Fotografierst du noch oder isst du schon?
Essen als Selbstinszenierung, das Gourmetrestaurant auf Knopfdruck in den eigenen vier Wänden: Wie die digitale Welt unseren Ernährungsstil beeinflusst und unser hedonistisches Bewusstsein schärft.
Freitagabend, Nina Heidorn kommt aus dem Büro heim. Vor der Wohnungstür in einem Wiener Außenbezirk steht ein großes Paket, gefüllt mit genau rationierten Lebensmitteln. Über das Internet haben die 29-Jährige und ihr Lebensgefährte Stefan Tacha diese “Kochbox” bestellt. Aus den zugestellten Nudeln, Salat, Erdbeeren und zahlreichen anderen Zutaten lassen sich exakt drei Mahlzeiten für zwei Personen herstellen. Die Rezepte werden natürlich auch mitgeliefert. “Man erspart sich extrem viel Zeit: So fallen das Einkaufen und Herumdiskutieren weg, was wer am Abend essen möchte”, sagt Heidorn. Ihr Freund ergänzt: “Und am Ende bleibt auch nichts übrig, so wird vermieden, dass Essensreste im Kühlschrank vor sich hin rotten.”
Sonntagabend, der PR-Berater Fabian Lebersorger sitzt auf seiner Couch. Er zückt das Handy und öffnet die App des Bestelldienstes Foodora. Für sich und Freunde, die zu Besuch sind, bestellt er Burger aus einem amerikanisch inspirierten Lokal. “Wenn ich Gäste habe und nicht zum Kochen komme, finde ich Foodora äußerst praktisch: Man bekommt Essen aus erstklassigen Lokalen und muss nicht beim Glutamat-Chinesen bestellen”, sagt er. Foodora ist ein Internetdienst, der Fahrradboten engagiert und Speisen von Restaurants liefert, die sonst nicht zustellen. Mittels einer eigenen App wird auch das Burger-Lokal über die Bestellung informiert und ein Radbote zur Abholung geschickt.
Ebenfalls ein Sonntagabend, allerdings im schicken Restaurant “aiola upstairs” in Graz: Die Steirerin Manuela Pucher, 38, geht mit Freunden essen. Mit ihrer Spiegelreflexkamera fotografiert sie jedes Gericht und macht Notizen. Später wird sie auf ihrer Seite testesser.at ihre Essrezension bloggen und das schmackhafte Beef Tatar und das Kalbsfilet loben. Sie ist eine von mehreren Foodbloggern, die jede Woche zwei Wirtshäuser testen und den Steirern online neue Lokale empfehlen. Mit großem Feedback: “Offensichtlich füllen wir eine Nische. Sonst würden wir nicht so viele ‘Likes’ und Aufmerksamkeit erhalten”, freut sich Pucher.
Zusätzlich zu den Rezept-Diensten, den Apps berühmter Köche und den Bloggern (siehe Kasten) tauchen nun neue Geschäftsmodelle auf, die den Zugang zu Speisen revolutionieren wollenEssen an sich ist zwar etwas total Analoges, doch viele Vorgänge rund ums Essen lassen sich digitalisieren – und werden tatsächlich zunehmend ins Internet verlagert. Begonnen hat das vor einigen Jahren mit den berühmten Foodblogs – jenen Websites, auf denen Normalbürger über Essen reflektieren oder Rezepte liefern. Für jeden noch so kleinen Nahrungstrend, jeden kulinarischen Fetisch gibt es passende Blogs und Social-Media-Accounts. Sogar für Veganer, die sich ohne Kohlenhydrate ernähren wollen, findet man eigene Websites (sie brauchen die Info wohl auch, weil ohne tierische Produkte und ohne Kohlehydrate nicht mehr viel zum Essen übrigbleibt). Zusätzlich zu den Rezept-Diensten, den Apps berühmter Köche und den Bloggern (siehe Kasten) tauchen nun neue Geschäftsmodelle auf, die den Zugang zu Speisen revolutionieren wollen: So erstellen etwa Ernährungsberater und Köche des deutschen Unternehmens Hello Fresh wöchentliche Rezepte und entsprechende Einkaufslisten. Premium-Zustelldienste wie Foodora bieten eine simple Software, mit der man sich per Radboten Gerichte von erstklassigen Restaurants liefern lassen kann – deren Betreiber früher beim bloßen Gedanken an Zustelldienste erschauert wären. Gerade die Essensbestellung ist ein gigantischer Zukunftsmarkt, der Jahr für Jahr wächst. Laut Beraterunternehmen Kreutzer, Fischer und Partner gaben die Österreicher 2014 für selbst abgeholte oder per Lieferservice bestellte Gerichte 578 Millionen Euro aus.
