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Generation Neon

Andere Magazine verlieren Leser, Neon legt trotz Wirtschaftskrise an Auflage zu. Wie das junge Lifestyle-Magazin das schafft




Für Sabine Jenewein ist das Leben vor allem eines: ungewiss. Will sie nach dem Studium nach Indien gehen und dort Kindern Deutsch beibringen? Will sie Lehrerin an einer Wiener Schule werden oder ins ländliche Tirol zurück? Oder will sie ganz etwas anderes machen? „Es gibt so viele Möglichkeiten. Und in meinem Bekanntenkreis fragt sich jeder: Mach ich das Richtige? Will ich etwas anderes machen?“, sagt die 21-Jährige. Weil sie unsicher ist, liest sie Neon. Das Monatsmagazin ist eine der jüngsten Erfolgsgeschichten am deutschen Zeitschriftenmarkt. Und das, obwohl es erst neulich mit gefälschten Interviews Schlagzeilen machte.

Neon spricht junge Erwachsene wie die Tirolerin Jenewein an, die sich irgendwo zwischen Einführungsvorlesung und den ersten Erfolgen im Berufsleben, zwischen Nestflucht und eigener Familiengründung befinden. Ausgabe für Ausgabe signalisiert das Magazin: Ich verstehe dich, du bist nicht allein mit deinen Hoffnungen und Zukunftssorgen.

Auf dem angeschlagenen deutschen Printmarkt sind viele Herausgeber schon glücklich, wenn sie wenigstens keine Leser verlieren. Renommierte Zeitungen wie die Süddeutsche streichen Stellen, viele Anzeigen sind längst ins Internet abgewandert, dorthin, wo die Jungen sind. Zumindest könnte man das glauben. Neon ist der Beweis, dass junge Erwachsene sehr wohl noch Zeitungen kaufen. Das Magazin stellt Fragen, über die viele abends mit ihren Freunden diskutieren oder insgeheim nachdenken: Bin ich ein böser Mensch, wenn ich meinem besten Freund den Erfolg nicht vergönne? Was tut man, wenn man beim Zusammenziehen stilistisch völlig auseinander liegt? Woran erkenne ich, dass ich das Falsche studiere? „Es gibt immer einen Artikel, bei dem ich mir denke: Das spricht mir aus der Seele“, sagt Jenewein, sie steht stellvertretend für viele andere Neon-Käufer: etwa den 31-jährigen PR-Fachmann Stefan, der über die lustigen Rubriken schmunzelt, und den 19-jährigen Maturanten Daniel, der sich für die „Problemchen“ seiner Altersgruppe interessiert. In Deutschland hat Neon laut Media-Analyse 930.000 Leser, der Verkauf steigt in Zeiten der Krise. Aber geht es dem Heft um Auflage oder um Aufklärung? Kann man es als Bravo für Bobos abtun?

Das Konzept entwickelten Münchner Journalisten – mit dem Geld des Gruner+Jahr-Verlags erschien 2003 die erste Nummer. Neon ist mainstreamig, das Cover gefällig. Vielleicht ist es aber mehr als der Versuch, Mittzwanzigern bedrucktes Papier anzudrehen. Vielleicht ist es sogar die Zukunft des Magazinmarkts: für jedes Lebensgefühl die richtige Publikation. Man muss nur wissen, worüber sich die jeweilige Zielgruppe den Kopf zerbricht.

