Was Unrecht ist, das bestimmen nur wir!
Wie funktioniert ziviler Ungehorsam in digitalen Zeiten? Die Hacker von Anonymous sind ein schlechtes Beispiel
Das Problem mit solchen selbstgerechten Weltverbesserern ist: Irgendwann übertreiben sie es. Irgendwann fühlen sie sich so sehr im Recht, dass sie gar nicht merken, wie sie jemand anderem Unrecht zufügen.
Genau das ist Anonymous passiert. Die Hacker haben vergangene Woche die Daten von 25.000 Polizisten ins Netz gestellt, inklusive Wohnadresse, Name und Geburtsdatum. Anscheinend ist die Privatsphäre von Polizisten nicht schützenswert.
Damit ging Anonymous zu weit und schadete sich selbst. Aus herzigen Internethanseln wurden unbarmherzige Hacker. In den Zeitungskommentaren und Blogeinträgen konnte man mitverfolgen, wie sich die öffentliche Meinung wandelte. Die Presse schrieb von einer “selbstherrlichen Aktion“. Der Blogger Helge Fahrnberger forderte auf Twitter: “Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“. Das ist übrigens Teil der Hackerethik, formuliert vom deutschen Chaos Computer Club.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Anonymous ein solcher Fehltritt passieren würde. Das Rechtsverständnis der Hacker beschränkt sich auf brachiale Selbstjustiz, die auf dem simplen Grundsatz aufbaut: Auge um Auge.
Anonymous ist keine Organisation im herkömmlichen Sinne, sondern ein loses Kollektiv, das sich in Internetchats trifft und seine “Operationen“ plant. Anonymous Austria ist zum Beispiel die lokale Splittergruppe, die unabhängig von anderen Ländergruppen agiert. Es gibt keine Grundsatzerklärung, kein Handbuch für Mitglieder, ja nicht einmal Mitglieder im klassischen Sinn.
Ziemlich willkürlich und dem Zufall überlassen wirkt diese neuartige Organisationsform. Und doch zeigt sich ein roter Faden bei den Attacken der Hacker, egal ob sie gerade in den USA oder in Österreich operieren.
In ihren Aktionen geht es fast ausschließlich um Vergeltung, selbst ihr Slogan lautet: “We are Anonymous. We are Legion. We do not forgive. We do not forget. Expect us.“ Wir sind eine Unzahl. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwartet uns.
International wurde Anonymous bekannt, als sie Visa und Mastercard attackierten. Die Kreditkartenfirmen hatten die Konten von Wikileaks eingefroren, auf Druck der USA sollte die Enthüllungsplattform finanziell in die Knie gezwungen werden. Anonymous reagierte mit sogenannten “DDoS-Attacken“. Tausende Anonymous-Sympathisanten stürmten zeitgleich die Websites von Visa und Mastercard und legten deren Server lahm. So sieht die Rache von Anonymous aus: Ihr seid fies zu Wikileaks, wir sind gemein zu euch. Ihr führt die Vorratsdatenspeicherung für alle Bürger ein, wir stellen die Daten der Polizisten ins Netz.
Mit ihren Aktionen machen sich die Hacker darüber lustig, führen vor, wie schlecht die Parteien gegen Attacken gerüstet sind und wie fahrlässig die Behörden mit unseren sensibelsten Daten umgehen. Erst vergangene Woche zeigte Anonymous, dass im Netz die Daten von 600.000 Versicherten der Tiroler Gebietskrankenkassa herumliegen. Wer auf Google danach suchte, konnte die Wohnadressen von Tobias Moretti und anderen Tirolern finden.
Man könnte sagen, Anonymous sind digitale Wutbürger. Aber reicht Wut allein aus, um sich über das Gesetz zu stellen? Das ist natürlich eine uralte Debatte, von Sokrates, der lieber den giftigen Schierlingsbecher trank, als sich einem korrupten Staat anzupassen, bis hin zu Rosa Parks, die nicht aufstand, als ein Weißer ihren Sitzplatz im Bus wollte. Solche Grundsatzfragen müssen allerdings auch im Internet neu verhandelt werden. Wie kann ziviler Ungehorsam in einer digitalen Welt aussehen? Anonymous ist jedenfalls kein gutes Beispiel.
Die Hacker stellen sich über das Gesetz und vermeiden danach eine strafrechtliche Verfolgung, weil sie ja anonym sind.
Anders war das damals bei Rosa Parks: Die trug 1955 keine Maske oder gab keine falsche Identität an, als sie im Bus sitzen blieb und gegen die Rassentrennung in den USA rebellierte. Sie nahm in Kauf, dass sie verhaftet und ein Gericht über sie urteilen würde. So geschah das dann auch. Parks erhielt eine Strafe von zehn Dollar. Eine gerichtlich angeordnete Ungerechtigkeit, die dann zu Massendemonstrationen führte.
Die Hacker hingegen legen vor niemandem Rechenschaft ab, vor keinem Staat, vor keiner Gesellschaft. Doch gerade eine Bewegung, die so selbstherrlich auftritt, die sogar als Stimme der Internetbevölkerung spricht, müsste dies tun.
Anonymous aber stellt sich nicht der Öffentlichkeit, es stellt sich über sie. So passiert den Hackern etwas Ähnliches, was sie auch der Politik vorwerfen: Sie agieren plötzlich “losgelöst“ vom Rest der Gesellschaft.
Dieser Kommentar ist im Falter 40/11 erschienen. Bilder: Flickr-User OperationPaperStorm / Flickr-User elias_daniel
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Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?
Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.
Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.
Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.
Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.
Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.
Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?
Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.
Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.
Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.
Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)
Möchte gerne auf meinen Artikel in der Zeitschrift "Die Zukunft", Juli 2010, verweisen:
"Open Government - let the sunshine in"
http://diezukunft.at/?p=1463
sowie auf meine Linksammlung auf: http://bit.ly/aEwPsW
Mit besten Grüßen
Rudolf Legat
http://www.ref.gv.at/uploads/media/Oesterreichs_Weg_zum_Europaeischen_Shared_Environmental_Information_System.pdf
Darum habe ich Sky – Abo!
Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)
Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
Schade.
Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.
Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
LG Paolo