Was sagt all die Zeit, die viele von uns im Internet mit Themen rund ums Essen verbringen, über unsere Gesellschaft aus? Und wie ändert das die gesamte Gastronomie?
In der Sprache spiegelt sich ein Wandel bereits wider: Zusätzlich zum “Gourmet”, der luxuriöses Essen sucht, gibt es den “Foodie”, der immer gut essen will, aber nicht unbedingt teuerIn der Sprache spiegelt sich ein Wandel bereits wider: Zusätzlich zum “Gourmet”, der luxuriöses Essen sucht, gibt es den “Foodie”, der immer gut essen will, aber nicht unbedingt teuer. Foodies stehen auf regionale Produkte, shoppen auf Märkten und verbringen gern einen großen Teil ihrer Zeit mit “Foodporns”. Sie ergötzen sich an wunderschönen Essensbildern im Netz wie an saftigen Steaks oder Schokokuchen.
Foodpornografie wird zwar vielfach im Internet ausgelebt – doch der Reiz am Posten und Betrachten der Essensfoto hat mit einem größeren gesellschaftlichen Wandel zu tun, meint die Ernährungswissenschafterin und Trendforscherin Hanni Rützler: “Essen wird zunehmend als Tool gesehen, mit dem wir uns ausdrücken. Mit dem, was man isst, und mit dem, was man nicht isst, zeigt man, wer man ist. Weil Essen auch eine Selbstdarstellung ist, betreiben zum Beispiel Modemarken mittlerweile auch eigene Restaurants.”
Sind wir Essensfoto-Poster also alle digitale Narzissten, die ihre Bilder wie Lifestyle-Trophäen sehen? Hanni Rützler findet diese Form des Nahrungsexhibitionismus eher positiv: “Was wir in vielfacher Weise beobachten können, ist eine Rückeroberung des Essens. Gerade eine junge Zielgruppe spricht sehr viel miteinander über Esskultur und tauscht sich auch im Internet darüber aus.” Das verändere auch, wie sich Wirte und Restaurantbetreiber positionieren müssen.
“Ein großer Teil meiner Kunden weiß schon, was er bestellt, wenn er das Lokal betritt. Sie haben sich online längst entschieden”, sagt der Gastronom Michael Vesely. Mit seiner Frau Adelheid Reisinger betreibt er das kleine Wiener Innenstadtlokal “Reisinger’s“, das so gut läuft, dass sie mittlerweile lediglich zu Mittag aufsperren. Das Restaurant passt ganz zum Zeitgeist vieler Foodies: Die Zutaten kommen von kleinen Produzenten aus der Umgebung, um Fertigprodukte wird ein großer Bogen gemacht. Dass man sich als eine “Slow Food”-Gaststätte mit vielen lokalen Lieferanten versteht, wird auch stolz auf der Website beworben. Vesely kennt sich mit Online-Marketing aus: Er war früher Manager in der IT-Branche. Er weiß, dass sich das Internet wunderbar eignet, um Neugier zu wecken und einen Hype zu erzeugen.
Um sich ins Radarsystem der Foodies zu rücken, fungiert die künstliche Verknappung als beliebtes RezeptUm sich ins Radarsystem der Foodies zu rücken, fungiert die künstliche Verknappung als beliebtes Rezept. Sogenannte Pop-up-Lokale haben nur eine beschränkte Zeit lang aufgesperrt, oft einige Monate, manchmal gar nur ein paar Stunden. An einem Samstag im Mai etwa verkauften Michael Vesely und Adelheid Reisinger Pastrami auf dem Wiener Brunnenmarkt -also jenes zarte, saftige Rindfleisch, das viele aus den New Yorker Delis (und dem Film “Harry und Sally”) kennen. Über Wochen hinweg wurde das Projekt online angekündigt, auf Facebook gab es 1300 Anmeldungen für das Event, das gerade einmal drei Stunden dauerte. Die Nachfrage war so erfolgreich geschürt worden, dass Menschen sogar 40 Minuten auf ihr Pastrami-Sandwich in der Schlange warteten.
Nicht nur in der Bundeshauptstadt gibt es solche Pop-ups. Das Salzburger Restaurant “Paradoxon” hat in der Vergangenheit immer wieder neue Konzepte ausprobiert – zuletzt konnten sich im Lokal die Gäste ihre Bärte von einem Barbier trimmen lassen. Das passt dann auch wunderbar zur digitalen Selbstdarstellung: Ein Essensfoto haben viele schon gepostet -aber eine Lokalaufnahme mit einem Barbier darauf, das ist dann selbst auf dem Bilderportal Instagram eine Seltenheit.
