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Das müssen wir nicht aushalten

Was Bundeskanzler Sebastian Kurz über die Beleidigungen gegen Alma Zadić sagt – und was er hätte sagen können

Ein Satz von Sebastian Kurz sorgt für Aufmerksamkeit, es geht um Alma Zadić. Die FPÖ kampagnisiert gegen die neue Justizministerin – sie wird rassistisch und sexistisch von Facebook-UserInnen beleidigt.

Nun sagte Bundeskanzler Kurz in Puls 4, dass er die Beschimpfungen verurteile, dass sie eine gute Juristin sei und eine sehr erfolgreiche junge Frau und er sei “optimistisch, dass sie das aushält – und das muss man auch aushalten, wenn man in der Politik ist”. Ich tue mir mit dieser Formulierung sehr schwer und möchte zwei Einwände bringen:

Natürlich sind PolitikerInnen besonders von Hass im Netz betroffen – dass sie Beleidigungen abbekommen, passiert vielen. Aber der Fall Zadić zeichnet sich durch seine besonders rassistische Tonalität aus (und auch durch diese typisch sexistischen Herabwürdigungen, die gerade Politikerinnen oftmals ernten). Das ist ein wesentlicher Unterschied: Zadić wird vielfach nicht wegen ihrer Aussagen oder ihrer Politik beleidigt, sondern wegen ihrer Person – konkret: wegen ihrer Herkunft aus Bosnien. Hier zeigt sich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (zu der u.a. Rassismus, Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Islamophobie zählen). Erniedrigt zu werden aufgrunddessen dessen, wer man ist/welcher Gruppe man angehört, hat eine besonders verletzende Wirkung hat, weil die Erniedrigung den Kern angreift, wer man ist. Dazu gibt es interessante Ergebnisse aus der Hate-Speech-Forschung. Und ja: Viele Beleidigungen gegen Zadić lassen sich als Hate Speech einstufen, weil es sich um Abwertungen basierend auf einer Gruppenzugehörigkeit (in dem Fall: bosnische Herkunft) handelt.

Einen zweiten Einwand möchte ich noch einbringen: Ich bin kein Fan, die Debatte zu Hass im Netz unter dem Blickwinkel zu führen, was Betroffene aushalten sollen. Ich muss dabei an eine vielfach genutzte Argumentation im Internet denken. Wenn zum Beispiel Frauen Sexismus im Netz anprangern, wird ihnen häufig ausgerichtet: „Lass dir halt eine dickere Haut wachsen“. Oder auf Englisch: „If you can’t stand the heat, get out of the kitchen.“ Solche Sätze verorten einen Teil des Problems bei den Betroffenen, dass diese an sich selbst arbeiten sollen – thematisiert wird also nicht der verbale Angriff an sich, sondern die Reaktion der betroffenen Person. Ich halte speziell den Satz „lass dir eine dickere Haut wachsen“ für riskant, weil er nicht sagt, der/die TäterIn soll sein Verhalten ändern, sondern die betroffene Person soll sich ändern. Es bleibt offen, was Sebastian Kurz genau meinte, als er sagte, „das muss man aushalten“ – es ist nur jedenfalls keine Formulierung, die das Übel einer rassistischen Beleidigung in den Vordergrund stellt. Ich glaube, dass wir vorsichtig sein sollten, diese extremen Formen von Beleidigungen im Netz als Normalität anzusehen (auch wenn sie häufig geworden sind, sollten sie nicht normal sein). Übrigens: Rein juristisch gesehen müssen PolitikerInnen auch nicht alles hinnehmen: Zwar sind bei PolitikerInnen härtere Worte als gegenüber DurchschnittsbürgerInnen erlaubt – aber es gibt auch Grenzen, was sich PolitikerInnen gefallen lassen müssen.

Ein Schlussgedanke – ich hätte zum Beispiel gut gefunden, hätte Sebastian Kurz gesagt: „Wir Politiker sind oft Betroffene von Hass im Netz, wir müssen auch eine Spur mehr aushalten als Durchschnittsbürger. Aber der Fall Alma Zadić zeigt Rassismus in unserer Gesellschaft – und diesen Rassismus soll niemand hinnehmen müssen.“

 

>> Hier kann man das ganze Video von Puls 4 anschauen – das Zitat und der obige Screenshot stammt aus der Sendung “Milborn”.

>> Mit dem Ö1-Morgenjournal durfte ich heute auch über den Fall sprechen und das Verhalten der FPÖ im Netz

 

Korrektur: Die englische Redewendung wurde auf “If you can’t stand the heat, get out of the kitchen ausgebessert” ausgebessert (ich hatte zuvor “stay out of the kitchen” geschrieben gehabt, sorry)

Credit: Puls 4

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  • @Wut im Netz
    Nach einem Blick auf die Liste allfälliger Ordnungsrufe im Hohen Haus, und diversen Sager auf parteiinternen Veranstaltungen lässt sich dieses Problem wohl auch anderswo verorten … in diesem Kontext auch interessant: „Der dritte Nationalratspräsident Hofer (FPÖ) hatte vorgeschlagen, Ordnungsrufe für unangebrachte Tweets zu verteilen. Abgeordnete von SPÖ, ÖVP und den Grünen sind dagegen.“ Resümiert man etwaige Posts - von der Realität eingeholt kann ich da nur sagen! .(... warum diese Parallele noch nicht gezogenen wurde^^)

    @Psychologie der Deutung
    Bleibt wohl nur mehr die Deutung selbst zu deuten! Denn frei nach Schulz von Thun offenbaren auch Sie wie die Verfasser etwaiger Postings weit mehr als nur eine Sachebene. Die Anstrengung ihre Selbstoffenbarungsebene und Beziehungsebene zu charakterisieren, erspar ich mir.

