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Fotografierst du noch oder isst du schon?

Essen als Selbstinszenierung, das Gourmetrestaurant auf Knopfdruck in den eigenen vier Wänden: Wie die digitale Welt unseren Ernährungsstil beeinflusst und unser hedonistisches Bewusstsein schärft.

Freitagabend, Nina Heidorn kommt aus dem Büro heim. Vor der Wohnungstür in einem Wiener Außenbezirk steht ein großes Paket, gefüllt mit genau rationierten Lebensmitteln. Über das Internet haben die 29-Jährige und ihr Lebensgefährte Stefan Tacha diese “Kochbox” bestellt. Aus den zugestellten Nudeln, Salat, Erdbeeren und zahlreichen anderen Zutaten lassen sich exakt drei Mahlzeiten für zwei Personen herstellen. Die Rezepte werden natürlich auch mitgeliefert. “Man erspart sich extrem viel Zeit: So fallen das Einkaufen und Herumdiskutieren weg, was wer am Abend essen möchte”, sagt Heidorn. Ihr Freund ergänzt: “Und am Ende bleibt auch nichts übrig, so wird vermieden, dass Essensreste im Kühlschrank vor sich hin rotten.”

Sonntagabend, der PR-Berater Fabian Lebersorger sitzt auf seiner Couch. Er zückt das Handy und öffnet die App des Bestelldienstes Foodora. Für sich und Freunde, die zu Besuch sind, bestellt er Burger aus einem amerikanisch inspirierten Lokal. “Wenn ich Gäste habe und nicht zum Kochen komme, finde ich Foodora äußerst praktisch: Man bekommt Essen aus erstklassigen Lokalen und muss nicht beim Glutamat-Chinesen bestellen”, sagt er. Foodora ist ein Internetdienst, der Fahrradboten engagiert und Speisen von Restaurants liefert, die sonst nicht zustellen. Mittels einer eigenen App wird auch das Burger-Lokal über die Bestellung informiert und ein Radbote zur Abholung geschickt.

Ebenfalls ein Sonntagabend, allerdings im schicken Restaurant “aiola upstairs” in Graz: Die Steirerin Manuela Pucher, 38, geht mit Freunden essen. Mit ihrer Spiegelreflexkamera fotografiert sie jedes Gericht und macht Notizen. Später wird sie auf ihrer Seite testesser.at ihre Essrezension bloggen und das schmackhafte Beef Tatar und das Kalbsfilet loben. Sie ist eine von mehreren Foodbloggern, die jede Woche zwei Wirtshäuser testen und den Steirern online neue Lokale empfehlen. Mit großem Feedback: “Offensichtlich füllen wir eine Nische. Sonst würden wir nicht so viele ‘Likes’ und Aufmerksamkeit erhalten”, freut sich Pucher.

Zusätzlich zu den Rezept-Diensten, den Apps berühmter Köche und den Bloggern (siehe Kasten) tauchen nun neue Geschäftsmodelle auf, die den Zugang zu Speisen revolutionieren wollen
Essen an sich ist zwar etwas total Analoges, doch viele Vorgänge rund ums Essen lassen sich digitalisieren – und werden tatsächlich zunehmend ins Internet verlagert. Begonnen hat das vor einigen Jahren mit den berühmten Foodblogs – jenen Websites, auf denen Normalbürger über Essen reflektieren oder Rezepte liefern. Für jeden noch so kleinen Nahrungstrend, jeden kulinarischen Fetisch gibt es passende Blogs und Social-Media-Accounts. Sogar für Veganer, die sich ohne Kohlenhydrate ernähren wollen, findet man eigene Websites (sie brauchen die Info wohl auch, weil ohne tierische Produkte und ohne Kohlehydrate nicht mehr viel zum Essen übrigbleibt). Zusätzlich zu den Rezept-Diensten, den Apps berühmter Köche und den Bloggern (siehe Kasten) tauchen nun neue Geschäftsmodelle auf, die den Zugang zu Speisen revolutionieren wollen: So erstellen etwa Ernährungsberater und Köche des deutschen Unternehmens Hello Fresh wöchentliche Rezepte und entsprechende Einkaufslisten. Premium-Zustelldienste wie Foodora bieten eine simple Software, mit der man sich per Radboten Gerichte von erstklassigen Restaurants liefern lassen kann – deren Betreiber früher beim bloßen Gedanken an Zustelldienste erschauert wären. Gerade die Essensbestellung ist ein gigantischer Zukunftsmarkt, der Jahr für Jahr wächst. Laut Beraterunternehmen Kreutzer, Fischer und Partner gaben die Österreicher 2014 für selbst abgeholte oder per Lieferservice bestellte Gerichte 578 Millionen Euro aus.

