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Von Wien nach Cupertino

Milliardenfach werden Apps aufs iPhone geladen. Eine kleine heimische Firma setzt sich auf dem stark umkämpften Markt durch

Cupertino, Kalifornien. Alexander Stickelberger sitzt alle sechs Wochen im Hauptquartier von Apple. Der Computerkonzern lädt nur ausgewählte Softwareentwickler in seine Zentrale ein, der Wiener ist einer davon. “Wir treffen hier Apple-Mitarbeiter, vernetzen uns und bekommen einen Informationsvorsprung“, sagt der 35-Jährige. Näher ins Detail möchte er nicht gehen, in seiner Branche gibt es Verschwiegenheitsklauseln und Geheimhaltepflichten. Stickelberger ist Geschäftsführer von Nous. Die Firma entwickelt “Apps“, also Applikationen fürs iPhone und andere smarte Handys, Benutzer können diese Programme auf ihr Handy laden – ein Zukunftsmarkt.

Erst die Apps machen aus Handys ein tragbares Fotolabor, ein Navigationsgerät, eine kleine Spielkonsole, eine digitale Buchhandlung oder einen Radioapparat. Dank der kleinen Programme wird das iPhone zum Alleskönner, zum Schweizer Taschenmesser der Nullerjahre. 300.000 Applikationen werden allein im Onlinegeschäft von Apple angeboten, dem sogenannten App-Store. Bald erwartet Apple den zehnmilliardsten Download. Eine Milliarde Dollar verdienten die Softwareentwickler vergangenes Jahr über Apple. Firmen wie Nous wollen mitnaschen, bisher gelingt das den Österreichern ganz gut.

15. Bezirk, Wien. Hier ist Nous zu Hause. Eine ehemalige Schaufensterpuppenfabrik wurde in ein stylishes Bürogebäude umgewandelt, das 15-köpfige Team entwirft Applikationen für Mercedes und Red Bull, fürs Europäische Parlament und das San Francisco Museum of Modern Art. Mittlerweile gibt es auch zwei Niederlassungen in den USA und Dänemark. Wie schafft es die kleine österreichische Firma, sich gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen?

Eine gute App zu entwerfen ist eine hohe Kunst. Als der App-Store neu eröffnet hatte, machten manche Hobbyprogrammierer Irrsinnssummen. Heute ist das Geschäft viel schwieriger geworden. “Mittlerweile ist der Enduser-Markt sehr übersättigt“, sagt Stickelberger. Vom virtuellen Fitnesstrainer bis zur digitalen Zeitungsausgabe, für nahezu jeden Zweck gibt es bereits unzählige Programme. Es ist ein Mythos, dass man im App-Store so leicht reich werden kann. Etliche iPhone-Programme rentieren sich nicht – die Konkurrenz ist zu groß, zu billig. Viele Apps werden um nur 79 Cent angeboten. Die meisten heruntergeladenen Programme sind überhaupt gratis.

Firmen wie Nous finanzieren sich über Aufträge großer Marken, Hotels, Museen. Für eine professionelle App muss man zwischen 10.000 und 50.000 Euro zahlen, heißt es in der Branche. Die Apps sind inzwischen ein großer Geschäftszweig. Nous versucht zum Beispiel, mit besonders gutem Design und intuitiver Bedienung zu punkten. Im Team arbeiten Programmierer, Designer und sogar eine Psychologin. “Der Mensch kann auf einen Blick nur fünf bis sieben Punkte erfassen“, erklärt Eva-Maria Michelcic, die als Projektmanagerin für die Presse-Applikation zuständig ist. Die Tageszeitung gibt es auch als kostenlose digitale Version am iPhone oder iPad, dem Tablet-Computer von Apple. Statt umzublättern, wischt man einmal über das Display; um einen Text zu lesen, tippt man mit dem Finger darauf. Eine schöne Fusion aus Zeitungsoptik und iPhone-Haptik. Für die Software wurde Nous ausgezeichnet: Apple kürte sie zu einer der besten Applikationen des Jahres 2010.

Viele Verleger stecken große Hoffnungen in die Apps. Vielleicht wird die Zeitung künftig über digitale Lesegeräte wie das iPad verkauft. Gleichzeitig birgt das App-System aus Cupertino Gefahren. Der Weltkonzern bestimmt ganz allein, welche Apps am iPad und iPhone installiert werden dürfen. Immer wieder fliegen Programme aus dem Store, weil sie den Kaliforniern zu anzüglich oder zu provokant erscheinen. Der Pulitzerpreisträger und Cartoonist Mark Fiore wurde zum Beispiel zensuriert, weil sich seine Satire-App über öffentliche Personen lustig machte. Nun wurde bekannt, dass Apple bei den kaufbaren Zeitungsapplikationen strenger eingreifen will. Wer eine Printzeitung abonniert, soll die iPad-Version künftig nicht mehr gratis erhalten. Der Konzern will mitnaschen, kein Wunder, erhält er doch bei jeder verkauften App 30 Prozent des Umsatzes. “Man hat die Wahl, sich dem unterzuordnen oder nicht mitzumachen“, so Stickelberger. Also fügen sich Firmen wie Nous und sogar große Verlage. Lieber mit Magengrummeln dabei sein, als etwas zu versäumen.