    @Hass
    Angesichts der politischen Spielart hierzulande (aber auch anderenorts) scheint mir die Karte der „Gehässigkeit und Garstigkeit“ die gegen das Gros der Gesellschaft und zugunsten weniger ausgespielt wird, um ein vielfaches belastender. H.H. gehört mitunter auch zu den Spielmachern. Unverhohlenes und nicht mit Kreide gebleichtes (wie in der Politik üblich) Feedback steht ihr und stünde anderen zu.

    @ Angst und Konformitätsdruck
    PolitkerInnen bestehen als Volksvertreter und nicht als Interessensvertreter ihrer selbst. Die Chronologie des Hymnen-Akts illustriert, wie morbid das Selbstbild und Demokratieverständnis in der Politik ist. Von der repräsentativen Notwendigkeit des Parlamentarismus ist keine Spur. Ausgehend von diesem Zustand, darf wohl mehr vom Fehlen jeglicher Angst vor der Wut der Bürger ausgegangen werden. PolitkerInnen bestehen als Volksvertreter. Die Angst vor Nichtkonformität mit dem Groß der Wähler wäre durchaus legitim im polit. System der 2. Republik.

    @konformitätsdruck
    Zusatz: "Keine Politikerin traut sich mehr, die Meinung zu sagen", sofern sie sich nicht mit jener ihrer Wählerschaft deckt. Die werte Frau sitzt nicht wegen ihrem Selbstbild im Amt, sondern wurde wohl wegen ihrer Gebärde, einem Parteileitbild zu entsprechen, hineingewählt. Der Versuch mehr dem Selbstbild nachzueifern, als den Erwartungen der breiten Wählerschaft gerecht zu werden, stellt in der 2. Republik keine Tugend dar. Und damit spreche ich die SPÖ Wählerschaft an, welche nicht mal ansatzweise hinter ihr steht.

    @Antifeminismus
    überall Antifeminismus zu detektieren, fällt wohl auch unter diesen Tugendterrorismus…(der Artikel darüber bleibt für mich ein Selbstbezug)

    • So intellektualisiert Sie es ausdrücken mögen - ich empfinde es lediglich als eine sehr komplizierte und selbstverliebte Art mitzuteilen, dass der Artikel von Frau Brodnig Sie schlicht nicht abholt. Ihr sprachgewaltiger Täuschkörper verbirgt dennoch nicht die massive emotionale Motivation, die letztlich auf Geringschätzung der Autorin beruht.
      Es ist ja legitim, in einer solchen Diskussion auch mal die Gegenthesen anzusprechen, aber sorry, es ist mir zu billig und zu populistisch zum x-ten Mal der Leier von den bösen Politikern Gehör zu schenken, denen man ruhig mal unverhohlenes Feedback geben sollte. "Oasch" und "Fotzn" sind in der Tat unverhohlen aber halt auch weit weg von dem, das man ernsthaft als Feedback bezeichnen darf.
      Ob HH aufgrund ihres Selbstbildes oder ihres Fremdbildes in der Partei dort sitzt, wo sie ist, erscheint mir belanglos und für die Diskussion unerheblich. Hier geht es schlicht um grundlegende Kulturfragen der Kommunikation und des simplen menschlichen Respekts und nicht um die sachliche Legitimation einer Ministerin. Lassen wir doch die Kirche im Dorf und schwadronieren wir nicht in hochgeistige Metaerklärungen, wenn die Sache doch echt "oasch"-banal ist.

  • Mir gehts genau gleich und ich bin grad echt froh dass ich da nicht die einzige bin die hier so mitdenkt.

    Für mich ist die Sache jetzt ganz einfach:
    Denen wird der Standard zu stark weil sie selber den Kommentar Hype verpasst haben.
    Es geht nicht gegen Kampfposter! Es geht gegen Kommentarfunktionen und wie gesteuert die doch alle sind.
    Ein Hilfeschrei ein erbärmlicher - von jemanden der die Zeichen der Zeit nicht lesen konnte und nicht kann.

  • Ja, der Text der Hymne ist echt shit, denn auch die Redewendung "Töchter und Söhne" ist immer noch zutiefst patriachal und schließt zudem die MigrantInnen aus. Dass an die keiner denkt, und die nicht zu Wort kommen, ist wieder typisch für den Rassismus der weißen Mittelschichtfrau.

