Misstrauen Sie Zahlen auf Facebook!
Die Likes und Kommentare auf der Plattform spiegeln nicht unbedingt die Popularität von Parteien wider – sondern eignen sich gut für politische Inszenierung. Das zeigt unser neue Digitalreport
Würde die Zahl der Likes und Shares auf Facebook bestimmen, wer die Macht im Land hat, dann wäre Heinz-Christian Strache schon seit Jahren Österreichs Bundeskanzler. Allerdings ist die Realität dann doch eine Spur anders, als es auf Facebook den Anschein hat. Strache mag auf der Plattform der dominanteste Politiker sein, er ist das aber nicht gemessen an den Wählerstimmen.
Wir haben drei Millionen Facebook Likes und hunderttausende Kommentare ausgewertet – und das Ergebnis im Digitalreport publiziert. Der Bericht liefert einen Einblick, wie die Parteien Facebook nutzen, welches Feedback sie ernten und wie hart der Wettbewerb um politische Fans geworden ist. Drei Millionen Österreicher sind jeden Tag auf der Plattform. Jeder von ihnen sollte verstehen: Was wir auf Facebook sehen, ist kein Abbild der Realität, sondern ein Zerrspiegel – in dem Politiker populärer wirken können als sie es sind und ein verzerrter Eindruck entstehen kann, was „das Volk“ denkt.
Die Sichtbarkeit auf Facebook wird wesentlich durch Likes, Kommentare und Shares bestimmt: Je mehr Interaktion eine Partei hat, desto mehr Bürgern werden ihre Postings angezeigt. Hier reüssieren die Freiheitlichen: 42 Prozent der Likes, Kommentare und Shares verbuchen FPÖ und Strache. 32 Prozent erhalten Sebastian Kurz und die ÖVP. 19 Prozent gehen an SPÖ und Christian Kern. Die restlichen Krümel der Interaktion teilen sich Neos, Liste Pilz und Grüne auf. Facebook ist ein Dreikampf, den die FPÖ dominiert. Bei der letzten Nationalratswahl hingegen belegte die FPÖ Platz 3 – echte Dominanz sieht anders aus.
Interessant ist, wofür die Parteien ihre Facebook-Reichweite nutzen: Kein Medium wird so häufig verbreitet wie die „Kronen Zeitung“ – vor allem dank Strache. Er hat in nur fünf Monaten 139 Mal Artikel oder Videos des Boulevardblatts verlinkt. Fast jeden Tag postet der FPÖ-Chef etwas von krone.at. Einst trug eine berühmte Doku über die „Krone“ den Namen „Tag für Tag ein Boulevardstück“, heute müsste es wohl heißen „Tag für Tag ein Strache-Posting“ – denn offensichtlich profitiert die „Krone“ auch von der Postingflut des Vizekanzlers.
Damit hatten die frühen Internet-Utopisten nicht gerechnet: Dass eines Tages Populisten die digitale Debatte anführen und dort Boulevardmedien verbreiten. Einst herrschte der schöne Gedanke, dass das Internet ein Tool der Aufklärung sein wird und online jeder Bürger seine Stimme erhebt. Die Praxis sieht anders aus: Wir sammelten sämtliche Kommentare, die User im Jahr 2017 bis zur Wahl bei den Parteien und Spitzenkandidaten gepostet haben. Das waren insgesamt 770.000 politische Kommentare. Die Debatte ist groß, aber nicht jeder nimmt daran teil. Unter jenen Usern, die mitdiskutierten, stach eine kleine Gruppe hervor: 20 Prozent der User posteten 73 Prozent aller Kommentare. Eine laute Minderheit lieferte die absolute Mehrheit der Postings.
Also: Vorsicht vor Jubelmeldungen über Facebook-Zahlen, mit denen sich Parteien schmücken. Noch grotesker ist, was manche Online-Medien veranstalten: Boulevardseiten wie krone.at machen Abstimmungen auf Facebook, wer der bessere Kanzler wäre (wer auf „Like“ klickt, stimmt für Kurz; wer „Love“ klickt, votiert für Kern). Im schlimmsten Fall lässt sich ein Teil der Wähler von solchen Votings beeindrucken und glaubt, die Meinung „des Volkes“ darin zu erkennen. Wir sehen hier vor allem die Meinung der „Krone“-Community – und wie die „Krone“ auf Facebook um Klicks bettelt.
