“Eine sanfte, aber wirksame Peitsche“
Strom sparen statt verschwenden. Der Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker über eine Zukunft ohne Atomenergie
Ernst Ulrich von Weizsäcker ist einer der angesehensten Umweltforscher Europas und diese Woche in Wien. Schon vorab führt er aus, wie die Welt ohne Atomstrom auskommen könnte und was das mit der Wiener Küche zu tun hat.
Falter: Herr Weizsäcker, wäre ein Welt ohne Atomstrom möglich?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Natürlich. In Deutschland wird der Ausstieg vielleicht zehn oder 15 Jahre dauern. In Frankreich, der Slowakei oder Japan wäre das schwieriger, weil der Atomstrom einen größeren Anteil ausmacht. Diese Länder würden länger brauchen, aber ein Ausstieg ist möglich.
Wie funktioniert eine Welt ohne Kernkraft?
Weizsäcker: Das Wichtigste ist mehr Energieeffizienz. Sie kennen sicher die lichtemittierenden Dioden, die LEDs. Die produzieren Licht und brauchen nur ein Zehntel des Stroms, den die alte Glühbirne benötigt hat. Es gibt viele solche Technologien, die aber zu selten eingesetzt werden. Der Strom ist dafür zu billig.
Muss der Strom teurer werden?
Weizsäcker: Ja. Jedes Jahr soll der Strom um so viel Prozent teurer werden, wie die Effizienz im Jahr zuvor gestiegen ist.
Das heißt: Wenn die Geräte zehn Prozent weniger Strom brauchen, soll das Kilowatt um zehn Prozent teurer werden?
Weizsäcker: Genau. Das wäre auch sozial gerecht, weil die monatlichen Energieausgaben durchschnittlich konstant bleiben.
Wie viel Energie wollen Sie denn einsparen?
Weizsäcker: Ein Prozent weniger pro Jahr ist locker machbar. Und dann kann man auch noch erneuerbare Energien wie Windenergie, Wasserkraft, Geothermie ausbauen.
Echtes Energiesparen bedeutet aber eine massive Umstellung. Gibt es Dinge, auf die wir in Zukunft verzichten sollen?
Weizsäcker: Natürlich gibt es die. Ein Rindersteak pro Tag ist völliger Unsinn, das braucht man nicht. Am Wochenende nach Teneriffa düsen, das braucht man ebenso wenig. Diese Dinge verschlingen sehr viel Energie, auch mehr Effizienz ändert nichts daran. Auf eine warme, helle, freundliche Wohnung muss hingegen niemand verzichten, auf gesunde Ernährung ebenso wenig.
Was haben denn Öko-Lebensmittel mit unserem Energieverbrauch zu tun?
Weizsäcker: Öko-Lebensmittel sind nicht nur gesund, sie schonen auch die Natur. Beim ökologischen Anbau wird viel weniger Kunstdünger eingesetzt – und Kunstdünger ist mit ungeheurem Energieaufwand verbunden.
Wenn ich mich vegan ernähre, wird mein Obst aber ebenfalls mit Düngemitteln angebaut. Die Düngemittel kommen von Tieren.
Weizsäcker: Ich sage ja nicht, dass Sie Veganer werden müssen. Ich plädiere für etwas weniger McDonald’s-Kultur und etwas mehr klassische Wiener Küche.
Gerade die Wiener Küche ist besonders fleischhaltig.
Weizsäcker: Ja, aber vor 100 Jahren aß man auch in Wien nur einmal pro Woche Fleisch.
Sie behaupten, niemand muss auf seine warme, helle Wohnung verzichten. Wie schaut diese Wohnung der Zukunft aus?
Weizsäcker: In Deutschland und Österreich gibt es das sogenannte Passivhaus. Es braucht nur noch ein Zehntel der Energie. Dann gibt es weiterführende Konzepte, das sogenannte “Plusenergiehaus“. Das produziert mehr Energie, als es verbraucht.
Wie funktioniert das?
Weizsäcker: Mit Sonnenenergie, das Dach ist wie ein kleines Kraftwerk. Der Rest des Hauses ist nach Passivhaustechnologie gebaut, die nur wenig Energie verbraucht.
Ist diese Effizienzsteigerung nicht auch Augenauswischerei? Man kauft sich einen stromsparenden Kühlschrank, nur ist der dann doppelt so groß wie der vorige.
Weizsäcker: Das ist richtig, das nennt man den Rebound-Effekt. Diese Erfahrung stammt aus einer Zeit, als Energie sehr billig war. Wenn Energie immer teurer wird, wird man sagen: Ach, mit dem alten Kühlschrankvolumen sind wir eigentlich ganz gut ausgekommen.