Darin ist Timm Klotzek Experte. Er hat Neon mitentwickelt, ist mit Michael Ebert Chefredakteur und sitzt in seinem Büro in der Münchner Redaktion. Gegenüber liegt der triste Parkplatz eines Diskonters. Wäre da nicht das Logo von Gruner+Jahr, kein Mensch würde glauben, dass ausgerechnet hier, in diesem unscheinbaren Bürohaus außerhalb des Stadtzentrums, das Hochglanzmagazin entsteht. „Neonartig ist ein eigener Begriff geworden“, sagt Klotzek, „Wir haben eine eigene Art der Fotografie, einen identifikatorischen Journalismus, bei dem die Leute nicken und sagen können:, Verstehe ich, das geht mir genauso.‘“

Der Chefredakteur ist 37, also älter als die eigentliche Zielgruppe, und hat bereits Kinder. Er kann aber viel über die klassischen Neon-Leser erzählen: Sie wollen im Leben vorankommen, irgendwann haben sie es satt, auf WG-Partys die Schuhe auszuziehen und Chili con Carne zu essen. „Gleichzeitig fahren sie durch eine Vorstadt, wo diese Doppelhaushälften mit Garage stehen, und denken sich:, Oh Gott, bei mir ist es auch bald so weit, so wollte ich doch niemals enden.‘“

Die Schwierigkeit des Erwachsenwerdens beschreibt auch die 21-Jährige Jenewein. Sie erzählt von ihren Eltern in der Tiroler Heimat, die eine Lehre machten, früh heirateten, Kinder kriegten, ein Haus bauten. Viele 20- bis 30-Jährige sehen das Leben ihrer Eltern und können damit nichts anfangen. Das war schon vor 50 Jahren so, nur hat sich diese Phase der existenziellen Unsicherheit und des Selbstfindungsprozesses verlängert. Die gesellschaftliche Sicherheit bröckelte Stück für Stück weg. Der Job? Nur ein Praktikum. Heiraten? Wer weiß, ob das hält. Kinder? Vielleicht in fünf Jahren. Aus diesem Gefühl heraus entstand der Neon-Slogan: „Eigentlich sollten wir erwachsen werden.“ Eine Zeit lang war das auch die Unterzeile am Cover.

Neon greift Themen auf, die Mittzwanziger beschäftigen. Die gerechte Verteilung zwischen Frauen und Männern beispielsweise. Aber da wird nicht mehr die Abtreibungsdebatte der 70er-Jahre geführt, sondern über den Sexismus 2.0 berichtet. „Im Internet kocht und häkelt die Frau, das große Wort führt der Mann“, schreibt Neon. Und Leserinnen wie Sabine Jenewein nicken. Ja, das stört sie auch.

Freilich bietet Neon einen Mix aus Erklärjournalismus, Unterhaltungselementen, gefälliger Popberichterstattung und politischen Reportagen. Vor allem ist es aber Identifikationsfläche. Bereits beim Cover wird darauf geachtet, dass die hübschen Menschen natürlich aussehen. Bildchef Jakob Feigl setzt nur behutsam Photoshop ein. „Man muss das Gefühl haben, man ist auf Augenhöhe“, meint er. Oft schauen die Fotos aus, als handle es sich um Schnappschüsse von der letzten Party. Tatsächlich engagiert das Magazin renommierte Fotografen, der Großteil der abgedruckten Bilder wird eigens für das Blatt geschossen.

Überraschend ist, dass vor Neon keiner diese Lücke am Medienmarkt besetzte. Im Gegenteil: Neon entstand erst, nachdem sein Vorgängermagazin gescheitert war. Die Süddeutsche stellte 2002 ihre beliebte Jugendbeilage Jetzt ein, auch 8000 Protestunterschriften und eine Demonstration änderten nichts daran. Klotzek und der Großteil des Neon-Gründungsteams arbeiteten damals dort, dann trat die Stern-Chefredaktion, die zu Gruner+Jahr gehört, an sie heran. Sie bekamen die Chance, ein neues Magazin zu entwerfen. 2006 wurden Klotzek und Ebert vom Medium Magazin als „Journalisten des Jahres“ ausgezeichnet.