So beeinflusst der digitale Wettbewerb um “Likes” tatsächlich auch reale Speisen. Wer nicht gerade das Billigsegment bewirtet, achtet darauf, dass das Essen Instagram-tauglich ist. Die Fotos davon sollen so verlockend und cool aussehen, dass Menschen das auch auf Instagram teilen. Von der Einrichtung bis zur Anrichtung verfolgen viele Lokale ein ästhetisches Konzept. Der Burger kommt nicht auf irgendeinem Teller, sondern auf einem urig wirkenden Holzbrett, dazu die Pommes cool aufgestellt im Glas -“shabby chic” heißt der Look und lässt sich beispielsweise im Bistro der Wiener Bäckerei Joseph Brot im 3. Wiener Bezirk beobachten (und selbstverständlich fotografieren). Auf einem der papierenen Untersetzer, die auf den Tischen liegen, steht keck: “Bitte nur die eigenen Speisen fotografieren.” Ob sich alle Gäste bisher daran gehalten haben, darf hinterfragt werden. Dabei sind die Wirte oft selbst die stärksten Konsumenten von Foodporn. “Abends, bevor ich schlafen geh, schau ich gern noch auf Instagram: Was haben die anderen Geiles produziert ? Sicher bringt einen das auch auf Ideen, was gut ausschaut”, sagt Josef Weghaupt, Chef von Joseph Brot. Auf diese Weise reisen auch Essens-Designtrends rasch um den Globus: Man muss gar nicht im dänischen Spitzenrestaurant Noma dinieren, um zu wissen, wie dort die Speisen angerichtet werden -um dies womöglich auch zu kopieren.
Die Foodpornografie hat Gerichte in vielen Gasthäusern zur stilistischen Herausforderung werden lassenDie Foodpornografie hat Gerichte in vielen Gasthäusern zur stilistischen Herausforderung werden lassen. Die Schattenseite des Ganzen ist, dass einander vieles ähnlich ist -von der Optik bis zur Speisekarte. Egal, ob man in Brooklyn oder in Innsbruck isst, hippe Lokalen bieten oft ähnliche Gerichte: Zur Zeit sind Burger, Pulled Pork Sandwiches und als Dessert Cheesecakes angesagt. Und zum Runterspülen gibt es natürlich ein Craft Beer, also handwerklich gebrautes Bier aus kleinen, hippen Brauereien. Eine solche “Microbrewery” ist etwa Bierol aus Schwoich in Tirol, die 2014 von drei Mittzwanzigern gegründet wurde. Ihr stark gehopftes, geschmacksintensives Craft Beer entspricht ganz dem Trend.
Doch führen die Hypes im Internet nicht erst recht zur Gefahr, dass sehr ähnliche Biere auf den Markt kommen?”Das ist nicht nur eine Gefahr, das ist so”, meint Christoph Bichler, einer der Gründer von Bierol. Zum Beispiel sind aktuell Sauerbiere total angesagt -wer als Braumeister mit dem Zeitgeist segelt, fährt derzeit mit Sauerbieren auf die großen Biermessen.
Dass es weltweit einheitlichen Geschmack gibt, sehen auch Onlinedienste wie Foodora: Erst vor zwei Jahren gegründet, ist der Zustelldienst mittlerweile auf zehn Märkten aktiv. In all diesen Ländern – von Australien über Schweden bis nach Kanada – lieben die Kunden Burger. Seit gut einem Jahr ist Foodora, ein Münchner Unternehmen, auch in Wien tätig. “Unsere Zielgruppe ist zwischen 25 und 40 Jahre alt. Wir sprechen viele Young Professionals an, also Singles, berufstätige Paare, oder auch Jungfamilien”, sagt Julian Dames, 28, einer der Gründer des Unternehmens.
Für den Kunden ist das System simpel, wenn auch nicht unbedingt preisgünstig: Man zahlt eine Liefergebühr von 3,50 Euro und dazu Preise wie im Restaurant. Der Mindestbestellwert beträgt 15 Euro. Die Hoffnung solcher Start-ups ist, dass die Mittzwanziger und Mittdreißiger nur die Vorreiter eines größeren Trends sind: Dass auch ältere, gut verdienende Konsumenten in Zukunft auf den Geschmack kommen, über eine App das Essen auszuwählen.
