Geld macht schnell

Mit einem Vorschlag an die amerikanische Gesetzgebung greifen Google und Verizon unsere Bewegungsfreiheit im Internet an



/Auf den ersten Blick wirkt das alles gar nicht so gefährlich. Das Dokument hat nur zwei Seiten, spricht von einem „offenen Internet“, von „Anti-Diskriminierung“ und von „Transparenz“. Verfasst wurde es von Google, der mächtigsten Marke im Web, und Verizon, einem der wichtigsten US-Telekomunternehmen.



Doch es könnte der erste Schritt zu einem Zweiklasseninternet sein. Einem Internet der großen Konzerne, die bestimmen, auf welche Daten die Kunden zugreifen dürfen und wofür Zusatzgebühren verlangt werden.



3D-Videodienste? Nur für Premiumkunden! YouTube am Handy? Das erlaubt Ihr Vertrag nicht! So könnte die Zukunft im Netz aussehen, zumindest verspricht das Dokument von Google und Verizon nichts Gutes. Denn es greift einen Grundpfeiler des Internet an: die Netzneutralität.



„Netzneutralität“ ist schon wieder so ein spröder Begriff, hinter dem sich aber ein wichtiger Gedanke verbirgt: Alle Daten sind gleich, die Internetanbieter sollen keine Informationen verlangsamen oder blockieren dürfen. Auch sollen sie keine Zusatzgebühren verlangen dürfen, um auf gewisse Daten zugreifen zu können.



Das könnte sich ändern. Google und Verizon betonen zwar, dass alle Daten gleich behandelt würden. Doch dann machen sie Ausnahmen. So sollen „zusätzliche Onlinedienste“ nicht unter die Netzneutralität fallen. Damit könnten etwa tolle neue Videodienste gemeint sein, die der gemeine Internetuser in Zukunft nicht aufrufen darf. Denkbar sind zum Beispiel Opernaufführungen in 3D, die nur für Premiumkunden zu sehen sind.



Auch beim mobilen Internet soll die Neutralität fallen. Ein mögliches Szenario: Mobilfunkanbieter könnten künftig YouTube am Handy sperren, der Dienst frisst viele Daten.



Die Gefahr ist also ein Zweiklasseninternet. Premiumkunden bekommen superschnelle Leitungen, der Rest darf weiterhin E-Mails schicken und Wikipedia anklicken.



Die Firmen rechtfertigen das mit ihren Kosten. Jahr für Jahr konsumieren wir mehr Daten, telefonieren online oder schauen uns Videostreams an. Ständig müssen die Leitungen ausgebaut, das Internet schneller werden. Deswegen fordern Internetprovider: Wer mehr konsumiert, soll mehr zahlen.



Es geht aber nicht nur um Kostenfairness, sondern auch um neue Geschäftsfelder. Es ist kein Zufall, dass Google und Verizon von der Netzneutralität ausgerechnet am Handy nichts wissen wollen. Das ist einer der größten Zukunftsmärkte. Immer mehr Menschen kaufen ein Smartphone und nutzen das Internet von unterwegs. Da ließen sich alle möglichen Zusatztarife einführen.



Das Internet war bisher ein Motor der Innovation. Ohne Netzneutralität wäre dieser Entwicklergeist gefährdet. Für Startups könnten zusätzliche Kosten anfallen. Vielleicht wäre ohne Netzneutralität Skype nie erfolgreich gewesen. Dieser Dienst ermöglicht es Internetusern, billig oder gratis über das Netz zu telefonieren. Hätte sich Skype durchsetzen können, wenn die Kunden oder Skype dafür eine extra Gebühr zahlen hätten müssen?



Mehr Kosten für den Konsumenten, eine Zweiklassengesellschaft im Netz, größere Hürden für Innovation. Das sind nicht die einzigen Gefahren, die der Vorschlag von Google und Verizon in sich birgt. Da geht es auch um die Frage, ob die Telekomfirmen überhaupt so eine Macht über das Internet haben sollen. Der Vorschlag von Google und Verizon hat bisher keinerlei Auswirkung auf Konsumenten, er ist nicht bindend, er soll aber die amerikanischen Gesetzgeber beeinflussen. Google und Verizon wollen den Kongress dazu anregen, das Internet nach ihren Vorstellungen umzugestalten.



Jetzt ist der Aufschrei groß – vollkommen zu Recht. Denn die Netzneutralität gibt es aus einem guten Grund. Und es ist schon gar nicht Aufgabe der Internetprovider, die Rahmenbedingungen für unsere Bewegungsfreiheit im Netz vorzugeben. Das ist das Bedenklichste am Vorschlag von Google und Verizon: dass er Google und Co plötzlich zu unseren Aufpassern im Web machen würde.











Dieser Artikel ist im Falter 33/10 erschienen. Bild: Flickr-User Ana Patrícia Almeida

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