X

Die FPÖ nennt es einen “Anschlag”

Wie irreführend die Freiheitlichen argumentieren, zeigt ein neuer Antrag im Parlament. Es geht um die Frage, ob Hetze auf Facebook ungelöscht stehenbleiben soll.

Es klingt alarmierend: Die FPÖ behauptet, dass die Europäische Union einen „Anschlag“ auf die „Grundprinzipien unserer Verfassung“ sowie auf die „Meinungsfreiheit“ plane.

Doch ist dieser Alarmismus gerechtfertigt? Wohl kaum. Diese Worte stammen aus einem Antrag, den die FPÖ-Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Wendelin Mölzer, Reinhard Bösch und Johannes Hübner diesen Dienstag im Parlament einbrachten. Das Dokument, das hier abrufbar ist, zeigt, wie irreführend die Freiheitlichen mitunter argumentieren – im konkreten Fall geht es um Hass im Internet.

Der Antrag analysiert: Klicken zum Vergrößern

Was die FPÖ kritisiert

Die EU-Kommission hat sich vergangenes Jahr mit den IT-Unternehmen Facebook, Google, Twitter und Microsoft darauf geeinigt, dass gemeldete strafbare Hassrede großteils binnen 24 Stunden entfernt werden sollen (hier die deutsche Presseaussendung, hier der englische Originaltext).

Demnach verpflichten sich Unternehmen wie Facebook, strafbare Hasskommentare – die beispielsweise den Tatbestand der Verhetzung, der Wiederbetätigung, der üblen Nachrede, des Cybermobbing oder der gefährlichen Drohung erfüllen – rascher zu entfernen. Es geht hier lediglich darum, dass die bestehenden nationalen Gesetze von den großen Plattformen eingehalten werden. Strafbare Formen von Hass und Hetze sollen nicht zu lange online stehenbleiben (was trotz des “Code of Conduct” leider oft passiert, wie die EU-Kommission selbst kritisiert). Nichtsdestotrotz scheint mehreren FPÖ-Abgeordneten dieser “Code of Conduct” nicht recht zu sein.

Was die FPÖ fordert

Die FPÖ-Abgeordneten schreiben in ihrem parlamentarischen Antrag: „Der ‘Code of conduct on countering illegal hate speech online’ verletzt die Grundlagen der Meinungs-, Gedanken- und Pressefreiheit in eklatanter Weise und stellt einen Anschlag auf die Grundprinzipien unserer Verfassung und der demokratischen Grundwerte dar.“ Weiters fordern die Abgeordneten den Nationalrat auf, sich gegen den „Code of Conduct“ einzusetzen – also gegen die Selbstverpflichtung der großen Plattformen, strafbare Hetze auch wirklich zu löschen. Die FPÖler wollen bewirken, dass die EU-Kommission das Dokument zurückzieht.

Der Antrag der Abgeordneten lässt dabei wesentliche Fragen offen:
– Vertritt die FPÖ die Ansicht, dass illegale Hassrede (beispielsweise Gewaltaufrufe gegen Flüchtlinge oder Vergewaltigungsdrohungen gegen Frauen) ungelöscht auf Facebook stehenbleiben sollen? Oder wie ist ihr Antrag hier zu interpretieren?

Wen die FPÖ zitiert

Die FPÖ erklärt, die Ausführungen des Richters würden “den Kern der Sache” treffen – und kritisiert das Vorgehen der EU. Dabei hat der Verfassungsrichter über ein anderes Thema gesprochen
Skurril ist die Argumentation der FPÖ-Abgeordneten: Als vermeintlichen Kronzeugen zitieren sie ausgerechnet den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Gerhart Holzinger, einer der bedeutendsten Richter des Landes.  In der „Presse“ hat Holzinger über sogenannte „Fake News“ gesprochen – also bewusst lancierte Falschmeldungen. Er mahnt zur Vorsicht, strenge neue Gesetze gegen Falschmeldungen einzuführen – eine weitverbreitete Position (auch Regierungsmitglieder sehen dies anscheinend ähnlich wie Holzinger).

Die FPÖ erklärt, die Ausführungen des Richters würden “den Kern der Sache” treffen – und kritisiert darauf aufbauend das Vorgehen der EU. Dabei hat der Verfassungsrichter über ein ganz anderes Thema gesprochen. Was Holzinger im Interview nicht tat, ist Hassrede zu verharmlosen oder ein Nicht-Einhalten der bestehenden Gesetze zu fordern. Auch hat der Richter kein einziges Wort über den „Code of Conduct“ der EU verloren. Trotzdem suggeriert der Antrag, dass die Meinung des Richters die Forderung der FPÖ bekräftigen würde – ein unzulässiger Schluss. Aus dem Interview mit dem Verfassungsrichter lässt sich einfach nicht herauslesen, wie er über dieses Dokument der EU denkt.