Was sagt all die Zeit, die viele von uns im Internet mit Themen rund ums Essen verbringen, über unsere Gesellschaft aus? Und wie ändert das die gesamte Gastronomie?

In der Sprache spiegelt sich ein Wandel bereits wider: Zusätzlich zum “Gourmet”, der luxuriöses Essen sucht, gibt es den “Foodie”, der immer gut essen will, aber nicht unbedingt teuer
In der Sprache spiegelt sich ein Wandel bereits wider: Zusätzlich zum “Gourmet”, der luxuriöses Essen sucht, gibt es den “Foodie”, der immer gut essen will, aber nicht unbedingt teuer. Foodies stehen auf regionale Produkte, shoppen auf Märkten und verbringen gern einen großen Teil ihrer Zeit mit “Foodporns”. Sie ergötzen sich an wunderschönen Essensbildern im Netz wie an saftigen Steaks oder Schokokuchen.

Foodpornografie wird zwar vielfach im Internet ausgelebt – doch der Reiz am Posten und Betrachten der Essensfoto hat mit einem größeren gesellschaftlichen Wandel zu tun, meint die Ernährungswissenschafterin und Trendforscherin Hanni Rützler: “Essen wird zunehmend als Tool gesehen, mit dem wir uns ausdrücken. Mit dem, was man isst, und mit dem, was man nicht isst, zeigt man, wer man ist. Weil Essen auch eine Selbstdarstellung ist, betreiben zum Beispiel Modemarken mittlerweile auch eigene Restaurants.”

Sind wir Essensfoto-Poster also alle digitale Narzissten, die ihre Bilder wie Lifestyle-Trophäen sehen? Hanni Rützler findet diese Form des Nahrungsexhibitionismus eher positiv: “Was wir in vielfacher Weise beobachten können, ist eine Rückeroberung des Essens. Gerade eine junge Zielgruppe spricht sehr viel miteinander über Esskultur und tauscht sich auch im Internet darüber aus.” Das verändere auch, wie sich Wirte und Restaurantbetreiber positionieren müssen.

“Ein großer Teil meiner Kunden weiß schon, was er bestellt, wenn er das Lokal betritt. Sie haben sich online längst entschieden”, sagt der Gastronom Michael Vesely. Mit seiner Frau Adelheid Reisinger betreibt er das kleine Wiener Innenstadtlokal “Reisinger’s“, das so gut läuft, dass sie mittlerweile lediglich zu Mittag aufsperren. Das Restaurant passt ganz zum Zeitgeist vieler Foodies: Die Zutaten kommen von kleinen Produzenten aus der Umgebung, um Fertigprodukte wird ein großer Bogen gemacht. Dass man sich als eine “Slow Food”-Gaststätte mit vielen lokalen Lieferanten versteht, wird auch stolz auf der Website beworben. Vesely kennt sich mit Online-Marketing aus: Er war früher Manager in der IT-Branche. Er weiß, dass sich das Internet wunderbar eignet, um Neugier zu wecken und einen Hype zu erzeugen.

Um sich ins Radarsystem der Foodies zu rücken, fungiert die künstliche Verknappung als beliebtes Rezept
Um sich ins Radarsystem der Foodies zu rücken, fungiert die künstliche Verknappung als beliebtes Rezept. Sogenannte Pop-up-Lokale haben nur eine beschränkte Zeit lang aufgesperrt, oft einige Monate, manchmal gar nur ein paar Stunden. An einem Samstag im Mai etwa verkauften Michael Vesely und Adelheid Reisinger Pastrami auf dem Wiener Brunnenmarkt -also jenes zarte, saftige Rindfleisch, das viele aus den New Yorker Delis (und dem Film “Harry und Sally”) kennen. Über Wochen hinweg wurde das Projekt online angekündigt, auf Facebook gab es 1300 Anmeldungen für das Event, das gerade einmal drei Stunden dauerte. Die Nachfrage war so erfolgreich geschürt worden, dass Menschen sogar 40 Minuten auf ihr Pastrami-Sandwich in der Schlange warteten.