    Mit "arbeitsfroh" werden Erwerbsarbeitslose, Invalide, PensionistInnen usw. ausgeschlossen

    Mit "gläubig" die NichtkatholikInnen

    "Hoher Sendung Last" und "einige Jubelchöre" die dem "Vaterland Treue schwören", damit können sich auch Nazis bestens indentifzieren. Sowas von gleichgeschalteter Untertanenmentalität ist mit demokratisch-republikanischer Gesinnung in keinster Weise vereinbar!

    Naja, die Frau Ministerin posiert ja auch in einem offenbar aus dem Absolutismus stammenden Büro ...

    Feministinnen, denen so was nicht auffällt und die dazu schweigen müssen schon einen sehr schmalen politischen Horizont haben. Ein bissl gendern macht diesen antidemokratischen Mist auch nicht erträglicher!

    Daher schnell auf den Müllhaufen der Geschichte mit dieser Hymne. Im Zeitalter der Globalisierung brauchen wir WeltbürgerInnen doch keine Nationalhymne mehr ...

    Und überhaupt: auf einer internationalen Sportveranstaltung sich einen Gabalier die Menschen mit der österreichische Nationalhymne zwangsweise zu beglücken ist auch schon recht schräg ... Einfach zum fremdschämen dieser nationalistische Stumpfsinn.

    • how came ur wirting in german ? you might be one of those german nationalists ...ugh

  • Liebe Frau Brodnig,

    habe gerade das Video von Puls4 gesehen und weil ich die Respektlosigkeit der Menschen gegenüber anderen Menschen viele Jahre mitverfolge kann ich ihnen vielleicht auch einen weiteren Grund nennen.
    Es ist nicht alleine die Anonymität, sondern leider haben gerade viele Politiker*innen und manche Medien eine Mitschuld an den Hasspostings.
    Bevor es eine Blau -Schwarze Regierung in Österreich gab, (damals konnte man noch in einem ORF - Forum posten) war der Ton gemäßigter.
    Danach war es wie ein Dammbruch.
    Straflos konnten Wahlwerbeplakate gedruckt werden, die Menschengruppen diffamierten.
    Von "Ausländer*innen" über Bettler*innen und nun sogar EU-Bürger*innen blieb niemand verschont.
    Leider befürchte ich, dass es noch schlimmer kommt.
    Für viele Menschen ist die Grenze zwischen den Parteien verschwunden und sie fühlen sich durch die Politiker*innen nicht mehr vertreten.
    Das zeigt auch die Wahlbeteiligung.

    Mit lieben Grüßen
    Hermine Katzer

  • unterschiedliche Denkansätze und - zugänge, sehr lässig recherchiert!

  • Ich kann mir nicht vorstellen, das es dann noch was seriöses ist oder?

    Hat den jemand schon Erfahrung mit der Brustvergrößerung dort gesammelt?

    Gruß
    Svenja

  • Sehr sehr interessant.
    Gefällt mir. da kann man viel davon abgewinnen.
    Die respektvolle, friedliche und freundliche Haltung muss sich im internet etablieren.
    So hoffe ich.

  • Liebe Ingrid,

    Leider bin ich erst jetzt dazugekommen, mit den Talk anzusehen, daher kommt meine Gratulation etwas verspätet.

    Wobei ich anfangs kurz irritiert war: zum einen ist Emma Watson als Aufmacher fast zu effekt-orientiert, gemessen an den vielen heftigen Threads, die uns imho näher liegen müssten. Auf das "uns" komm ich noch. Zum anderen fehlte mir etwas die (technische) "Hardcore", von der ich ja weiß, dass du ihrer sehr wohl mächtig bist. Also in Summe etwas zu sanft.

    Doch dann hab ich realisiert, worauf du hinauswillst, und was die eigentliche Botschaft war, die du vorbildlich rübergebracht hast. Und ja, wenn das Zielpublikum "alle" lautet, und nicht nur Nerds, Kommunikations-wasweißich, oder politisch Ideologisierte, dann muss man es genau so machen. So verstehts auch meine Großmutter, und das ist wichtiger, als ein weiterer Insider-Talk.

    Well done, und liebe Grüße,
    Heinz

    P.S.: Mein öfter vorgebrachtes Anliegen, die Ventilfunktion der tiefsten Schublade nicht einfach weg zu administrieren, sondern ihrer Notwendigkeit in kontrolliertem Umfeld gerecht zu werden, halte ich aufrecht. Nur hätte es in diesem Talk keinen Platz gehabt, weil deiner Gedankenkette erst nachgelagert.

  • Liebe Frau Brodnig,
    schreiben Sie weiterhin über Bildungsthemen? Herzlichen Dank für Ihr Feedback.
    MfG M. Frühwald

    • Liebe Frau Frühwald, schreibe eher nur noch selten über Bildungsthemen. Aber falls Sie ein Anliegen/Thema haben, können Sie mir gerne ein E-Mail schreiben und ich leite es an meine Kollegen im Falter weiter, die sich am ehesten damit beschäftigen. Die Adresse finden Sie hier: https://www.brodnig.org/impressum/ Schönen Gruß, IB

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