Deutschland wird geschätzt, dass dort die Zahl der Antifeministen niedriger als 1000 ist.
Vielen dank für die Info und den Lesestoff!
Man ist geneigt zu sagen, das Internet verdirbt den Charakter, Aber das stimmt nicht.
In den sozialen Medien wird so "geredet, wie man seit jeher im Wirtshaus redet. Das haben aber bestenfalls ein paar Hanseln vernommen und es war wurscht, was einige Deppen von sich gegeben haben.
Durch die sozialen Medien erfährt man viel über die Seele eines Volkes. Was früher nur vermutet werden konnte, kommt nun tatsächlich zum Vorschein.
Ich glaube auch nicht, dass das Internet den Charakter verdirbt - das wäre eine zu einfache Erklärung. Viel mehr würde ich vermuten, dass wir alle schönere und wenigere schöne Seiten haben, jedoch leider im Netz vielfach letztere sichtbar werden. Und umso mehr glaube ich, dass wir online Tools und Umgangsformen finden müssen, damit wir uns als Gesellschaft nicht ständig so anstänkern. Ein öffentliches Forum ist eben kein Wirtshaus und diejenige, über die hergefahren wird, kriegen diese Beleidigungen durchaus mit und nehmen sie (auch wenn das manche nicht zugeben würden) sehr wohl zu Herzen.
Ich finde den Artikel sehr interessant und gut, sehe jedoch einige Dinge etwas anders.
1) Sprache: Der Sprachgebrauch ist heute leider sehr gewalttätig und vulgär. Daher ist es kein Wunder, wenn die Leute auch im Internet entsprechend schlimme Dinge schreiben. Es scheint unter vor allem jüngeren Generation üblich zu sein sich gegenseitig zu beschimpfen obwohl es keiner wirklich ernst meint. Wenn ich in meiner Hauptschulzeit von einem Mitschüler während einem streit gehört hätte: "Ich bring dich um, du miese Sau" hätte ich ernsthaft um mein Leben gefürchtet. Soweit ich es mit bekomme ist dies heute eher eine mächtig Drohgebärde, welche aber aufgrund der Häufigkeit mit der sie eingesetzt wird nicht mehr so ernsthaft wirkt. Dies ist wahrscheinlich ein extremes Beispiel und solche Aussagen sollten niemals auf die leichte Schulter genommen werden, aber ich hoffe dass mein Anliegen damit klar ausgedrückt wurde.
2) Überkorrektheit: Durch die "Political Correctness" sind viele Leute über sensibilisiert und sehen hinter jeder noch so harmlos gemeinten Aussage gleich das Schlimmste. Bei einem Gespräch von Person zu Person kann man anhand der Tonlage, Gestik und Mimik besser einschätzen wie etwas gemeint ist. Im Internet geht dies nicht und ich denke, dass viele eigentlich harmlosere Aussagen oder Meinungen gern negativer interpretiert werden als sie sind. Wenn man zum Beispiel schreibt, dass die Frau Minister eine eingefleischte Femme ist und sich lieber um wichtigeres Kümmern soll wird man sofort als Frauenfeindlich und "schlecht" angesehen. Es kann aber auch einfach gemeint worden sein dass die Frau Minister stark für Frauenrechte einsteht aber meine persönliche Meinung ist, dass sie sich mehr um die anderen und wichtigeren Dinge in ihrem Aufgabengebiet als Ministerien widmen soll (z.B. Unterrichtsreform und Familienbeihilfe). Der Mensch fühlt sich leicht angegriffen und der, meines Erachtens, "Wahn" der politischen Korrektheit hat dieses Gefühl verstärkt
3) Shitstorm: Ich habe die Kommentare auf Facebook zu diesem Thema gestern Vormittag gelesen. Ich möchte nicht leugnen, dass leider einige Kommentare nichts als Beschimpfung waren, jedoch konnte ich von einem Shitstorm nichts erkennen. Die meisten Kommentare waren einfach Meinungsäußerungen, dass man die alte Hymne wieder haben will. Man macht es sich leider viel zu einfach. Sobald ein Haufen Leute per Internet mit einer gegenteiligen Meinung reagiert ist es gleich ein Shitstorm. Das äußern einer anderen Meinung als der gewünschten hat nichts mit Shitstorm zu tun.