Über den Medienmarkt sagt dieser Erfolg viel aus. In den letzten Jahren werden Publikationen zunehmend für ein spezielles Publikum maßgeschneidert. Zuletzt brachte Gruner+Jahr gleich drei Lifestyle-Magazine für Männer heraus: Beef legt besonderen Wert auf deftiges Kochen, Gala Men auf Mode, Business Punk auf Wirtschaft.

„Ich glaube, in absehbarer Zeit wird es keine riesigen Zeitschriften mehr geben. Es wird kleiner, spezifischer“, sagt Klotzek. Er selbst hat das Neon-Prinzip nun weiterentwickelt und leitet auch Nido, ein Magazin speziell für junge Eltern. Wieder geht es um Lebensgefühljournalismus: Statt die besten Kinderwägen zu testen, wird laut darüber nachgedacht, ob die eigenen Kinder das Sexleben zerstören.

Natürlich kann man sich über diese Art von Journalismus lustigmachen. Nido, das Magazin für die Restsexualität junger Eltern, Business Punk, die Bravo für BWL-Studenten. Einige Kollegen zeigen offen ihre Häme. „Manche finden, es sei ein Zeitgeistblättchen für eine merkwürdig unpolitische Generation. So wichtig für die Aufklärung des Abendlands wie ein Actimel-Joghurt“, schrieb etwa der Spiegel.

Andere Journalisten verwundert diese Kritik: „Natürlich ist das kein Spiegel für Junge“, sagt Armin Wolf. Der ORF-Moderator analysierte für seine Master-Arbeit die politische Berichterstattung von Neon. „Das sind solide Geschichten, die auch im Stern oder im Profil stehen könnten“, meint er. Für ein Lifestyle-Magazin behandelt Neon überraschend viele Politikthemen, es fliegt seine Journalisten eigens nach Gaza, Pakistan oder New Orleans, wo diese manchmal wochenlang an Reportagen recherchieren. Der Vorwurf, Neon sei unpolitisch, stimmt und ist falsch zugleich. Das Blatt kann in diesem Punkt nicht mit Nachrichtenmagazinen konkurrieren, aber es ist schon etwas förderlicher für die Aufklärung als ein Joghurt-Drink.

Einen Skandal hat Neon in sieben Jahren erlebt: den Fall Ingo Mocek. Der Journalist schrieb über Popmusik und sollte Stars wie Beyoncé Knowles oder Snoop Dogg interviewen. Stattdessen erfand er Passagen oder ganze Gespräche. Als das im März aufflog, entließ ihn Neon. Die Chefredaktion trat selbst an die Leser. „Es gibt überhaupt kein Interesse, das zu vertuschen“, meint Klotzek, „wir haben gesagt:, Da ist was ganz Schlimmes bei uns passiert, da gibt es nichts schönzureden.‘“ Das Hochglanzmagazin leistet sich als eine von wenigen deutschen Redaktionen eine eigene Dokumentation. Das heißt, jedes Fakt in jedem Artikel wird von einer Mitarbeiterin noch einmal überprüft. Der entlassene Journalist habe die Kollegen hinters Licht geführt, sagt der Chefredakteur. Gleichzeitig hat Neon bei freien Autoren nach wie vor einen guten Ruf, hier werden angemessene Honorare und Recherchereisen bezahlt. Für die großen Reportagen gibt es mitunter vierstellige Summen. Mittlerweile eine Ausnahme, selbst in der deutschen Medienbranche.

Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum Neon funktioniert. Hier findet kein billiger Schmuddeljournalismus statt wie in vielen anderen Lifestyle-Publikationen. Zwischen Gesichtscremetests und bezahlten Kosmetikinseraten verwischt dort oft die Grenze zwischen unabhängiger Berichterstattung und Werbung. Viele Artikel sind vorhersehbar. Angeblich interessieren sich Frauen im Winter für Keksebacken und im Sommer für die Bikinidiät. Männer hingegen schauen Sport und trainieren den nicht vorhandenen Waschbrettbauch. Oder wie Timm Klotzek das sagt: „Der Frauenmagazinmarkt funktioniert über Psychodruck. Die sagen:, So hat dein Kleiderschrank auszuschauen, so dein Hintern, so dein Sexleben.‘ Die Männerzeitschriften sind hingegen in der Regel so ein bisschen schmierig. Wenn Besuch kommt, der einem wichtig ist, räumen viele das Männermagazin vom Couchtisch.“