Fazit der freiheitlichen Argumentation

Fassen wir kurz zusammen:

Der Antrag zeigt, wie leichtfertig FPÖ-Politiker extrem harte Vorwürfe gegenüber der EU einbringen – die in diesem Fall substanzlos sind. Schlimmstenfalls lassen sich aber Bürger von einer so harten, wenn auch unfundierten Kritik beeinflussen – und sind dann tatsächlich beunruhigt, was “die in Brüssel” schon wieder machen.

Politisch hatte das Ansuchen immerhin keine Wirkung: Der freiheitliche Antrag wurde im EU-Unterausschuss des Nationalrat abgelehnt.

 

Foto: Franz Johann Morgenbesser über Flickr/Creative Commons. Das Bild zeigt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

View Comments

  • Die Gründe X zu verlassen kann ich nachvollziehen, ich selbst habe X vor über einem Jahr verlassen.

    Jedoch bin ich mit meiner Hauptkommunikation (außerhalb meines Blogs) ins Fediverse gewandert. Ich wollte nicht wieder in ein monolithisches System, bei dem unklar (Bluesky) oder klar (Threads) ist, was es mich an Geld und persönlichen Daten kosten wird.

    Das Fediverse ist nicht perfekt, aber ein offenes System. Es ist föderal und es gehört im Ganzen niemanden. Das ist für mich auch netzpolitisch interessant.

    War das nie eine Überlegung, den eXit ins Fediverse zu vollziehen? Es wäre auch spannend gewesen, eine eigene Instanz der Medienmacher:innen aufzuziehen. Wobei: Was nicht ist, kann ja jederzeit werden. ☺️

  • Können wir nicht einfach Bots starten, die Plattformen wie X mit Liebesposts voll spammen?
    Gibt es postivie Lügen die wir verbreiten können?
    Sollten wir dafür sorgen, dass wieder mehr Diskussionen im physischen Raum stattfinden? Meiner Erfahrung nach ist der Versuch online eine sachliche Diskussion zu führen, meist verschwendete Energie und das gilt nicht nur für X.

    In einer Zeit in der die Lüge wohl leichter als Fakt zu verkaufen ist, als der Fakt selbst, scheinen mir diese Fragn doch valide zu sein.

  • Sehr geehrte Frau Brodnig!
    Ich habe eben auf ORF 3 die Diskussion über die Aufarbeitung der Corona Pandemie angesehen und möchte ihnen ganz herzlich danken für ihre klaren Aussagen und im speziellen für die Erwiderung den Aussagen des FPÖ Vertreter gegenüber.
    Ich finde sie leisten generell einen großen Beitrag für Klarheit im Erkennen von Falschmeldungen und wie man gut mit Mensche umgehen kann, die sich in " Verschwurbeleien" verirrt haben, bzw. ihnen aufsitzen. Im Umgang mit zwei persönlichen Freundinnen hat mir ihre Betrachtungsweise schon sehr geholfen. Ich finde es sehr gut, dass sie mittlerweile in vielen Diskussionsrunden eingeladen werden und immer prägnant und sachlich ihre Ansicht vertreten.
    Vielen Dank für Ihre Beiträge!
    Dr. Barbara Dollenz

  • Jeder Unternehmer oder Chef oder sonstiges denkt wenn er sagt wir müssen Sachen evaluieren ein Wort aus dem französischen 16 Jahrhundert ist er modern können wir nicht mehr zu beurteilen und bewerten sagen ? Oder dieses Fake ist Fälschung nicht mehr gut genug oder Sale versteht keiner Ausverkauf ? Wir leben in Mitteleuropa und zerstören unsere Sprache und übernehmen jeden Müll aus Amerika wieso ? Ich bin 43 und bin weder bei Facebook oder X oder sonstigen Müll weil kein Schwein 500 Freunde hat und wenn sie 27 000 Verfolger hätten im wahren Leben wäre die Polizei jeden Tag bei ihnen weil sie einen nach dem andren anzeigen würden ! Und verschiedene Länder brauchen und haben immer einen Anführer gebraucht weil sie ohne nicht fähig sind ein Leben zu führen ! Und Tiktok verdummt nur Menschen es haltet Menschen nur vom Leben fern da jeder der es benutzt nur wischt und Video für Video schaut ! Und leider haben wir einen Jugendschutz bei Filmen aber in der Welt kein Alter ab wann du nicht mehr das Auto benutzen darfst oder ab wann du kein Amt mehr ausüben solltest ! Ich wünsche noch eine schöne Weihnachtszeit und verfallen sie nicht zu sehr in die SMM Sozialer Medien Müll !

