PRISM – ein Weckruf für Europa

Vor kurzem hätte man es für die Handlung eines düsteren Hollywood-Thrillers gehalten: Der Geheimdienst der USA hat anscheinend ein System entworfen, mit dem er jederzeit auf die privaten Daten von Internetfirmen wie Facebook, Google oder Apple zugreifen kann – ausspioniert werden allerdings nicht die amerikanischen Bürger selbst, sondern der Rest der Welt.

Edward Snowden, ein 29-jähriger CIA-Mitarbeiter, hat sich als Informant zu erkennen gegeben. Wie er dem Guardian erklärte, will er nicht in einer Gesellschaft leben, in der ein derartiges Spitzelprogramm möglich ist. Snowden versteckt sich derzeit vor dem US-Geheimdienst in Hongkong. Seine internen Dokumente legen nahe, dass die USA das wohl umfassendste Überwachungsprogramm in der Geschichte des Internets aufgebaut haben. Die Ermittler können ohne Zustimmung eines Richters alle privaten Daten der großen amerikanischen IT-Konzerne einsehen.

Präsident Barack Obama entwarnte prompt sein eigenes Volk und erklärte, dass nur Internetuser außerhalb der USA betroffen seien. Na toll! Für den Rest der Menschheit zählen Menschenrechte wie der Schutz der Privatsphäre anscheinend nicht. Was ist mit Europa? Wo bleibt der Aufschrei der Politik? Nur langsam reagieren die europäischen Staaten auf diesen Angriff gegen die Grundrechte. Sie müssten nun geschlossen auftreten. Europa kann sich sehr wohl gegen die amerikanischen Überwacher wehren. Die EU arbeitet derzeit an einer neuen Datenschutzverordnung, die auch Firmen wie Facebook und Google betreffen würde. Die neue Verordnung könnte dazu führen, dass US-Firmen nicht länger europäische Grundrechte ignorieren können, denn sonst drohen hohe Strafzahlungen. Der ursprüngliche Entwurf der Verordnung war überaus ambitioniert, doch er läuft Gefahr, verwässert zu werden. Die Internetkonzerne lobbyieren bereits in Brüssel dagegen.

Der Überwachungsskandal zeigt: Europa muss hier standhaft bleiben und sowohl gegen Internetfirmen als auch jene Staaten vorgehen, die ungeniert private Daten klauen. So traurig das ist: Die USA wird nicht von selbst europäische Interessen schützen. Offensichtlich kümmert sich auch Barack Obama wenig um die Rechte der Menschen außerhalb der USA. Ein überaus lückenhaftes Demokratieverständnis des Friedensnobelpreisträgers. Für die EU ist das sogar eine Chance. Sie sollte nun als Hüterin der Menschenrechte auftreten und den Amerikanern eines klarmachen: Das Recht auf Privatsphäre kann nicht nur für die Bürger einer Nation gelten.

 

Dieser Kommentar erschien im Falter 24/13, Logo: NSA

Kommentare

  1. Der Wecker hat geläutet, die wichtigsten europäischen Regierungen haben mitgemacht, möglicherweise auch die österreichischen Regierungen – falls das Frau Brodnig entgangen sein soll – und wenn der auch hier mobilisierte Antiamerikanismus (ein österreichischer Schulterschluß vom Falter bis zur FPÖ) der am Rande der Auflösung befindlichen EU nicht zu Hilfe kommt, werden die JournalistInnen wieder in geistigen Tiefschlaf verfallen, bis zurm nächsten Hornberger Schießen.

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