4)Toleranz: Solange man sachlich bleibt und den anderen nicht beschimpft muss eine jede, nicht vom Gesetz verbotene, Meinung toleriert werden. Meist sind es jedoch die Leute Zurückhaltung und Toleranz verlangen, welche sich am lautesten aufregen. Auch in diesem Artikel wurde mit wenig Toleranz auf nicht genehme Aussagen reagiert. So sind laut Artikel alle Leute, welch der Meinung sind, dass die Aktionen von Feministinen bereits zu weit gehen Antifemen und Frauenfeinde, die nur lautstark schreien und Unruhe stiften können. (Da sieht man wie leicht das geschriebene Wort negativ interpretiert werden kann) Ich selbst bin jedoch auch der Meinung, dass man teilweise bereits zu Weit gegangen ist. Ich bin deswegen jedoch noch lange kein Frauenfein und bedroht oder beschimpft habe ich wegen diesem Thema auch noch keinen Menschen.
Abschließend möchte ich einfach sicherheitshalber festhalten, dass ich nicht das Verhalten von den "Schwarzen Schafen", welche Drohen, Schimpfen und Demütigen rechtfertigen will. Mein Ziel ist es auf zu zeigen, dass wenn einmal die Emotionen hoch wogen, sehr vieles nur negativ gesehen wird und vieles schlimmer erscheint und dargestellt wird als es in Wahrheit ist.
Das Problem liegt nicht an der Anonymität. Das Problem liegt auch nicht an der Wut. Menschen dürfen wütend sein und sollen dies auch, auf gesittete Weise, zum Ausdruck bringen dürfen. Das Problem ist, dass wir den Leuten nicht mehr bei bringen, dass man nicht immer recht haben muss und dass es nicht immer nur richtig oder falsch gibt. Solange die Gesellschaft nur die Extreme Richtig und Falsch kennt und alles was nicht "Richtig" ist automatisch als falsch ansieht, solange werden wir nicht sinnhaft diskutieren und reden können. Solange wird am Ende jeder zu Schreien und schimpfen zurück greifen weil keiner nachgeben kann. Denn wer nachgibt ist aus der heutigen Sicht der Gesellschaft, so habe ich dien Eindruck, Schwach, Unfähig und Wertlos.
Wie Sie richtig sagen, sind wir uns vielleicht in einigen Details nicht ganz einig, ich glaube aber auch, dass wir online eine Kultur des "Let's agree to disagree" lernen müssen, bei der man anderer Meinung ist, diese Meinung aber so ausdrückt, dass sie den anderen nicht verletzt oder einschüchtert. Was den Hinweis auf Mimik und Gestik betrifft, haben Sie absolut Recht. Über die Bedeutung der nonverbalen Signale - und wie schwierig es ist, wenn diese nicht sichtbar sind - habe ich ausführlich in meinem Buch geschrieben: https://www.brodnig.org/buch-der-unsichtbare-mensch/ Danke für Ihren Beitrag!
Heinisch-Hosek macht zwar viel falsch, aber das hat sie goldrichtig gemacht. Und nein, sie braucht keine besseren Social Media Berater, die ihr in Weicheier-Manier politisch verträgliche, empathische Meinungslosigkeit verordnen. Es passt schon, dass eine Ministerin auch mal jenseits aller Wahlspekulationen eine echte Meinung vertritt und keine zusammengestoppelten, konturlosen Wischiwaschi-Plattitüden liefert (dann sagt sie besser gar nichts).
Und wie der Shitstorm zeigt, ist Schulmeisterlichkeit bei diesem Thema beinahe unvermeidbar (nicht nur gegenüber Herrn Gabalier) wenn man sich im Lager der völlig entarteten, geschmacklosen Gleichbehandlungsgegner nicht wohl fühlt.