Nicht nur in der Bundeshauptstadt gibt es solche Pop-ups. Das Salzburger Restaurant “Paradoxon” hat in der Vergangenheit immer wieder neue Konzepte ausprobiert – zuletzt konnten sich im Lokal die Gäste ihre Bärte von einem Barbier trimmen lassen. Das passt dann auch wunderbar zur digitalen Selbstdarstellung: Ein Essensfoto haben viele schon gepostet -aber eine Lokalaufnahme mit einem Barbier darauf, das ist dann selbst auf dem Bilderportal Instagram eine Seltenheit.

So beeinflusst der digitale Wettbewerb um “Likes” tatsächlich auch reale Speisen. Wer nicht gerade das Billigsegment bewirtet, achtet darauf, dass das Essen Instagram-tauglich ist. Die Fotos davon sollen so verlockend und cool aussehen, dass Menschen das auch auf Instagram teilen. Von der Einrichtung bis zur Anrichtung verfolgen viele Lokale ein ästhetisches Konzept. Der Burger kommt nicht auf irgendeinem Teller, sondern auf einem urig wirkenden Holzbrett, dazu die Pommes cool aufgestellt im Glas -“shabby chic” heißt der Look und lässt sich beispielsweise im Bistro der Wiener Bäckerei Joseph Brot im 3. Wiener Bezirk beobachten (und selbstverständlich fotografieren). Auf einem der papierenen Untersetzer, die auf den Tischen liegen, steht keck: “Bitte nur die eigenen Speisen fotografieren.” Ob sich alle Gäste bisher daran gehalten haben, darf hinterfragt werden. Dabei sind die Wirte oft selbst die stärksten Konsumenten von Foodporn. “Abends, bevor ich schlafen geh, schau ich gern noch auf Instagram: Was haben die anderen Geiles produziert ? Sicher bringt einen das auch auf Ideen, was gut ausschaut”, sagt Josef Weghaupt, Chef von Joseph Brot. Auf diese Weise reisen auch Essens-Designtrends rasch um den Globus: Man muss gar nicht im dänischen Spitzenrestaurant Noma dinieren, um zu wissen, wie dort die Speisen angerichtet werden -um dies womöglich auch zu kopieren.

Die Foodpornografie hat Gerichte in vielen Gasthäusern zur stilistischen Herausforderung werden lassen
Die Foodpornografie hat Gerichte in vielen Gasthäusern zur stilistischen Herausforderung werden lassen. Die Schattenseite des Ganzen ist, dass einander vieles ähnlich ist -von der Optik bis zur Speisekarte. Egal, ob man in Brooklyn oder in Innsbruck isst, hippe Lokalen bieten oft ähnliche Gerichte: Zur Zeit sind Burger, Pulled Pork Sandwiches und als Dessert Cheesecakes angesagt. Und zum Runterspülen gibt es natürlich ein Craft Beer, also handwerklich gebrautes Bier aus kleinen, hippen Brauereien. Eine solche “Microbrewery” ist etwa Bierol aus Schwoich in Tirol, die 2014 von drei Mittzwanzigern gegründet wurde. Ihr stark gehopftes, geschmacksintensives Craft Beer entspricht ganz dem Trend.

Doch führen die Hypes im Internet nicht erst recht zur Gefahr, dass sehr ähnliche Biere auf den Markt kommen?”Das ist nicht nur eine Gefahr, das ist so”, meint Christoph Bichler, einer der Gründer von Bierol. Zum Beispiel sind aktuell Sauerbiere total angesagt -wer als Braumeister mit dem Zeitgeist segelt, fährt derzeit mit Sauerbieren auf die großen Biermessen.

Dass es weltweit einheitlichen Geschmack gibt, sehen auch Onlinedienste wie Foodora: Erst vor zwei Jahren gegründet, ist der Zustelldienst mittlerweile auf zehn Märkten aktiv. In all diesen Ländern – von Australien über Schweden bis nach Kanada – lieben die Kunden Burger. Seit gut einem Jahr ist Foodora, ein Münchner Unternehmen, auch in Wien tätig. “Unsere Zielgruppe ist zwischen 25 und 40 Jahre alt. Wir sprechen viele Young Professionals an, also Singles, berufstätige Paare, oder auch Jungfamilien”, sagt Julian Dames, 28, einer der Gründer des Unternehmens.