Erschwerend kommt hinzu: Erfolg lässt sich kaufen. Gute Zahlen auf Facebook können eine Folge von Werbegeldern sein. Wenn eine Partei viel Geld in das „Promoten“ ihrer Beiträge steckt, werden diese umso mehr Bürgern eingeblendet – und die Chance steigt, dass ihre Posts viele Likes und Kommentare erhalten. Wir können von außen nicht erkennen, wie viel Geld eine Partei in Facebook-Werbung investiert. Solange dies nicht messbar ist, eignet sich die Plattform gut für undurchsichtige politische Stimmungsmache.
In den USA ändert sich das aktuell: Nach etlichen Skandalen führte Facebook ein Archiv für politische Werbungen ein. Seit Mai wird aufgelistet, in welcher Höhe in etwa Parteien Geld in Postings stecken. Donald Trump gab in rund acht Wochen umgerechnet 230.000 Euro für Facebook-Inserate aus. Er ist laut einer Studie der New York University der größte politische Inserent auf der Plattform. Es ist gut, dass Facebook in den USA mehr Transparenz bietet, wann dieses Service auch nach Österreich kommt, ist aber bisher unklar. Wir müssten dabei gar nicht auf Facebooks Initiative warten: Auch gesetzlich kann Transparenz vorgeschrieben werden. Parteien sollten verpflichtet werden, offenzulegen, wieviel Geld sie in politische Inserate auf Plattformen stecken und welche Zielgruppe sie adressieren. Für faire Wahlkämpfe braucht es solche Transparenz.
Der Digitalreport hat ein paar interessante Erkenntnisse zutage gebracht – er zeigt zugleich, wie wenig wir eigentlich über die Klickerfolge auf Facebook wissen. Die einzige Gegenwehr als Nutzer ist, umso skeptischer zu sein. Glauben Sie bitte keiner Facebook-Statistik, die Sie nicht selbst mit Werbung, Likes oder vielen Postings geschönt haben.
Zum Digitalreport:
Er ist eine Datenauswertung und wird von mir als Digital Champion Austria (eine unabhängige Funktion zur Verbesserung des Wissens über die Digitalisierung) in Kooperation mit Datenanalyst Luca Hammer und Art-Direktorinnen Anna Hazod und Isabella Schlagintweit erstellt. Den Bericht finden Sie gratis unter digitalreport.at
Dieser Text erschien zuerst in der Wiener Wochenzeitung Falter – wo er als aktueller Kommentar publiziert wurde. Illustration: Anna Hazod für den Digitalreport
View Comments
Drinking water throughout your day helps you to prevent disease,
your optimal weight, as it dieting is so hard should.
For the study, Gardner and his colleagues looked at data from 300 overweight
or obese, advise people that cutting calories by a certain amount of fat to be
healthier. That is something to think about all the hoopla over his
weight.
Was ich spannend finden würde:
Wie wird eigentlich in Österreich überwacht?
Was macht die Polizei & der Verfassungsschutz?
Was die beiden militärischen Geheimdienste?
Vor allem: was dürfen die rechtlich - was machen sie faktisch, also wie weit wird die Rechtsstaatlichkeit bewahrt?
Nun, zur rechtlichen Lage hat der Sprecher des Innenministeriums Stellung genommen. Siehe: http://derstandard.at/1369363164908/Bespitzelung-a-la-PRISM-In-Oesterreich-ausgeschlossen
Inwieweit andere Staaten (etwa Österreich) auch geheime Programme haben oder die Ermittler mehr tun, als sie dürfen, kann man natürlich nicht sagen - wobei ich mir bei der Vorstellung schwer tue, dass Österreich ein ähnliches Spitzelprogramm hat. Weder haben wir große IT-Konzerne bei uns sitzen, noch einen Patriot Act, der sehr vieles sehr Problematisches möglich macht.
Und zum Vergleich mit der Vorratsdatenspeicherung:
Von manchen wird PRISM mit der Vorratsdatenspeicherung verglichen, was aber irreführend ist ist. Ich bin wahrhaft keine Freundin der Vorratsdatenspeicherung, aber sie ist mit PRISM nicht vergleichbar. PRISM ist ein geheimes (!) Programm, das Daten abzapft. Laut den internen Dokumenten kann die NSA auf E-Mails, Fotos, Videos, Chatprotokolle zugreifen. Das geht viel weiter als die Vorratsdatenspeicherung, bei der sogenannte Verbindungsdaten gespeichert werden - also nicht der Inhalt einer E-Mail, sondern die Information, wann wer mit wem wo gemailt hat. Es geht mir keine Sekunde darum, die Vorratsdatenspeicherung zu verharmlosen, nur werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.