Sollte Österreich höhere Steuern auf Strom einheben?
Weizsäcker: Österreich könnte das machen. Am vernünftigsten wäre aber, wenn ganz Europa in sehr kleinen, sozial verträglichen Schritten die Energie und speziell den Strom verteuert. Man kann dann immer noch einen kleinen Sozialrabatt einführen, weil technischer Fortschritt bei den ärmeren Leuten später ankommt als bei den reicheren. Wenn man das macht, dann werden sich die Gerätehersteller anstrengen, im Wettrennen um Effizienz die Nase vorne zu haben.
Schadet teurer Strom nicht der Wirtschaft?
Weizsäcker: Das ist großer Unsinn. Diese Aussage stammt aus einer Zeit, als auf den Weltmärkten die Energie sehr teuer war und Länder wie Deutschland und Österreich hunderte Milliarden nach Saudi-Arabien oder Libyen abgeführt haben. Diese Milliarden sind natürlich unserer Wirtschaft verlorengegangen. Wenn dieses Geld im Land bleibt, dann schadet es der Wirtschaft überhaupt nicht. Die Japaner haben uns das schon in den 1970er-Jahren glanzvoll vorgemacht.
Wie haben die Japaner das gemacht?
Weizsäcker: In Japan waren der Industriestrom und das Benzin doppelt so teuer wie in den konkurrierenden Ländern. Das hat zwar dazu geführt, dass die Aluminiumschmelze das Land verlassen hat, stattdessen haben die Japaner aber lauter wunderbare neue Technologien entwickelt, die effizienter waren. Zum Beispiel die digitale Kamera, den Superschnellzug Shinkansen oder die fünfte Computergeneration. Mit diesen Dingen haben sie hunderte Milliarden verdient. Der hohe Strompreis war eine sanfte, aber wirksame Peitsche dafür.
Was haben die Japaner falsch gemacht? Gerade dort hat sich der Atomunfall ereignet.
Weizsäcker: Der Fehler der Japaner war, dass sie in der Zeit der hohen Energiekosten zu viele Atomkraftwerke gebaut haben. Dann mussten sie den Strom loswerden und haben Dienstleistungen eingeführt, die kein Mensch braucht – zum Beispiel elektrisch beheizte Klobrillen. Dadurch haben sie sich in eine unvernünftige Abhängigkeit von Atomkraft begeben.
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Zur Person
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Ernst Ulrich von Weizsäcker, 71, studierte Physik, leitete das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und gehört dem renommierten Think-Tank Club of Rome an. Er ist Mitglied der SPD und saß von 1998 bis 2005 im Deutschen Bundestag. Im Vorjahr erschien sein Buch “Faktor fünf – Die Formel für nachhaltiges Wachstum“
Am Mittwoch, 23.3, diskutiert er um 18.30 Uhr im Tech Gate Vienna (22., Donau City Straße 1). Anmeldung unter office@techgate.at
Dieses Interview ist in Falter 12/11 erschienen. Foto: Flickr-Account der Boell-Stiftung
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Drinking water throughout your day helps you to prevent disease,
your optimal weight, as it dieting is so hard should.
For the study, Gardner and his colleagues looked at data from 300 overweight
or obese, advise people that cutting calories by a certain amount of fat to be
healthier. That is something to think about all the hoopla over his
weight.
Was ich spannend finden würde:
Wie wird eigentlich in Österreich überwacht?
Was macht die Polizei & der Verfassungsschutz?
Was die beiden militärischen Geheimdienste?
Vor allem: was dürfen die rechtlich - was machen sie faktisch, also wie weit wird die Rechtsstaatlichkeit bewahrt?
Nun, zur rechtlichen Lage hat der Sprecher des Innenministeriums Stellung genommen. Siehe: http://derstandard.at/1369363164908/Bespitzelung-a-la-PRISM-In-Oesterreich-ausgeschlossen
Inwieweit andere Staaten (etwa Österreich) auch geheime Programme haben oder die Ermittler mehr tun, als sie dürfen, kann man natürlich nicht sagen - wobei ich mir bei der Vorstellung schwer tue, dass Österreich ein ähnliches Spitzelprogramm hat. Weder haben wir große IT-Konzerne bei uns sitzen, noch einen Patriot Act, der sehr vieles sehr Problematisches möglich macht.
