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Die Zukunft ist greifbar

Bald werden wir unsere Computer wie von Geisterhand steuern. Ein Gerät namens Kinect macht es bereits vor

Das Wohnzimmer der Zukunft: Hier gibt es keine Lichtschalter und keine Fernbedienungen. Wenn man den Raum betritt, wird es automatisch hell. Eine Handbewegung genügt, um die Lichtstärke anzupassen, eine weitere Geste schaltet die Stereoanlage ein. Mit Körpereinsatz und mit Sprachbefehlen lassen sich alle Geräte steuern: Fernseher an, Video los, Lautstärke leiser. Sollte einem fad werden, kann man eine Partie virtuelles Tennis spielen – ohne Kabel und ohne Joystick. Denn es ist eine unsichtbare Technologie, die jede unserer Bewegungen überwacht und darauf reagiert.

Einst schrieb der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke: “Jede ausreichend fortgeschrittene Technologie lässt sich von Magie nicht mehr unterscheiden.” Derzeit findet in der Tat ein technologischer Umbruch statt, der an Magie und an Science-Fiction erinnert. Die Eingabegeräte verschwinden oder werden zur Verlängerung unseres Körpers. Computermaus und Tastatur werden zunehmend ersetzt. Dieser Trend ist spätestens seit dem iPhone offensichtlich. Mit dem simplen Touchdisplay hat Apple bewiesen, dass es praktischere Eingabegeräte gibt als dauerndes Knopferldrücken. Am Videospielmarkt wiederum setzt sich die Bewegungssteuerung durch. Vor vier Jahren brachte Nintendo die Spielkonsole Wii heraus und hat davon bereits mehr als 75 Millionen Stück verkauft. Das Gerät ist mit Sensor und Fernbedienung ausgestattet und misst die Handbewegungen der Spieler. Diese spielen dann vor dem TV-Apparat eine Runde Bowling oder Schwertkampf.

Rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft hat Microsoft ein weiteres revolutionäres Gerät auf den Markt gebracht. Es heißt Kinect, ist gerade einmal 30 Zentimeter breit und mit zwei Kameras ausgestattet. Man schließt es an die Spielkonsole Xbox 360 an und wird ab sofort beobachtet. Der Spieler kann mit Gestik, Mimik oder Sprachbefehlen die Konsole steuern. Sehr beliebt ist etwa das Videospiel “Dance Central”. Dabei lernt man Choreografie und bewegt sich zu Popsongs wie Lady Gagas “Poker Face”. Kinect erkennt, ob man die Tanzschritte richtig macht.

Was Kinderkram zu sein scheint, ist in Wahrheit die Zukunft der Computer. Mit dem Gerät werden künftig auch Windows-Rechner steuerbar sein. Schon jetzt gibt es Treiber, um die Kinect an den PC anzuschließen. 2012 soll das neue Betriebssystem Windows 8 erscheinen, Windows wird dann auch über Gestik steuerbar sein. Zum Login hält man das Gesicht in den Fernseher, wenn man aufsteht und den Raum verlässt, wechselt das Gerät in den Schlafmodus.

Viele wird das an Science-Fiction erinnern – vor allem an den bahnbrechenden Film “Minority Report”. 2002 spielte Tom Cruise darin einen Polizisten, der sich im Büro Handschuhe anzog und mit ein paar Handbewegungen ein Video vor- und zurückspulte, die Aufnahme vergrößerte und drehte.

Diese Technik gibt es wirklich. Sie wurde eigens für den Film entwickelt, ist nun am Markt erhältlich. John Underkoffler, einst Forscher am angesehenen Massachusetts Institute of Technology (MIT), entwarf diese Eingabesteuerung namens “G-Speak”. G steht für Geste, für Grafik, aber auch Geometrie. Underkoffler führte die Erfindung bei den TED-Talks vor, einer renommierten Technikkonferenz. Das Publikum staunte, als er Handschuhe wie Tom Cruise trug und mit seinen Fingern live Fotos sortierte, näher heranzoomte oder Information von einem Computer zum anderen schob – per Armschwenk.