Für den Kunden ist das System simpel, wenn auch nicht unbedingt preisgünstig: Man zahlt eine Liefergebühr von 3,50 Euro und dazu Preise wie im Restaurant. Der Mindestbestellwert beträgt 15 Euro. Die Hoffnung solcher Start-ups ist, dass die Mittzwanziger und Mittdreißiger nur die Vorreiter eines größeren Trends sind: Dass auch ältere, gut verdienende Konsumenten in Zukunft auf den Geschmack kommen, über eine App das Essen auszuwählen.

Die Rechnung ist dabei eng kalkuliert: Zum einen hat Foodora – verglichen mit anderen Internetdienstleistern -hohe Personalkosten. In jeder neuen Stadt gibt es ein eigenes Team, weltweit engagiert Foodora bereits 1000 Mitarbeiter und 8000 Fahrer (von denen die meisten angestellt sind). Zum anderen ist es auch für die Wirte kein so großes Geschäft, wie man denken könnte. 25 bis 30 Prozent des Umsatzes sind Konzession. Manch ein Restaurant stieg auch schon wieder aus dem Lieferservice aus – etwa das Wiener Traditionsrestaurant Figlmüller, bekannt für sein Schnitzel. “Es ging mir aber nicht einfach nur um Prozente, also wie viel Foodora von uns erhält. Wir hatten zum Start einen Vertrag ausgehandelt – und den wollte man zwei Mal nachjustieren. Das hat mich gestört”, sagt Thomas Figlmüller, 37. An sich ist er dem Zustelldienst positiv gegenüber eingestellt -anders als manch anderer Gastronom glaubt er nicht, dass die Internetdienstleister dem klassischen “Grätzlgasthaus” das Geschäft wegnehmen. “Ich halte das großteils für ein Zusatzgeschäft: Ins Wirtshaus gehe ich doch nicht nur wegen des Essens, sondern auch wegen der Atmosphäre und des Tapetenwechsels.”

Laut Trendforscherin Hanni Rützler sind Online-Zustelldienste eine logische Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel seit den 1970er-Jahren
Laut Trendforscherin Hanni Rützler sind Online-Zustelldienste eine logische Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel seit den 1970er-Jahren: Zunehmend wurde es normal, dass Frauen nicht jeden Abend zu Hause kochen. Männer entdeckten auch das Hobbykochen -und heutige “Food Startups” wie Foodora oder Hello Fresh spiegeln das alles online wider: “Die Apps helfen Menschen, sich besser über Ernährung und Speisen zu informieren. Die Technik ist aber nur ein Hilfsmittel von vielen. Wir sehen vielmehr einen generellen Wertewandel, speziell im urbanen Raum. Es geht nicht mehr um das schnellere Auto, die größere Portion, sondern auch um bewusstes und lustvolles Essen.”

Es ist somit falsch, dass Technik unsere Gesellschaft verändert. Sie erweitert nur das Spektrum der Möglichkeiten. Vielmehr setzen sich jene digitalen Dienste durch, die den neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht werden -und sei es das dringende Verlangen nach einem glutenfreien Tofu-Burger.

 

Dieser Artikel ist in profil (Ausgabe 35/16) erschienen unter dem Titel “Food-Pornografie”. Das abgebildete Foto habe ich im Bistrot von Joseph Brot gemacht.

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  • Mich würde interessieren, wie es dir in und nach den 2 Wochen gegangen ist.
    Aus dem Falter wissen ja alle, dass du dein Handy mit ins Bett nimmst ...

    • Gute Frage! Grundsätzlich war es angenehm, ich habe auf meinem iPhone den Mail-Account gelöscht, hatte gar nicht das Bedürfnis, all die eintreffenden Mails zu lesen. Doch dann habe ich selbst gegen mein Sabbatical verstoßen: Während der Feiertage hat sich bei mir etwas Privates ereignet und ich wollte meine Kollegen diesbezüglich verständigen. Nur was tun? Jeden einzelnen anrufen? An alle ein SMS? Mir schien E-Mail die beste Kommunikationsform und schließlich habe ich dann gemailt. So ganz habe ich mein Sabbatical also nicht eingehalten, aber trotzdem zwei Dinge gelernt: 1.) Es ist eine gute Idee, den Mail-Empfang am iPhone während des Urlaubs zu deaktivieren - das werde ich weiterhin machen. 2.) Ganz auf E-Mail zu verzichten, ist aber gar nicht so leicht, vor allem wenn man selbst einen großen Mitteilungsdrang hat. Mir ging eher das Mail-Versenden als das Mail-Empfangen ab...