Was hier zu Tage tritt, ist der wahre kulturelle Boden Österreichs, eine seit Jahrhunderten gepflegte Kultur des Neides, der gegenseitigen Verachtung und des Mießmachens - der Charakter der österreichischen Volksseele. Auf diesem Boden gedeihten von Metternich über Hitler bis hin zur heutigen FPÖ diverse Ideologien der Menschenverachtung und es ist kein Zufall, dass gerade in Österreich mit Life-Ball, Frau Wurst u.a. eine vor allem international einzigartige Gegenbewegung entstanden ist - provoziert durch massive Unterdrückung eines allgemeinen Gleichbehandlungsprinzips.
Ich bin der Frau Ministerin dankbar, denn es hat zu Tage gefördert, wie dieses Volk wirklich tickt. Es kommt zwar nicht überraschend, denn wer die Online-Leserkommentare in diversen Zeitungen hin und wieder überfliegt, findet in diesem Shitstorm leider nichts Außergewöhnliches.
Ich behaupte nicht, wir wären alle (latent) so. Vielmehr müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Österreich keine Kulturnation ist - es sind 2 Kulturnationen, von denen die eine ideologisch in der Vergangenheit lebt und die andere feiert sich als liberal, hat aber nicht den politischen Willen diese Gesinnung mehrheitsfähig zu machen, sondern schielt auf Wählerstimmen und versucht nicht anzuecken.
Es gibt hier sogar noch mindestens eine dritte Kulturnation: zu ihr gehören jene, die mehr im im bescheidenen Alltag und im Untergrund und jenseits der medialen Aufmerksamkeit an einer besseren Welt und für eine bessere Welt arbeiten. Das sind aber gleichzeitig auch jene, die dann von den anderen beiden Kulturnationen als "Gutmenschen", "linkslinke Chaoten" oder "Ökoemanzen" angegriffen werden.
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Danke, kannte ich schon.
Ich halte den "Heimat-Aspekt" aber für unbedeutend. Ob da Töchter stehen, kratzt aus Sicht des Heimat-Empfindens vermutlich niemanden.
Es ist auch lustig, wie sehr man hier augenscheinlich fassungslos nach Erklärungen und Motive sucht, wo es im Grunde doch sehr banal ist (was viele Journalisten berufsbedingt wohl nicht so auf sich beruhen lassen wollen).
MMn. kommt an erster Stelle, dass HH vor allem in der Vergangenheit keine wirklich elegante Performance hingelegt hat und bei vielen mit ihrer Art (die überhaupt nicht professionell wirkt) sauer aufgestoßen ist - ganz besonders bei jenen, die generell politische Aggression gegen vermeintlich linke PolitikerInnen entwickelt haben.
Bildungspolitik und Frauenpolitik sind allerdings keine Themen, an denen sich die dumpfe Wut entladen könnte, weil man dazu ja auch ein wenig Fachwissen bräuchte, aber bei der Hymne fühlt sich auch der Dümmste kompetent genug, seinen Schleim los zu werden.
Liebe Frau Brodnig,
ich würde mich über ein Gespräch freuen, inhaltlich ob und inwieweit Sie sich eine Teilnahme (Kurzreferat) an einem Workshop des 16. Österreichischen Journalistinnenkongresses vorstellen könnten!
Oder auch Ihr Buch präsentieren!
Wir arbeiten hier thematisch mit Daniela Kraus und Meral Akin-Hecke zusammen!
Ich freue mich auf Ihre Antwort,
herzlichst
Monika Posch
Liebe Frau Posch,
habe Ihnen gerade ein E-Mail geschrieben. Freue mich über die Anfrage und bin gerne für ein Gespräch erreichbar!
Besten Gruß,
Ingrid Brodnig
Michel Reimon hat sich einmal in einem Blogpost in die Richtung geäußert, daß alle Menschen, die in Politik gehen, sich der ungenierten Öffentlichkeit und ungefilterten Meinungsäußerung bewußt sein müssen und es in der Regel auch sind. Wenn wir zudem berücksichtigen, wie die Parlamentarier und Politiker untereinander Umgehen (der Deutsche Roger WIllemsen hat ein analytisches Protokoll des Berliner Bundestags kürzlich vorgelegt), dann sehe ich die Gefahr, daß Frau Heinisch-Hosek künftig schweigsamer ist, eher nicht gegeben.
