U-Bahn ohne Betriebsschluss

Zaghaft wird in Wien diskutiert, ob die U-Bahn am Wochenende durchfahren soll. In Hamburg ist das schon seit fünf Jahren Realität



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Es ist drei Uhr früh, das Lokal sperrt zu, alle wollen heim. Nur wie? Das Taxi ist teuer. Das Fahrrad steht zuhause oder man ist zu betrunken zum Heimradeln. Zu Fuß ist es zu weit. Und die Nachtbusse? Die lassen auf sich warten, brauchen selbst für kurze Strecken Ewigkeiten, und wo die nächste Haltestelle ist, weiß sowieso niemand.



Für Nachtschwärmer fordert die Opposition deswegen schon lange, dass die Wiener U-Bahn am Wochenende durchfahren soll. Nun lenkt Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ein und will im Februar das Volk befragen: Soll die U-Bahn Freitag- und Samstagnacht durchgehend fahren?



Nein, das ist keine Utopie, sondern in Metropolen wie Stockholm, Berlin und Hamburg bereits Realität. Die Hansestadt ist uns beispielsweise fünf Jahre voraus. Was hier zur Zeit zaghaft angedacht wird, setzte dort die Lokalpolitik mit 12. Dezember 2004 um: Im Hamburger Stadtgebiet fahren U- und S-Bahnen seither nachts alle 20 Minuten.



Die Zahl der Fahrgäste verdreifachte sich im darauffolgenden Jahr. Vor der Einführung nutzten 30.000 Menschen an Wochenendnächten die Öffis, 2005 waren es schon 90.000.



Hamburg ist mit Wien sehr gut vergleichbar. Die Stadt hat 1,8 Millionen Einwohner, bei uns sind es 1,7 Millionen. Früher fuhren dort ebenfalls Nachtbusse, die letzte U-Bahn raste wie in Wien eine halbe Stunde nach Mitternacht davon. Dann kam die Umstellung: Der 24-Stunden-Betrieb am Wochenende kostet jährlich 3,5 bis vier Millionen Euro zusätzlich. Die Nachtbusse wurden am Wochenende abgeschafft. Stattdessen gibt es nun einige Buslinien, die rund um die Uhr fahren. Ganz ohne Straßenverkehr geht es eben nicht: Viele Menschen wohnen zu weit entfernt von Untergrund- und Schnellbahnstationen. „Die U-Bahn dient zur Grobverteilung, die Busse zur Feinverteilung“, erklärt Gisela Becker, Sprecherin des Hamburger Verkehrsverbunds.



Es gibt nur einen Nachteil bei der Non-Stop-Bahn bis in den frühen Morgen. Sie kostet Geld. Die Hamburger planten das Projekt deswegen zuerst als einjährigen Pilotversuch. Dann stieg jedoch die Zahl der Fahrgäste. Wer früher notgedrungen ein Taxi nahm, um nicht kostbare Stunden seines Schlafs auf dem Bussitz zu vergeuden, fährt heute um drei Uhr früh im Untergrund nach Hause.



Aus dem Pilotversuch wurde ein Markenzeichen. Norderstedt, eine Kleinstadt gleich bei Hamburg, hat sich dem System mittlerweile angeschlossen und zahlt aus eigener Kasse den verlängerten U-Bahn-Betrieb bis ins eigene Stadtgebiet.



Mehrere Millionen Euro würde der Nachtbetrieb in Wien kosten, heißt es aus dem roten Rathaus. Die Wiener Linien betonen gerne, dass andere große Städte ebenfalls Nachtbusse statt U-Bahnen anbieten. Darunter London, Amsterdam, Prag und Brüssel.



Stimmt schon. Das Beispiel Hamburg zeigt aber, dass es nicht undenkbar ist, U-Bahnen ohne Unterbrechung durch die Nacht zu jagen. Es besteht noch eine weitere Parallele zwischen der Hansestadt und Wien: Die Idee der Non-Stop-Bahn wurde dort ebenfalls vor einem Wahlkampf umgesetzt. Allerdings ohne zuvor eine teure Volksbefragung durchzuführen.







Dieser Text ist im Falter 48/09 erschienen. Foto: Heribert Corn

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