Vernetzte Lügen

Falschmeldungen gefährden unsere Demokratie – doch die Diskussion über „Fake News“ zieht das ins Lächerliche. (Gastkommentar für die Tiroler Tageszeitung)

Es ist Zeit für eine Verteidigung des Begriffs „Fake News“ – das Wort beschreibt die gezielte Verbreitung von Falschmeldungen speziell im Internet, um Menschen zu manipulieren. Auch hierzulande kennen wir das Phänomen: Durchs Internet geisterte die Meldung, Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen habe Krebs und gehöre unter Sachwalterschaft gestellt (ein gefälschtes Dokument behauptet das, viele Bürger glaubten es). Aktuell wird der deutschen Kanzlerin Angela Merkel online angedichtet, sie würde 1900 Euro Grundsicherung für Asylwerber fordern – ein völliger Unsinn, der Bürger real in Rage bringt.

Dieser Text erschien am 5. Februar in der Tiroler Tageszeitung.

Fake News sind kein abstraktes Problem, das nur die USA betrifft: Falschmeldungen vergiften auch bei uns die politische Debatte. Derzeit erntet der Begriff Kritik und sogar Häme: Ist nicht alles irgendwie Fake News, passiert nicht jedem Medium mal ein Fehler? Und überhaupt: Wer bestimmt denn, was Fake News ist und was nicht?

Die gefährliche Grundannahme: Alles sei letztlich nur „Ansichtssache“ – dazu passend gibt es neuerdings neben Fakten auch „alternative Fakten“. Eine Nebeltaktik: Es handelt sich nicht um Ansichtssache, ob unser Bundespräsident todkrank ist oder nicht – medizinische Dokumente widerlegen die Falschmeldung. Eine Gesellschaft, die nicht mehr zwischen nachweisbaren Fakten und grotesken Lügen unterscheiden will, hat die Vernunft verloren.

Häufig wird auch relativiert, wie brisant „Fake News“ sind, denn: Gab es das nicht früher auch?

Gerade die dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte belegen, dass wir politisch inszenierte und instrumentalisierte Falschmeldungen nicht hinnehmen dürfen
Die Lüge als politisches Instrument ist wahrscheinlich so alt wie die Politik. Doch die Geschichte zeigt das verheerende Potenzial der Falschmeldungen: Die Nationalsozialisten waren Großmeister des Gerüchtestreuens, sie hetzten Menschen gezielt mit falschen Behauptungen auf. Sie verbreiteten auch die „Protokolle der Weisen von Zion“ – ein gefälschtes Buch, das die jüdische Weltverschwörung „belegen“ sollte und als Rechtfertigung für den Holocaust diente. Gerade die dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte belegen, dass wir politisch inszenierte und instrumentalisierte Falschmeldungen nicht hinnehmen dürfen.

Das Netz addiert nun Verbreitungsgeschwindigkeit: Fake News wandern im Eiltempo über den Planeten. Heute reist eine Falschmeldung oft binnen weniger Stunden über etliche Kontinente.

Ganz so einfach müssen wir es den Fälschern nicht machen
Doch ganz so einfach müssen wir es den Fälschern nicht machen: Die Nachrichtenagentur APA arbeitet an einem Tool, das Medien nachvollziehen lässt, ob eine Information hauptsächlich von unseriösen Seiten stammt. Faktenchecker-Seiten wie Mimikama.at klären jeden Tag über Täuschungen auf. Und in Deutschland will Facebook mit der Rechercheplattform Correctiv kooperieren – künftig sollen Nutzer einen Hinweis sehen, wenn eine Behauptung nachweislich falsch ist. Jeder User kann dann auch nachlesen, welche Quellen und Fakten die Falschmeldung widerlegen. Wir können viel tun – nur egal darf es uns nicht sein, wenn mit Gerüchten und Falschmeldungen Politik gemacht wird.

 

Foto: pixabay.com.

 

Kommentare

  1. Vielen Dank – Das sind klare Worte!!
    Besonders wichtig in einer Zeit, wo man so viel Irritierendes hört. Und da sind immer wieder die rechten Populisten vorne dabei. So postet letztlich sogar ein HC Str., dass im auffällt, die Sprache würde zusehends verrohen! NA SOWAS!! Wo doch gerade ER und seine Mitstreiter dazu besonders fleißig und regelmäßig die deftigsten Beträge verfassen …..

  2. Pingback: Wie China Europas Autoindustrie auf den Kopf stellt und weitere lesenswerte Artikel - Kontrast Blog

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