  • Liebe Frau Brodnig,

    vielen Dank für ihren wundervollen Text, der bei mir zu einer deutlichen Erhöhung
    meines KamaMuta-Levels geführt hat.
    Die Zeiten sind beängstigend. In vielerlei Hinsicht!
    Das erstarken der (internationalen) Rechten, dass ein Maß erreicht hat welches mehr als beunruhigend ist.
    Der Klimawandel, der auch hier in Deutschland und in Österreich sicht-und fühlbar geworden ist
    und wenig Grund zu Hoffnung gibt…
    Die Verzweiflung ist inzwischen so groß daß ich mir Hilfe geholt habe um nicht durchzudrehen.
    Ich bewundere sie und Ihre Arbeit sehr (ich bin ein absoluter Fanboy 😆) und ich frage mich immer wieder
    wie sie es schaffen die Contenance zu bewahren, angesichts des ganzen Irrsinns den sie tagtäglich
    erfahren und recherchieren und in Talkrunden entlarven!!!
    Ich selbst bin Musiker und meine Verzweiflung, Wut und Trauer sind so groß geworden dass ich alles anzweifle, meine eigene Identität als Kulturschaffender inbegriffen. Da ist auch eine Menge Schuldbewusstsein, selbst nicht genug getan zu haben.
    Ihr Text hat mir ein wenig geholfen wieder in die Spur zu kommen…
    Ich hoffe sehr sie einmal „live“ erleben zu können und halte Ausschau wann sie mal in Deutschland sprechen.

    Grüsse aus Rhein/Main
    Wolf Morgenstern
    (Wolf Schubert-K.)

  • Danke, tut gut.
    6.1.25, 13:40. der richtige Zeitpunkt.

    Jetzt geh ich zu einen Konzert mit meiner 11 jährigen Querflötenspielerin.
    Da kommt wohl sicher der blaue Himmel. 👋👋

  • Was passiert, wenn man sich durchgearbeitet hat und die Meldung anerkannt wird? Wird der gemeldete Kommentar einfach gelöscht und das wars? Oder gibt es Konsequenzen für den Hasskommentator?
    Wenn nicht - dann ist das reichlich viel Aufwand für wenig Ergebnis, leider.

  • Sehr geehrte Frau Mag. Brodnig!

    Der TItel Ihrer Veranstaltung in der "Kulisse" hat sich ja zu unser aller Freude inzwischen überholt, aber obwohl Sie hier "Neuland" betraten, war es trotz Überlänge eine sehr kurzweilige und informative Veranstaltung mit interessanten Gästen. Faszinierend der professionelle Auftritt der "Omas gegen Rechts", denen meine Frau und ich bisher nur bei div. Demos begegnet sind.
    Da die Rechten und Rechtsextremen inkl. aller ihrer Fake News und Spaltungsversuche ja weiterhin auch international im Vormarsch sind, hoffen wir, Sie auch weiterhin öfters in TV-Auftritten zu sehen, denn die Warnungen vor Manipulation durch Social Media und vielleicht auch KI können nicht laut genug sein.

    Mit besten Grüßen
    Mag. Ingrid und DI Peter Steckler

  • Sehr geehrte Frau Brodnik,
    ich habe Ihren Newsletter zum Thema Respektlosigkeit von KI-Unternehmen gelesen. Außerdem habe ich im Freitag (Ausgabe 14, 3. April 2025) den lesenswerten Artikel von Thomas Montasser, „Der größte Raubzug der Geschichte“, zu diesem Thema gelesen. Als Künstler frage ich mich, welche Strategien es gibt, um sich dagegen zu wehren? Was unternehmen Sie als Autorin dagegen, dass man ungefragt Ihre Bücher verwendet?
    Ich bedanke mich für Ihre journalistische Arbeit, und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!
    Mit freundlichen Grüßen
    Wolfgang Safer

  • Liebe Frau Brodnig,
    Ihr Appell" genau hinzusehen" ist gut gemeint, aber leider ist hier die Post längst abgefahren! Aufgrund der exponentiellen Dynamik wird es bald nahezu unmöglich sein, gefakte Bild und gefeaturete Messages von wahren zu unterscheiden. Es bleibt das menschliche Bedürfnis nach Information (v.a. der Älteren) und Beschäftigung bzw. Bekämpfung der Langeweile. Dem gegenüber steht das gezielte Bestreben mancher nach Desinformation, Manipulation und Nutzung der zuvor genannten für kommerzielle Zwecke. Früher hat man sich über Fernseh Werbung generell und unterschwellige ( unter der Wahrnehmungsgrenze) beschwert. Heute ist das in allen online Medien Alltag. D.h. nur Abstinenz davon bzw. jenen , die uns offensichtlich manipulieren und desinformieren wollen - viele wechselten von WhatsApp zu Signal, einige von x zu bluesky - hilft! DAS sollte man vermitteln. Ich fahre täglich U-Bahn und sehe dass nahezu Jeder/jede diese schnelle, sinnlos " Information" und Langweiligkeitsbekämpfung nutzt. Und selbst seriöse online Medien sind mittlerweile auf unseriöse online Werbung angewiesen. Deshalb bin ich für generelle ORF Beiträge um zumindest einen gewissen Grad an Unabhängigkeit und Seriosität zu bewahren. Der Informationsgewinn fast aller Social Media Plattformen ist so gering geworden, dass es sich auszahlt tiktok, x, Instagram, Facebook etc. zu boykottieren und einfach wieder mehr miteinander zu reden! Bitte vermitteln Sie DAS auf Ihren Vorträgen - v a. den Jüngeren. Besten Dank mfg Harald Auer

  • 1 31 32 33 34 35 39