Underkoffler ist ein Vordenker. Er will, dass wir die Computer einfacher bedienen können. Doch dafür müssen die Geräte erst ein Verständnis von Dreidimensionalität entwickeln. “Computer haben grauenhaft wenig Ahnung von Räumlichkeit. Sie verstehen weltliche Räume nicht”, sagte er heuer beim TED-Talk.

Geräte wie Underkofflers G-Speak und Microsofts Kinect lernen, 3D und damit auch ihre Umgebung zu verstehen. Die Kinect ist eine kleine Sensorenphalanx. Eine Farbkamera, eine Infrarotkamera und vier Mikrofone messen den Raum aus. Das Infrarotlicht ist für das menschliche Auge unsichtbar, das Gerät kann damit aber die Entfernung zu Objekten messen. Die Hardware erfasst die Umgebung, die Software interpretiert diese. Für Kinect ist ein Mensch ein Skelettmännchen, das aus 20 Punkten besteht. Es kann nachvollziehen, wenn jemand den Arm ausstreckt oder mit dem Kopf nickt. Die Software erkennt sogar unterschiedliche Gesichter und kann zwischen verschiedenen Spielern unterscheiden.

Vor ein paar Jahren hätten solche 3D-Kameras ein Zehnfaches des Preises gekostet. Die Kinect ist nun für zirka 150 Euro erhältlich, die New York Times berichtet, dass Microsoft für die Herstellung des ersten Prototyps einst noch 30.000 US-Dollar zahlte.

Das klingt nach totalem Hightech, in der Praxis zeigt die Kinect aber deutliche Schwächen: Sie misst Bewegungen nur mit Verzögerung, bei schlechten Lichtverhältnissen kann sie dunkelhäutige Gesichter nicht immer erkennen. Das Gerät ist nicht deswegen so revolutionär, weil es frei von Macken ist, sondern weil es eine neue Art von Technik ins Wohnzimmer bringt.

Wirklich spannend ist, was Hacker mit dem Gerät anstellen. Auf YouTube kursieren etliche Videos, wo Computergeeks neue Einsatzgebiete für die Kinect vorführen. Einer nutzt das Gerät als 3D-Kamera und projiziert eine holografische Aufnahme von sich selbst in den Computer. Am MIT wiederum haben Studierende Kinect umprogrammiert und steuern damit ihren Webbrowser. Sogar in Österreich nutzen Forscher den Sensor, die FH Salzburg will damit leichter menschliche Bewegungen aufzeichnen und dies für Animationen verwenden. Microsoft beobachtet die Hacker natürlich sehr genau. Womöglich entwickelt einer von ihnen die nächste “Killer-App”, also jene Applikation, die die Kinect unverzichtbar macht.

Hier entsteht eine Spielwiese für kreative Nerds. Noch müssen wir erst herausfinden, für welche Geräte und Tätigkeiten sich die Bewegungssteuerung eignet. Wollen wir ununterbrochen vor dem Bildschirm herumfuchteln? Oder werden die Tastatur und Maus schon noch eine Weile die Fortsetzung unserer Gliedmaßen sein? Auch sind diese Geräte unheimliche Überwachungstools. Schon jetzt wissen die Computer viel über uns, künftig sollen sie auch noch verstehen lernen, wann wir uns wo mit wem befinden und was wir dabei tun.

Von einem Paradigmenwechsel sprechen manche schon jetzt und vergleichen Kinect mit dem iPhone. Das iPhone verhalf dem Touchdisplay zum Durchbruch, nun könnte die Kinect die intuitive Steuerung via Sprache und Gesten massentauglich machen. Die Marktanalysten von Forrester Research beschwören sogar eine “Ära der Erlebnisse” herbei. “Das ist eine Ära, in der wir unser digitales Zuhause und alles darin revolutionieren. TV, Internet, Interaktivität, Apps, Kommunikation”, meint Marketingexperte James McQuivey.

Das aktuelle Weihnachtsgeschäft gibt den Marktforschern Recht. In den USA kam das Gerät am 4. November auf den Markt, binnen 25 Tagen setzte Microsoft 2,5 Millionen Stück davon ab. Damit verkauft sich Kinect doppelt so schnell wie das iPad.