Ich könnte jetzt zynisch sagen, daß in Europa es schon zu lange keinen ordentlichen Schießkrieg mehr gegeben hat, in dem die Menschen ihr Mütchen hätten kühlen und ihre überschüssige negative Energie hätten ableiten können, Leider zeigt die Erfahrung, daß Aggression ein nichtversiegender Quell menschlichen Handelns ist.
Bedenklich finde ich vor allem aber, daß diese Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen im digitalen Raum dazu führt, daß mehr über die Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen im digitalen Raum debattiert wird, als über die Sache selbst oder wenigstens die Ursache dieser regelmäßig wiederkehrenden Ausbrüche.
Umberto Eco hat einmal, ich glaube: im "Foucault'schen Pendel", dazu geraten, nie mit Idioten zu diskutierten, denn es bestehe die Gefahr, "die Leute könnten den Unterschied nicht feststellen". Und ich halte weder die Haltung des Barden gegenüber der neuen Bundeshyme für sonderlich professionell, noch die Reaktion der Grünen Frauen oder eben der Bildungsministerin. Da treffen lauter Trotzköpfchen aufeinander.
Das Problem jeder österreichischen Bundesregierung war und ist, daß sie abgesehen vom vier- und fünmfjährigen Urnengang sich eher wenig für die Meinungen und Haltungen derer interessieren, die sie eigentlich repräsentieren. Die Gleichstellungspolitik in ihrer Gesamtheit empfinden - zu Recht oder Unrecht - viele Menschen als "von oben nach unten" diktiert. Es fehlt an Rückversicherung und Einbindung der Bevölkerung, was es dann schreienden Postern und schreienden Popoulisten leicht macht, sich als "Volkes Stimme" zu geben.
Ich vermute, gemeint ist dieser Beitrag von Michel Reimon: http://www.reimon.net/2014/01/25/die-krankung/ Den fand ich auch sehr spannend, wobei ich ihn etwas anders interpretierte: Nämlich dass man als Politiker natürlich eine dicke Haut braucht, aber dass es einen schon nachdenklich stimmen kann, wie dick diese Haut mitunter sein muss.
Ja, stimmt, auch die - doppelte - Interpretation. Reimons Beitrag verstehe ich auch als Warnung und damit auch als Diskurskritik.
Wir brauchen natürlich auch eine Debatte über die Debattenunkultur, wie Roger Willemsen in seinem Buch aber zeigt (oder zu zeigen sich anschickt), ist diese auch Produkt fehlender demokratischer und partizipativer Diskurse, die tatsächlich etwas bewirken; Wenn eine Gesetzesvorlage ins Parlament kommt, ist schon so gut wie alles ausgehandelt und entschieden, eine echte Aussprache, die etwas verändern könnte, findet nicht statt.
Ohne jetzt die "Strukturkarte" ziehen zu wollen, sind diese Angriffe ad personam und Schreiattacken in Großbuchstaben auch von der erstarrten repräsentativen Demokratie mitverurdacht.
Ich finde den Artikel sehr gut.
Ein eventueller Antifeminismus wurde aber provoziert.
Auch ich hoffe, dass BM Heinisch-Hosek weiterhin die ihr wichtigen Themen vermittelt.
(Frei nach dem Motto: "Wenn ich sonst keine Sorgen habe ...)
Entlarvung ist manchmal wichtig.
Vielen Dank! Zur Entlarvung fällt mir jedoch ein - ganz anderes - englisches Sprichwort ein: Ignorance is bliss. Manchmal geht's einem vielleicht sogar besser, wenn manche Dinge ohne Kenntnisnahme an einem vorüberziehen.
Yep, auch hier ist ein Beitrag zu finden.Ein kleiner privater neuer Blog
pipabloggt.wordpress.com
Im Übrigen: Grenzgenial, Dein Beitrag !