Langsam steigt allerdings der Druck auf Apple. Die Konkurrenz wächst, Google setzt seine Android-Handys massenweise ab, das Windows Phone 7 ist eine weitere Alternative zum iPhone. Nous entwickelt auch für diese Handytypen Applikationen, die Wiener sind bestrebt weiterzuwachsen. Das iPad eröffnet ihnen neue Geschäftsfelder, die Niederlassung in den USA wollen sie ausbauen. Derzeit sitzen dort nur drei Personen. “In den USA sehen wir noch mehr Zukunftspotenzial als in Europa“, meint Stickelberger. Er ist überzeugt: Die mobilen Apps sind nicht bloß Hype, sondern ein weiterer Meilenstein in der Computergeschichte.

 

Dieser Artikel erschien im Falter (Ausgabe 3/11). Foto: Katharina Gossow

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  • Hat nichts an Schlagkraft eingebüßt dieser Artikel! Tolle Sache :-)

  • Guten Tag

    Ein interessanter Artikel über die Art der Berichterstaatung vom ORF:

    Mein Montevideo – Völkermord in Uruguay – der ORF und die Lügenpresse

    http://wipi.at/immoblog/uruguay-voelkermord

    Nicht rechte Populisten schaffen Rechtsextreme, sondern die Lügen die von linken Gutmenschen verbreitet werden - die Anführer arbeiten beim ORF!

    schönen Feiertag

    • Diese Strategie der rechten Populisten hat schon einen Bart: Rollen drehen: die Linken sind Schuld. Dieses Schubladendenken loest kein einziges Problem, von denen wir zu Genuege haben. Ich bin gerne ein Gutmensch - uebrigens eines der aergsten Schimpfwoerter.

  • Grossartig ihre Beiträge bei den heutigen Alpbach Talks. Bin ab sofort Profil Abonnent.

  • Herzlichen Dank für Ihren ausserordentlich beeindruckenden Beitrag bei den heutigen Alpbach Talks. Ich würde Sie gerne für einen Diskussionsabend auf der FH Vorarlberg gewinnen und mich deshalb über eine Rückmeldung freuen.

  • der Artikel ist immer noch top aktuell! man findet ihn immer noch ganz oben bei Google wenn man nach dem richtigen keyword sucht! :-) Bei dieser Gelegenheit möchte ich natürlich nicht verabsäumen, auch die besten Wünsche für das neue Jahr 2017 zu übermitteln 

  • ein wirklich ewig aktueller Beitrag wie man auch anhand verschiedener Meinungen sehr gut sehen kann! vielen Dank auch von mir fürs Teilen

  • Liebe Ingrid Brodnig,
    wir bereiten gerade eine Diskussionsveranstaltung zu "Hass im Netz" vor, die wir im Medienzentrum beim Kirchentag auf dem Weg in Magdeburg veranstalten möchten. es ist uns sehr wichtig, dass wir die verschiedenen Seiten diskutieren und nicht beim Jammern verbleiben, sondern gemeinsam darüber nachdenken, was wir alle tun können. Dafür wären Sie eine sehr geeignete Gesprächspartnerin.
    Ihr Buch würde darüber natürlich auch noch einmal mit beworben werdne und bekannter gemacht werden, was mir übrigens sehr gefällt.
    Hier die Daten für die Veranstaltung, bitte schauen Sie doch zeitnah, ob es Ihnen möglich wäre, and er Diskussion teilzunehmen.
    Podium "Hass im Netz"
    Datum: Fr, 26. Mai 2017, 14.30 - 16.00 Uhr
    Ort: Zentrum Digitalisierung und Neue Medien, Festung Mark, Magdeburg, im Rahmen des Kirchentag auf dem Weg
    weitere ReferentInnen (z.T. zugesagt, z.T. angefragt): Julia Schramm/Fachreferentin für Haed Speech, Christof Breit/ Social media Beauftragter der Bayrischen landeskirche, Renate Künast/MdB,Partei Die Grünen, evtl. ein Hasskommentator, der sich der Debatte stellt.
    Über eine sehr rasche Antwort würden wir uns freuen.
    Herzliche Grüße, Annette Berger (Programmausschussvorsitzende des Kirchentag auf dem Weg/Magdeburg)

  • Vielen Dank - Das sind klare Worte!!
    Besonders wichtig in einer Zeit, wo man so viel Irritierendes hört. Und da sind immer wieder die rechten Populisten vorne dabei. So postet letztlich sogar ein HC Str., dass im auffällt, die Sprache würde zusehends verrohen! NA SOWAS!! Wo doch gerade ER und seine Mitstreiter dazu besonders fleißig und regelmäßig die deftigsten Beträge verfassen .....

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