Ausgerechnet auf dem häufig belächelten Videospielmarkt fasst diese zukunftsträchtige Technik nun Fuß. Das ist aber kein Zufall: Die Spielehersteller versuchen seit Jahren, ein breiteres Publikum anzusprechen, und haben festgestellt, dass sich die Konsumenten nach Bewegung vor dem Fernseher sehnen.

Man könnte sagen, wir verwachsen mit unseren Geräten – oder die Geräte verwachsen mit unserer Umgebung. Als Nächstes folgen die Fernseher. Der japanische Hersteller Panasonic hat seine eigene Idee davon, wie unser Zuhause künftig aussehen könnte. Dort ist der Fernseher kein kleiner Bildschirm mehr, er nimmt die gesamte Wand ein. Die sogenannte Life Wall erkennt, wer gerade vor ihr steht und reagiert auf Gesten. Mit Winken und Greifbewegungen steuert man das Gerät, schaltet zwischen Videos und virtuellem Bücherregal hin und her oder steuert Webseiten an. Das Wohnzimmer der Zukunft gibt es also schon.

Dieser Artikel ist im Falter (Ausgabe 51-52/10) erschienen. Fotos: Paramount Pictures / Microsoft

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  • zur erweiterten Gefahrenerforschung: Wie kommen denn Ermittler dazu dass eine Person potentiell Terrorist werden koennte? Naemlich ohne diese Person (noch frühzeitiger) zu ueberwachen.

    Vielleicht weil diese Person etwas mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die was mit einer Person zu tun hat die ein Terrorist ist. Das waer dann wohl so ziemlich jeder.

  • Die links-grünen Eliten planen die Vernichtung der eingesessenen europäischen Volker durch Masseneinwanderung von Nichteuropäern, insbesondere von Muslimen, weil sie diese brauchen, um die bürgerlich-christlich geprägten Gesellschaften radikal nach utopischen Vorstellungen umzukrempeln (Antonio Gramsci hat das alles schon vor 80, 90 Jahren durchdacht) und wundern sich dann, dass es Widerstand gegen die eigene Vernichtung gibt.

    Europa soll zu einem bunten Völkergemisch werden, in dem sich letztlich der Islam durchsetzen wird, während alle nicht-westlichen Gesellschaften weiterhin ihre eigenen nationalen Gesellschaften behalten und da wundert sich die Elfenbeinturmbewohner, dass die völlig durchgeknallte Selbstvernichtung nicht von allen begeistert aufgenommen wird...

    Die etablierten geistigen "Eliten" in Europa haben jede Orientierung und führen die westliche Welt in den Untergang....

    Was Breivik getan hat, ist moralisch nicht zu rechtfertigen, nachvollziehbar als Verzweiflungstat ist es meines Erachtens dennoch. In 10, 20 oder 30 Jahren, wenn der Bürgerkrieg um die Herrschaft in Europa tobt zwischen den muslimischen Einwanderern und den Eingesessenen, wird man das verhalten von Breivik in weiten Bevölkerungskreisen verstehen, da bin ich mir sicher!

  • dieses beispiel zeigt deutlich, wie weit weg von der realität die entwicklerInnen solcher kampagnen sind...

  • Das spricht mir aus der Seele! Komplett inhaltsleer, keine tiefergehenden Informationen oder Erklärungen für die Bürger, kein Dialog, .... das Ganze ist völlig sinnlos. Was insbesondere deswegen schade ist; da es eine gute Gelegenheit gewesen wäre an Politik desinteressierte Menschen, insbesondere Junge, zurückzugewinnen. Darum tut es mir mehr leid, als um die 200.000 Euro, denn es wird noch viel mehr bei uns verschwendet.

  • Kein Politiker, der nicht von sich aus in den neuen Medien präsent sein will, sollte sich da präsentieren. Man kann einfach nicht glaubwürdig rüberkommen.