Und zum Vergleich mit der Vorratsdatenspeicherung:
Von manchen wird PRISM mit der Vorratsdatenspeicherung verglichen, was aber irreführend ist ist. Ich bin wahrhaft keine Freundin der Vorratsdatenspeicherung, aber sie ist mit PRISM nicht vergleichbar. PRISM ist ein geheimes (!) Programm, das Daten abzapft. Laut den internen Dokumenten kann die NSA auf E-Mails, Fotos, Videos, Chatprotokolle zugreifen. Das geht viel weiter als die Vorratsdatenspeicherung, bei der sogenannte Verbindungsdaten gespeichert werden - also nicht der Inhalt einer E-Mail, sondern die Information, wann wer mit wem wo gemailt hat. Es geht mir keine Sekunde darum, die Vorratsdatenspeicherung zu verharmlosen, nur werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.
PRISM ist ein Geheimprogramm, von dem wir nur dank einem Whistleblower erfahren haben und das offensichtlich viel weitreichender ist als alle anderen Überwachungsmethoden, von denen wir bisher wissen.
hier vielleicht ein interessanter Link/anderer Blick: http://nakedsecurity.sophos.com/2013/06/10/prism-not-as-bad-as-you-thought-and-dont-call-it-prism/
ich glaube auch überhaupt nicht, dass Österreich hier ähnliche Programme unterhält, auch ein Vergleich mit der VDS liegt mir fern. PRISM scheint ja vielmehr sowas wie Echelon zu sein nur weit umfassener, das ist eine ganz andere liga als die Vorratsdatenspeicherung.
Aber natürlich gibt es auch in Europa eigene Überwachungsbestrebungen, wie hier http://fm4.orf.at/stories/1719346/ etwas kompliziert beschrieben. Da wird Österreich sicher auch mit an board sein.
Darüber hinaus wird zb das Projekt INDECT betrieben. (https://de.wikipedia.org/wiki/INDECT)
Und, wieder anderes Thema, es gibt ja momentan schon weitreichende Übereinkünfte mit den USA über Fluggast-Daten und auch E-Banking (SWIFT) betreffend.
Aber ja, eine maßlose allumfassende Aufzeichnung/Speicherung der "österreichischen Daten" wird es wohl nicht geben, einzelne Maßnahmen der Polizei/Geheimdienste die weiter gehen als die Gesetze es erlauben bestimmt (siehe VGT-Prozess).
Eine öffentliche Kontrolle dieser Tätigkeiten gibt es aber nicht, und auch keine Diskussion über die Befugnisse und tatsächlichen Überwachungstätigkeiten der Behörden hierzulande, womit ich wieder bei meinen Einstiegsfragen angelangt bin :)
Komisch, der Kommentar blieb im Spam-Filter hängen. Sorry! Sehr spannender Artikel auf FM4, kannte ich noch gar nicht. Danke!
Mir geht's gar nicht darum, Europa zu sehr in Schutz zu nehmen. Ich hab nur ein bisschen Angst, dass nun sehr schnell so ein generelles Wurschtigkeitsgefühl eintritt, so nach dem Motto: Jo, mei, es überwachen eh alle! Das wäre schlecht, weil das erst recht jene EU-Abgeordneten blockiert, die nun wieder Verschärfungen in die Datenschutzverordnung reinschreiben wollen. Was sicherlich generell eine gute Idee ist. Aber ja, der Tierschützerprozess wirft sicher kein gutes Licht auf das Vorgehen der Behörden...
übrigens:
http://derstandard.at/1369363661519/Bundesheer-Geheimdienst-soll-mit-NSA-kooperieren
"Etwa, dass für den Rest der Menschheit nicht die gleichen Menschenrechte gelten?"
Genau so kommt mir aber die Haltung vieler US-Amerikaner vor. Guantanamo ist nicht so schlimm, so lange keine Amerikaner dort sind. Und das F in FISA steht nicht umsonst für "Foreign". Klar, das sich ein Staat zuallererst um seine eigenen Bürger kümmert und eine Regierung um ihre Wähler. Gerade deshalb sollten in wir in Europa scharfe Datenschutzgesetze schaffen und uns nicht den Lobbyisten der großen (US-)IT-Unternehmen beugen.
Stimmt, leider entsteht dieser Eindruck derzeit tatsächlich. Wobei man ja sagen muss, dass Obama ursprünglich auch für das Versprechen, Guantanamo zu schließen, gewählt wurde. Es gibt sicherlich einige Amerikaner, die keine Freunde der Außenpolitik ihres Staates sind.
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Mal sehen wie viele Studien über die Sinnlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung benötigt werden um sie wieder abzuschaffen. Leider sind die Regierungen einfach so datensammelwütig.
Nachdem es jetzt eh passiert ist sollte man das ganze System mit sinnlosen Informationen zumüllen, dann geht vielleicht in der Datenflut unter wann meine Oma mit ihrem Arzt über ihre Hüftprothese via Email kommuniziert hat... (Ja ich weiß, Inhalte werden nicht gepeichert - noch nicht...)