Mit solchen Zeitungen kann auch Neon-Leserin Sabine Jenewein nichts anfangen. „Die besten Modetipps für den Sommer? Das hat nichts mit meinem Leben zu tun“, sagt sie. So banal die Lektion klingen mag, so sehr ergibt sie Sinn: Medien sind dann ganz besonders erfolgreich, wenn sie an den Lebensalltag der Menschen andocken. Und wenn einen zwischendurch ein paar sympathische Gesichter anlachen, schadet das auch nicht.




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Neon in Zahlen
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231.136 Stück wurden im Schnitt im ersten Quartal 2010 verkauft

124.940 Exemplare waren es fünf Jahre zuvor, das ist eine Steigerung um 85 Prozent

2003 erschien das Magazin erstmals

34 Mitarbeiter zählt die Redaktion heute

20 bis 35 Jahre alt sind die meisten Leser

2 Chefredakteure gibt es, Timm Klotzek und Michael Ebert



Dieser Artikel ist im Falter 19/10 erschienen. Illustration: Bianca Tschaikner / Cover: Neon

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  • Die Inhalte der Postings entsprechen sicher nicht der feinen englischen Art. Aber Hass, eher
    Nein. Sie bringen – zugegeben auf recht derbe Weise – das wieder, was die Bevölkerung
    von Heinisch-Hosek hält. Nämlich nicht sehr viel. Die SPÖ-Politikerin ist allgemein (und
    das hat nichts mit Gabalier zu tun) sehr unbeliebt. Sie ist abgehoben, präpotent und arrogant.
    Diese mehr als 14.000 Postings wurden von Personen aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten verfasst und sind daher in der Auswertung aussagekräftiger, als jede ach so repräsentative Umfrage eines Meinungsforschungsinstitutes.

    • Es ist immer schwierig zu definieren: Was ist ein Hassposting? Ab wann kann davon die Rede sein? Ich vermute, wir zwei haben da nicht die gleiche Definition, möchte ich einwenden

  • Kleine Korrektur: Gabalier ist kein Volksmusiker, sondern ein volksdümmlicher Musiker.
    Ansonsten super Artikel.

  • Ich hatte früher großen Respekt vor Heimisch-Hosek,
    aber sie ist nur bei bestimmten Frauen-Themata selbstsicher.
    Leider hat sie ebenfalls vollkommen in ihrer vorherigen letzten Position (Beamtenministerin) und aktuellen Position (Unterrichtsministerin) voll versagt.
    Die Bienalsprünge sind noch immer da und die werden der Republik viel Geld kosten und das Bildungssystem ist nicht einmal auf dem Weg zu einer Reform.
    Versagen gehört zum Leben, ich versagte und scheiterte auch einmal im Leben und zog die Konsequenzen und trat zurück.

    Leider kann das die Frauenministerin nicht, aber diese Schwäche betrifft nicht nur sie, sondern die ganze Bundesregierung.

    Sie ist nur stark bei gewissen Frauenthemen, aber bei Khol, Blecha, Hundstorfer, Neugebauer ist die gute so ein devotes Weiblein,
    das es ärger nicht mehr geht.
    Ich habe gehofft, dass Heinisch-Hosek hier tuff enough ist,
    aber leider hatte ich mich getäuscht und zu viel von ihr erwartet.