  • Man muss ja nicht mal schummeln am FB-Profil. Man veröffentlicht einfach nur die richtig netten Sachen, Gelegenheiten, Fotos und Momente für alle Freunde. Man schränkt die persönlichen Postings auf den "inneren" Freundeskreis ein. Dann sieht der alte Bekannte halt nur einen Ausschnitt aus dem Leben. Aber genauso kann man auch seine Erzählungen & Darstellungen während eines Abends in großer Runde einschränken (solang keine Leute dabei sind, die Genaueres wissen und dies auch kundtun). Same same.
    Aber sicher spannend, das Treffen. Fix Oida!

  • #OPEN und #PIPA blieb leider unerwähnt.

    zu: ACTA und VDS sind Chiffren für ein unsauberes Demokratieverständnis. Da werden in geheimen Verhandlungen Dokumente erstellt, und wenn der fertige Entwurf an die Öffentlichkeit dringt, ist es für eine echte Debatte längst zu spät. Diese Geheimniskrämerei auf supranationaler Ebene ist ein guter Trick, um umstrittene Gesetze ohne große Diskussion auf Schiene zu bringen.

    Hinweis:
    Ross und Reiter werden von Ihnen hier laufend anonymisiert: Welche Personen meinen Sie genau, die "im geheimen Dokumente erstellen" Wessen "Geheimniskrämerei"?? Wie heißen, die Österreicher, die hier aktiv waren / sind? Wenn Sie diese "Geheimniskramerei" selbst eliminieren würden, wären Roß und Reiter konkret benannt. (Ein "Ministerium" kann ja nicht schreiben, verhandeln, etc. --- nur Personen.)

  • Ich finde, Sie nehmen (wie sehr viele Journalisten, inkl. Mr. Wolf vom ORF) die Sache immer noch zu leicht.

    Durch privat bzw. allgemein erhältliche Software fische ich (mit fast 98% Genauigkeit) aus facebook die ÖVP- oder SPÖ-Wähler heraus; womit das Wahlgeheimnis zu 98% futsch ist. (wird normalerweise "demokratieschädlich" genannt)

    Bei den $cientologen wurde deren Grundsatz "von jedem eine Akte anlegen" (im $c.Jargon: Ethik-Akte) von Leuten wie Ihnen heftig bekämpft, weil totalitär. Nun haben Sie das, was früher "totalitär" genannt wurde: eine Akte von jedem, die Privates und Intimes enthält.

    Danke U$-Konzerne und U$-Regierung, v.a. Bush-Regierung für die exorbitante
    - politische Spionage
    - Wirtschaftspionage
    - militärische Spionage

    Denn: heute ist Information viel, viel wichtiger als "Geld"; Information regiert die Welt.

    lg

  • In D hat ein Blogger nach seinem Urlaub festgestellt, dass etliche seiner Texte im web gefehlt haben. Das hat den gewaltig überrascht, sodass er gleich nachforschte.

    Der Provider hat ihm die Blog-Beiträge herausgelöscht!! Und zwar deswegen, weil ein Rechtsanwalt dem Provider eine einstweilige Verfügung eines kleinen BRD-Gerichtes gemailt hat, mit der Aufforderung, zwei dutzend Texte zu entfernen. Das hat der Provider gemacht, um nicht als "Störer" (ist in der BRD so) vom RA belangt zu werden.

    Das heißt: lange bevor der Blogger davon erfahren hat (vom Rechtsanwalt und des Gerichtsbeschlusses) waren seine Texte vom web entfernt.

    Die einstweilige Verfügung wird OHNE Anhören der Blogger beschlossen; nach der Anhörung des Bloggers wurde der Beschluß aufgehoben; das Entfernen der Texte war rechtswidrig, weil der Gerichtsbeschluß aufgehoben werden mußte.

    Also: wenn von Ihnen im web zwei dutzend Beiträge fehlen und sie nicht wissen warum, dann wissen Sie, wo das Problem bei #ACTA liegt. http://is.gd/ED43eX

    Das Problem ist, dass sechs Konzerne (Sony, MGM, Universal, ...) mehr Macht haben, als die gesamte EU und ihre Politiker.

    lg

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