Warum ich Geld für die New York Times zahle
Ich habe gezahlt. Seit Dienstag bin ich digitale Abonnentin der New York Times, gebe pro Monat 15 Dollar für den Zugriff via Web und Smartphone aus.
Die New York Times hat eine Paywall errichtet. Wer mehr als 20 Artikel im Monat online lesen will, muss blechen. Das Bezahlsystem hat viele Feinde, diese erklären das Projekt vorab für gescheitert, schimpfen über den (ihrer Meinung nach zu) hohen Preis oder verbreiten Anleitungen, wie man die Paywall umgeht. Es ist nämlich kinderleicht, über die Bezahlmauer drüberzuklettern und nichts für die Times zu zahlen.
Ich zahle aber gerne. Denn die New York Times macht echt guten Journalismus. Ich lese täglich ihre Artikel und habe das Gefühl, dass sie mein Leben bereichern. Neulich zum Beispiel schrieb eine Autorin, wie das Telefon in ihrem Bekanntenkreis langsam ausstirbt – oder zumindest immer unwichtiger wird. Mich hat dieser Artikel zum Nachdenken gebracht, ich finde, das ist ein Merkmal von gutem Journalismus.
Die Werbeeinnahmen im Netz sind viel zu gering. Sie reichen bisher nicht aus, um hochqualitative Recherche zu finanzieren.Die New York Times ist eine Ausnahme. Sie leistet sich einen Journalismus, den sich viele andere nicht leisten. Irgendwer muss für diese Recherche zahlen. Ich tat es bisher nicht, ich saß vor meinem Computer in Österreich und klickte mich durchs Web. Theoretisch hat die New York Times mit meinen Clicks verdient, denn sie schaltet ja Onlinewerbung. Aber mal ehrlich: Die Werbeeinnahmen im Netz sind viel zu gering. Sie reichen bisher nicht aus, um hochqualitative Recherche und Redigatur zu finanzieren. Das Pew Research Center schreibt:
„For the first time, too, more people said they got news from the web than newspapers. The internet now trails only television among American adults as a destination for news, and the trend line shows the gap closing. Financially the tipping point also has come. When the final tally is in, online ad revenue in 2010 is projected to surpass print newspaper ad revenue for the first time. The problem for news is that by far the largest share of that online ad revenue goes to non-news sources, particularly to aggregators.“
Zusammengefasst: Das Web überholt die Zeitung. Onlinewerbung wird lukrativer als die Printwerbung. Doch die großen Stücke des Onlinewerbekuchen gehen nicht an klassische Nachrichtenseiten, sondern an Google etc.
Guter Journalismus kostet viel Geld und deswegen muss er auch Geld kosten.Für Zeitschriften wie die New York Times geht die Rechnung online nicht auf. Deswegen führt sie jetzt die Paywall ein. Ich glaube, sie tut das mit gutem Recht. Oliver Schirg, der Onlinechef des Hamburger Abendblatts, hat neulich einen schönen Satz zu mir gesagt. Er meinte: „Guter Journalismus kostet viel Geld und deswegen muss er auch Geld kosten.“
Da ist schon etwas dran. Zumindest kenne ich bisher kein anderes Geschäftsmodell, das funktioniert. Das sieht man auch anhand der positiven Ausnahmen. ProPublica.org ist zum Beispiel ein tolles Non-Profit-Portal für investigative Berichterstattung. Die haben sogar schon den Pulitzerpreis bekommen. Das einzige Problem ist: ProPublica wird über private Stiftungen finanziert. Das ist ein spannendes Konzept, aber ich glaube nicht, dass es eine flächendecke Lösung für den Journalismus sein kann.
Und dann gibt es noch andere Ideen, zum Beispiel den Onlinedienst Flattr. Wer einen Artikel liest und ihn gut findet, kann ihn flattrn – also ein paar Cent dafür spenden. Aber Flattr eignet sich nicht zur Finanzierung einer Tageszeitung. Die taz hat im Februar damit 1.296 Euro eingenommen. Das zu wenig, um das Überleben der Zeitung zu sichern.
„Eine Krise besteht darin, dass das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann“, sagte der italienische Schriftsteller Antonio Gramsci einmal. Das das wahre Dilemma ist in meinen Augen : Wir verabschieden uns vom traditionellen Journalismus und seinem Finanzierungsmodell, aber wir haben noch keine neue Lösung gefunden.
Und das ist der Grund, warum ich die 15 Dollar zahle.
Weitere Links zum Thema
– Das Nieman Journalism Lab fragt: “So, then…if you jump The New York Times’ paywall, are you stealing?”
– Ebenfalls Nieman Journalism Lab: Wie löchrig ist die Paywall der New York Times – und sind diese Schlupflöcher vielleicht sogar gewollt?
– AllThingsDigital spricht mit einem echten Insider: Interview mit Martin Nisenholtz, Digital-Operations-Chef der New York Times
– Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid berichtet aus New York: “Überraschend viele Leser sagten: ‘Bereit zu zahlen'”
– Eine andere Sichtweise zum Thema nimmt Tom Schaffer ein und bloggte neulich: “Was der Fall Strasser über Murdochs Paywall sagt”
– Übrigens gibt es zu Murdochs Paywall nun brandneue Zahlen und eine Analyse des Guardian: “Juggling the Times paywall numbers”
– Zum Schluss noch mein aktueller Artikel im Falter: “Für Geld darfst du gucken!” Über die New York Times und ihren Kampf gegen die Gratiskultur
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Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?
Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.
Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.
Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.
Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.
Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.
Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?
Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.
Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.
Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.
Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)
Möchte gerne auf meinen Artikel in der Zeitschrift "Die Zukunft", Juli 2010, verweisen:
"Open Government - let the sunshine in"
http://diezukunft.at/?p=1463
sowie auf meine Linksammlung auf: http://bit.ly/aEwPsW
Mit besten Grüßen
Rudolf Legat
http://www.ref.gv.at/uploads/media/Oesterreichs_Weg_zum_Europaeischen_Shared_Environmental_Information_System.pdf
Darum habe ich Sky – Abo!
Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)
Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
Schade.
Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.
Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
LG Paolo