      • OK. Das heißt ja wohl, dass du nur auf die Mails verzichtet hast. ;-)
        Musste den Artikel noch mal lesen, um das zu verstehen. Dass heißt, du hast dich nur auf das "normale" Urlaubslevel runtergesetzt. Ich dachte, du willst es OHNE Internet schaffen. Sprich: OHNE Mail, OHNE Surfen, OHNE Online-Spiele - OHNE Internet eben.
        Das hast du dir zu einfach gemacht, finde ich. Und dann nicht mal ganz eingehalten.

        Ingrid ich habe heute leider kein Foto für dich ...

        • Interessanter Einwand - aus meiner Sicht habe ich das weggelassen, was mich während des Urlaubs am meisten stört (eben, dass ich trotzdem ständig E-Mails checke). Aber wenn ich zwischendurch nach einem guten Lokal google oder online einen Routenplan suche, stört mich keine Sekunde lang. Im Gegenteil: Ich würde es als extreme Benachteiligung empfinden, wenn ich in meiner Freizeit darauf verzichten müsste.

          Natürlich kann man's auch so sehen, dass das nur ein Schmalspur-Sabbatical war. Den echten Offline-Test haben schon andere gemacht, zum Beispiel Alex Rühle für sein Buch "Ohne Netz". http://www.falter.at/web/shop/detail.php?id=33075&SESSID= Aber schauen wir mal, vielleicht wage ich mich doch noch über eine echte Auszeit drüber. Bisher verspüre ich jedenfalls nicht den Drang, das Internet gänzlich abzudrehen...

  • Da kommt also ein Gerät heraus, welches kleiner und leichter ist, doppelt so viel Prozessorleistung bietet, eine 9x schnellere Grafik, ein verbessertes Display, einen FullHD-Ausgang für externe Präsentationen und die Nachrüstung der viel bemängelten Kameras. Und das ist dann keine Innovation. Alright.

  • Ja, das ist eine Verbesserung, aber noch keine Innovation. Etwas anderes zu behaupten, ist echt gewagt.

  • Interessant, Danke für den Link! Diese komischen Geräusche hatten also einen Grund...

  • Aber mal ehrlich: Die Werbeeinnahmen im Netz sind viel zu gering. Sie reichen bisher nicht aus, um hochqualitative Recherche und Redigatur zu finanzieren.

    Und genau da liegt das Problem fuer

    Wir verabschieden uns vom traditionellen Journalismus und seinem Finanzierungsmodell, aber wir haben noch keine neue Lösung gefunden.

    Wenn sich Werbepreise fuer Online Ads den Offline Ads, also Zeitungsinseraten, annaehern wuerden, waere die ganze Geschichte auch ohne Paywall finanzierbar. Denn zieht man bei einer Zeitung die Druckkosten und die Lieferkosten ab, bleibt unterm Strich auch nichts mehr uebrig (oder noch weniger). Zwar wird von den Werbeagenturen immer mehr Geld vom offline ins online advertising verschoben, doch hat das in den letzten Jahren nicht den erhofften Preisanstieg gegeben. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass 15 Dollar pro User nur durch on page advertising praktisch nicht erreichbar sind. Selbst wenn die NYT pro 1000 aufgerufenen Seiten 10 Dollar bekommt (was derzeit eh nicht realistisch ist, eher 1/3 - 1/10 davon), muesste ein User 1500 Seiten pro Monat aufrufen um damit auf 15 Dollar zu kommen.

    Andererseits stellt sich die Frage wie lange es dauern wird um den Aufwand, der die Implementierung und Wartung einer Paywall mit sich bringt, mit Abos zu finanzieren.

    Ich bin auf jeden Fall gespannt wo das in den naechsten Monaten/Jahren hinfuehren wird :-)

  • Danke für den spannenden Einblick in die Zahlen! Was ich mich frage: Ist es realistisch, dass sich die Onlinewerbepreise irgendwann den Offlinepreisen angleichen? In den letzten Jahren ist das ja leider nicht passiert.