    • Ich glaube, Sie sind nicht der einzige, der von der Performance als Unterrichtsministerin nicht gerade überzeugt wurde. Die Pisa-Aufregung et cetera waren keine Glanzleistungen. Aber ich muss sagen, finde die Beschreibung "devotes Weiblein" ziemlich untergriffig - vielleicht könnte man das eine Spur neutraler formulieren. Als Frau stößt es mir übel auf, wenn andere Frauen als Weiblein bezeichnet werden - auch wenn ich verstehe, dass Ihre Kritik in erster Linie darauf fußt, dass Sie sich mehr erwartet haben!

      • Die einst sehr geschätzte Ministerin ist manchmal sehr provozierend, deswegen bediente ich mich auch des Stilmittels der Polemik.
        Es ist doch war, dass die Ministerin in Beantensachen sich nicht gegen die Macht des Neugebauers durchsetzen konnte.
        Das derzeitige Pensionssystem in der Altersgruppe 55+ bevorzugt generell Männer, besonders bei den Luxuspensionen.
        Da die Ministerin auch bei Frauenangelegenheiten diese Altersgruppe aussen vor ließ, habe ich bewusst provoziert.

        Oftmals wird das Gender-Pay-Gap von der Frauenministerin hergenommen. Ich möchte anmerken, dass das Gender-Pay-Gap in der Altersgruppe unter 30 nur marginal vorhanden ist. Das größte Gender-Pay-Gap ist in der Altersgruppe 50+ vorhanden. Viel größer als das Gender-Pay-Gap ist das Generation-Pay-Gap.
        Die Belastungen der jüngeren werden immer höher, es wird immer mehr Leustung abverlangt und durch die höheren Belastungen wird kommen geringere netto Gehälter heraus.

        Generationengerechtigkeit gibt es hier nicht und wer seinen Kindern eine öde abgewirtschaftete Wüste hinterlässt, der darf sich nicht wundern, wenn sich diese radikalen Ideen zuwenden.

  • Da schockierende ist, da posten Leute aus meiner Facebook-Timeline mit, die das auch noch stolz verkünden. Leute, die ich bis eben noch für aufgeklärte halblinke gehalten habe. Man merkt nicht nur bei dieser Aktion, dass sich die Leute im Recht fühlen, so zu agieren, was erlaubt sich diese Person, weg mit ihr! Die ist selbst schuld, das hat sie verdient, sie stellt sich gegen uns alle. Nicht die Taten, aber die Worte und Rechtfertigungen erinnern mich an einen Radiobericht aus 1938, den Peter Daser vor einiger Zeit auf Twitter verlinkte, in dem der Nazi-Reporter am Tag nach dem Synagogenbrand erklärt, warum das Volk das zurecht mache. Das sind ganz ähnliche Argumente! Von wenigen eindeutigen Postings abgesehen sehe im Heinisch-Hosek-Shitstorm allerdings gar nicht so sehr die feministische Komponente im Vorderdrund, sondern eher die Indentifikation mit dem vermeintlichen Helden, der es denen da oben zeigt. Ein männlicher Unterrichtsminister hätte hier nicht wesentlich weniger einstecken müssen.

    • Naja, also ich mag mir diesen Shitstorm aus psychohygienischen Gründen nicht anschauen, aber ich kenne die entsprechende "Diskussion" aus dem Standard-Forum. Und dort war es nach meinem Eindruck schon so, dass der antifeministische Aspekt im Vordergrund stand. Also nicht weil der Binnen-i-Verweigerer es "denen da oben" zeigt, ist er beliebt, sondern weil er "sich traut", es "den Feministinnen so richtig zu zeigen". Mir kommt es so vor, dass diese Wutbürger in Wirklichkeit nicht gegen "die da oben" sind, sondern eher nach dem klassischen Radfahrerprinzip handeln (nach oben buckeln, nach unten treten). So zumindest mein Eindruck.