PRISM ist ein Geheimprogramm, von dem wir nur dank einem Whistleblower erfahren haben und das offensichtlich viel weitreichender ist als alle anderen Überwachungsmethoden, von denen wir bisher wissen.
hier vielleicht ein interessanter Link/anderer Blick: http://nakedsecurity.sophos.com/2013/06/10/prism-not-as-bad-as-you-thought-and-dont-call-it-prism/
ich glaube auch überhaupt nicht, dass Österreich hier ähnliche Programme unterhält, auch ein Vergleich mit der VDS liegt mir fern. PRISM scheint ja vielmehr sowas wie Echelon zu sein nur weit umfassener, das ist eine ganz andere liga als die Vorratsdatenspeicherung.
Aber natürlich gibt es auch in Europa eigene Überwachungsbestrebungen, wie hier http://fm4.orf.at/stories/1719346/ etwas kompliziert beschrieben. Da wird Österreich sicher auch mit an board sein.
Darüber hinaus wird zb das Projekt INDECT betrieben. (https://de.wikipedia.org/wiki/INDECT)
Und, wieder anderes Thema, es gibt ja momentan schon weitreichende Übereinkünfte mit den USA über Fluggast-Daten und auch E-Banking (SWIFT) betreffend.
Aber ja, eine maßlose allumfassende Aufzeichnung/Speicherung der "österreichischen Daten" wird es wohl nicht geben, einzelne Maßnahmen der Polizei/Geheimdienste die weiter gehen als die Gesetze es erlauben bestimmt (siehe VGT-Prozess).
Eine öffentliche Kontrolle dieser Tätigkeiten gibt es aber nicht, und auch keine Diskussion über die Befugnisse und tatsächlichen Überwachungstätigkeiten der Behörden hierzulande, womit ich wieder bei meinen Einstiegsfragen angelangt bin :)
Komisch, der Kommentar blieb im Spam-Filter hängen. Sorry! Sehr spannender Artikel auf FM4, kannte ich noch gar nicht. Danke!
Mir geht's gar nicht darum, Europa zu sehr in Schutz zu nehmen. Ich hab nur ein bisschen Angst, dass nun sehr schnell so ein generelles Wurschtigkeitsgefühl eintritt, so nach dem Motto: Jo, mei, es überwachen eh alle! Das wäre schlecht, weil das erst recht jene EU-Abgeordneten blockiert, die nun wieder Verschärfungen in die Datenschutzverordnung reinschreiben wollen. Was sicherlich generell eine gute Idee ist. Aber ja, der Tierschützerprozess wirft sicher kein gutes Licht auf das Vorgehen der Behörden...
übrigens:
http://derstandard.at/1369363661519/Bundesheer-Geheimdienst-soll-mit-NSA-kooperieren
"Etwa, dass für den Rest der Menschheit nicht die gleichen Menschenrechte gelten?"
Genau so kommt mir aber die Haltung vieler US-Amerikaner vor. Guantanamo ist nicht so schlimm, so lange keine Amerikaner dort sind. Und das F in FISA steht nicht umsonst für "Foreign". Klar, das sich ein Staat zuallererst um seine eigenen Bürger kümmert und eine Regierung um ihre Wähler. Gerade deshalb sollten in wir in Europa scharfe Datenschutzgesetze schaffen und uns nicht den Lobbyisten der großen (US-)IT-Unternehmen beugen.
Stimmt, leider entsteht dieser Eindruck derzeit tatsächlich. Wobei man ja sagen muss, dass Obama ursprünglich auch für das Versprechen, Guantanamo zu schließen, gewählt wurde. Es gibt sicherlich einige Amerikaner, die keine Freunde der Außenpolitik ihres Staates sind.
Great information. Lucky me I discovered your site by
accident (stumbleupon). I've book marked it for later!Visit my website at bike 4 chai
WOW just what I was looking for. Came here by searching for Journalismus
Incredible! This blog looks exactly like my old one!
It's on a entirely different topic but it has pretty much the same layout and design. Great choice of colors!
Mal sehen wie viele Studien über die Sinnlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung benötigt werden um sie wieder abzuschaffen. Leider sind die Regierungen einfach so datensammelwütig.
Nachdem es jetzt eh passiert ist sollte man das ganze System mit sinnlosen Informationen zumüllen, dann geht vielleicht in der Datenflut unter wann meine Oma mit ihrem Arzt über ihre Hüftprothese via Email kommuniziert hat... (Ja ich weiß, Inhalte werden nicht gepeichert - noch nicht...)