    Im App-Store von Apple kommt übrigens ein neues Problem für die Zeitungshäuser hinzu: Da kassiert Apple 30 Prozent des Umsatzes ein, dazu gibt's auch wieder heftige Debatten (siehe zB http://www.tagesschau.de/wirtschaft/apple142.html).

    • Ist es realistisch, dass sich die Onlinewerbepreise irgendwann den Offlinepreisen angleichen?

      Darauf kann man natuerlich nicht pauschal mit ja oder nein antworten. Da erstens die Werbeformen sowohl offline als auch online zu verschieden sind. Wenn man online Werbung auf Zeitungsportalen mit Zeitungsanzeigen vergleicht, wuerde ich eher dazu tendieren und "nein" zu sagen. Unterm Strich wird wohl in den naechsten Jahren immer noch mehr mit Zeitungsanzeigen zu holen sein. Doch koennen gewisse Online Kampagnen natuerlich ueber den offline Preisen liegen. Wenn zB gezielt Werbung fuer eine gewisse Zielgruppe geschaltet wird ("nur die 25-35 jaehrigen, alleinstehenden Maenner mit Sportwagen") sind die Preise dementsprechend hoeher.

      Ich moechte auch noch anmerken, dass die Zahlen, die ich oben geschrieben haben nicht die wirklichen Zahlen der NYT sind. Es sind lediglich Schaetzungen aufgrund meiner Erfahrungen (beschaeftige mich seit 2001 mit Online Werbung und die Preise sind seither stetig gesunken - Ende 90er Jahre waren die Preise am ehesten mit Offline Preisen zu vergleichen). Darueber hinaus bin ich mir ziemlich sicher, dass die NYT bessere Preise fuer Online Kampagnen erzielt als irgendein 08/15 Blog. Trotzdem sind die Preise im Keller, auch wenn die NYT einen 50-fach hoeheren Preis bekommt :-)

      Zu apple: der von dir verlinkte Artikel ist leider etwas einseitig geschrieben. Kurz die Gegenseite: Das mit den 30% stimmt. Allerdings nur fuer "neue" Kunden, also Kunden, die ueber die App angeworben wurden. Es steht jedem Verlag frei, ausserhalb des App Stores Abos zu verkaufen (die dann natuerlich auch innerhalb der App genutzt werden koennen). Fuer solche Verkaeufe bekommen die Verlage dann 100%. So das Argument von Apple.

      Natuerlich sitzt der Dollar lockerer wenn man in der App ist, die Zahlungsdaten hinterlegt sind und man nur noch auf "abonnieren" druecken muss. Das weiss Apple natuerlich auch ...

  • Selbstredend gibt nichts dagegen zu sagen für die NYT zu zahlen. Vielleicht nur, dass wir in seltsamen medialen Zeiten leben, wenn eine Journalistin eine Art Rechtfertigung dafür postet. Es ist aber auch mehr als nur "für guten Journalismus" zahlen - es ist ein Commitment zur Marke, zum Medium und wahrscheinlich eine Art Freude über das implizite Bildungsversprechen einer Zeitung wie die New York Times. Und unterstreicht den Mangel an solchen Angeboten in Österreich. Was ein derartiges Commitment zu geben zur Zeit schwer macht, ist die schiere mediale Vielfalt am Bildschirm. Ein zunehmend diffuser gewordenes Angebot, die oft zitierte mediale Herausforderung. Tageszeitung lesen, Magazine rezipieren und sich dann um die Feeds kümmern. Welches Medium greife ich heraus, um es finanziell zu unterstützen? - NYT, SZ, NZZ, FAZ,...,....,....,....,.....,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,.Glückwunsch, wenn man hier klar sieht und für sich zu einer Entscheidung kommt. Unglücklich hingegen finde ich die Formulierung "guter Journalismus". Was das ist, ist stets persektiven-abhängig und kommt meist oberlehrerhaft herüber. Ob die Strasser-Aufdeckung etwa ein Beispiel für "guten Journalismus" ist, halte ich etwa für dikussionswürdig - Büros mieten, Politiker in Versuchung führen usw. Eine Top-Story allemal. Aber "guter Journalismus". Naja, für mich verwunderlich. Aber egal. Schönes Wochenende.

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