    • Den Hinweis auf den "vermeintlichen Helden" finde ich sehr gut, tatsächlich wird da dem Musiker Gabalier die Rolle des Robin Hoods zugeschrieben, der sich mit den "Mächtigen" anlegt. Ich erinnere nur an einen weiteren solchen "Helden", der das politische System umkrempeln wollte: Frank Stronach. Wie das ausgegangen ist, wissen wir bekanntlich. Was die Frauen-Komponente betrifft, sind wir wahrscheinlich nicht einer Meinung. Ich bin auch dieser Ansicht, weil viele User dezidiert antifeministische Postings verfassen - und damit wäre ein männlicher Minister nun nicht konfrontiert. Aber man muss ja nicht überall zu 100 % einer Meinung sein: Let's agree to disagree (zumindest ein bisserl)!

  • Ich denke, dass die Hymne ein anderes Problem in Wahrheit betrifft.
    Die Leute haben einen tiefen Hass auf diese feudal beamtete Proporzregierung.
    Die Regierung ist komplett unfähig Reformen durchzuziehen, das System verschlingt Jahr für Jahr Milliarden an € mehr und es geht nur um dieae depperte Hymne, wie um Gessler seinen Hut.
    Weder sind die Frauen in der Altersgruppe 50+ gleichgestellt, noch wurden die feudal föderalen Ausgaben für den Hofstaat auf ein sinnvolles Maß reduziert. Da in Österreich ein sehr patriarchale unliberale Anti-Leister Gesinnung vorherrscht und die Regierung das vorlebt, darf frau sich nicht wundern, wenn das Volk das nachahmt.
    Eine Merkel würde es hier nie nach oben bringen, ebenso wenig wie ein Mario Draghi. Das System bevorzugt alte brave Parteisoldaten ohne Hirn und Männer bekommen den Großteil in den Parteien.

    daher sind die Töchter in der Hymne die reinste Verhöhnung und das Volk reagiert undifferenziert mit Wut.

  • Sehr geehrte Frau Brodnig!
    Einen klugen Kommentar haben Sie hier wieder abgeliefert. Wichtig finde ich auch den Hinweis, dass es egal ist, ob das Auftreten der Frau Minister hier unglücklich und peinlich ist oder nicht. So soll und darf mit einem Menschen, auch wenn er in der Öffentlichkeit steht, nicht umgegangen werden! Als Gegenmittel kann man allen Personen der Öffentlichkeit nur raten, nicht auf Plattformen aufzutreten, wo "jeder" mitposten kann, oder genügend Kontrollkapazitäten zu haben. Das ist schade; ich würde lieber in einer Gesellschaft leben, wo Menschen zivilisiert miteinander umgehen (auch medial) und der Begriff Shitstorm nicht existiert.
    Frau Brodnig, Sie sind eine der positivsten Erscheinungen im österreichischen Journalismus, was sich erst letztlich wieder durch ihre sachliche Auseinandersetzung zur "Klarnamendebatte" zeigte. Danke!

    • Vielen Dank für Ihre überaus freundlichen Worte! Leider stimmt es, dass viele Personen der Öffentlichkeit aufgrund dieser Angst diese offenen Plattformen meiden. Aber meine Hoffnung ist, dass in Zukunft die Social-Media-Kommunikation professioneller wird und gleichzeitig auch das Bewusstsein des einzelnen steigt, was noch ein angemessener Tonfall ist. Aber allein, dass wir diese Debatte führen, zeigt ja, dass dieses Thema vielen anscheinend wichtig ist.

  • Zum Thema AntifeministInnen ist eine interessante Beobachung, dass einige sozusagen aus den eigenen Reihen kommen. Viele Frauen verstehen das Verhalten ven sogenannten Emanzen und die Art zu integrieren auch nicht. Das Hauptproblem ist einfach das dieses Thema bis zum Exzess getrieben wurde und dadurch auch unser Kulturgut (Hymne) und unsere Sprache (Innen, die/der) verkompliziert und teilweise auch verschandelt hat. Diese hässlichen Kommentare unter der Gürtellinie sind definitiv Fehl am Platz und spiegelt leider einen Teil der Gesellschaft wieder, aber die Diskussion an sich ist leider schon überfällig und meiner Meinung auch angebracht und gerechtfertigt.
    Die Social Media Betreuer von Frau Bundesministerin haben leider ihr Berufsziel verfehlt.....auf einen Shitstorm (offene Brief der Grünen) so eine Stellung Beziehung ist politischer Selbstmord...aber da braucht man kein Genie zu sein um das zu erkennen. Fazit.....Gute und interessante Diskussion, PR-Berater vom Bundesministerium sollte deren Berufswahl nochmal kur überdenken, Kommentare mit Fikalsprache....naja manchmal ist es gut, dass diese Leute Nichtwählern gehen, FeministInnen einfach einmal reflektieren und darüber nachdenken ob manchmal weniger mehr ist!

  • Wieso werden die Morddrohungen gelöscht und nicht strafrechtlicher Verfolgung zugeführt? Hier gibt es nichts zu schützen.

    • Gelöscht wurden sie wohl, damit das nicht weiterhin so stehen bleibt. Ob es weitere strafrechtliche Konsequenzen geben wird, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Kann aber montags nochmal nachfragen, ob das Ministerium gegen einzelne Poster rechtlich vorgehen will.

  • Vielen Dank für die klaren Worte, ich finde die aktuellen Entwicklungen (auch) sehr bedenklich.

  • Die Anonymität des Internets zeigt uns nur, was schon lange prädigital in den Leuten brodelte. Aber nur über Sichtbares kann man diskutieren. Diese positiven Seiten sollte man auch sehen. Es mag tatsächlich im ersten Moment ein Schockeffekt eintreten, wenn man unbedarft auf eine Troll-Vorhölle stößt, aber das gibt sich mit der Zeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand, der ernsthaft zu einem Thema recherchiert und engagiert ist, von Trollen abschrecken lässt. Aus dem eigenen Blog kann man Trolle aussperren, bei Facebook und Google+ blockieren etc. Reine Beleidigungen kann man löschen. Wenn Beleidigungen mit Inhalten verknüpft sind, muss man halt entscheiden. Im Zweifel für den Troll, das ist meine persönliche Meinung. Ich möchte dass Menschen ihre Meinung sagen dürfen, auch die Frustrierten.

    • Ich sehe das anders: Sicher haben Sie Recht, dass viele dieser Gefühle auch schon früher da waren. Das Besondere an der digitalen Kommunikation ist aber, dass es dabei schneller zu verbalen Entgleisungen kommt, weil wichtige Signale fehlen, die auch die Empathie fördern. So fehlen in der schriftlichen Kommunikation im Internet viele nonverbale Signale und das führt dazu, dass Menschen mitunter gar nicht merken, wenn sie sich selbst in eine Rage reden und andere dadurch verletzen. Es fehlt zum Beispiel der Augenkontakt, der ein wichtiges Signal ist. Man sieht nicht, ob der andere nach einer Aussage gekränkt dreinblickt, ob Mithörende mit der Stirn runzeln oder ob die Stimme des anderen plötzlich leiser klingt. Das mag sich nach Nebensächlichkeiten anhören, ist es aber nicht: All diese Signale sind wichtig in der Gesellschaft, um einander (ganz unauffällig) Feedback zu geben und gegenseitig in einer Tonalität miteinander zu reden, die für alle in Ordnung ist. Dadurch, dass diese Signale online leider wegfallen, wird es oft schriller und das führt oft nicht zu mehr Erkenntnis oder einer ehrlicheren Debatte, sondern dass am Ende alle nur aufeinander wütend oder gekränkt sind. Dazu passend gibt's auch eine spannende Studie: http://www.nytimes.com/2013/03/03/opinion/sunday/this-story-stinks.html?_r=0

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