Die Rechnung ist dabei eng kalkuliert: Zum einen hat Foodora – verglichen mit anderen Internetdienstleistern -hohe Personalkosten. In jeder neuen Stadt gibt es ein eigenes Team, weltweit engagiert Foodora bereits 1000 Mitarbeiter und 8000 Fahrer (von denen die meisten angestellt sind). Zum anderen ist es auch für die Wirte kein so großes Geschäft, wie man denken könnte. 25 bis 30 Prozent des Umsatzes sind Konzession. Manch ein Restaurant stieg auch schon wieder aus dem Lieferservice aus – etwa das Wiener Traditionsrestaurant Figlmüller, bekannt für sein Schnitzel. “Es ging mir aber nicht einfach nur um Prozente, also wie viel Foodora von uns erhält. Wir hatten zum Start einen Vertrag ausgehandelt – und den wollte man zwei Mal nachjustieren. Das hat mich gestört”, sagt Thomas Figlmüller, 37. An sich ist er dem Zustelldienst positiv gegenüber eingestellt -anders als manch anderer Gastronom glaubt er nicht, dass die Internetdienstleister dem klassischen “Grätzlgasthaus” das Geschäft wegnehmen. “Ich halte das großteils für ein Zusatzgeschäft: Ins Wirtshaus gehe ich doch nicht nur wegen des Essens, sondern auch wegen der Atmosphäre und des Tapetenwechsels.”
Laut Trendforscherin Hanni Rützler sind Online-Zustelldienste eine logische Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel seit den 1970er-JahrenLaut Trendforscherin Hanni Rützler sind Online-Zustelldienste eine logische Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel seit den 1970er-Jahren: Zunehmend wurde es normal, dass Frauen nicht jeden Abend zu Hause kochen. Männer entdeckten auch das Hobbykochen -und heutige “Food Startups” wie Foodora oder Hello Fresh spiegeln das alles online wider: “Die Apps helfen Menschen, sich besser über Ernährung und Speisen zu informieren. Die Technik ist aber nur ein Hilfsmittel von vielen. Wir sehen vielmehr einen generellen Wertewandel, speziell im urbanen Raum. Es geht nicht mehr um das schnellere Auto, die größere Portion, sondern auch um bewusstes und lustvolles Essen.”
Es ist somit falsch, dass Technik unsere Gesellschaft verändert. Sie erweitert nur das Spektrum der Möglichkeiten. Vielmehr setzen sich jene digitalen Dienste durch, die den neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht werden -und sei es das dringende Verlangen nach einem glutenfreien Tofu-Burger.
Dieser Artikel ist in profil (Ausgabe 35/16) erschienen unter dem Titel “Food-Pornografie”. Das abgebildete Foto habe ich im Bistrot von Joseph Brot gemacht.
View Comments
Auf einer Tageszeitung-online wurde mein Account manipuliert. Was kann ich tun? Herzlichen Dank.
Lieber Herr Scheu, ich glaube, Sie sind bei mir nicht ganz an der richtigen Stelle. Aber was meinen Sie denn mit "Account manipuliert"? Sie können mir auch gerne ein E-Mail schreiben und ich schaue, ob ich Ihnen doch helfen kann. Hier finden Sie die Adresse: https://www.brodnig.org/impressum/ Besten Gruß, Ingrid Brodnig
Ich finde die breite Semantik beim Begriff Troll nicht problematisch, sondern natürlich. Das hat Sprache so an sich.
Ich bin auf Ihren Beitrag leider erst heute gestoßen, über Rivva. Denn schon einen Tag nach Ihnen hatte ich ebenfalls meine Meinung dazu notiert (vgl. http://sajonara.de/2015/01/25/nico-lumma-per-definition-ein-troll/). Geht es nach mir, darf und soll man sich mit Trollen anlegen dürfen, allerdings nur, wenn man genügend gesunde Arroganz besitzt. Wer den verbalen Kampf nicht aushalten kann, sollte ihn gar nicht erst beginnen. Von daher ist die Strategie Lummas für manche sinnvoll, für andere geht sie womöglich nach hinten los.
Danke für den Link zum Blogeintrag, habe ich mit Interesse gelesen! Auf zwei Aspekte möchte ich eingehen:
1.) Ich glaube auch, dass das Zurücktrollen nicht jedermanns Sache ist. Wobei ich da nicht rein von Arroganz sprechen würde: Sehr oft entlarven diese sarkastischen Postings, wie absurd die Meinung manch eines wütenden Posters ist. Ein Beispiel: Ein User wirft der Redaktion vor, Teil der Lügenpresse zu sein und nur die Wahrheit der "Mächtigen" zu verbreiten. Da finde ich es schon okay, wenn sich der angesprochene Redakteur als "Zionisten-Bilderberger-CIA-Illuminaten-Presseoffizier" zu Wort meldet und den Leser bittet: „Posten Sie hier keine Links, die unsere weltumspannende Verschwörung enttarnen könnten. Wir haben uns so viel Mühe gegeben.“ Das ist meines Erachtens nicht arrogant, sondern zeigt, wie skurril manch ein Vorwurf oder gar Weltbild ist.
2.) Zur Frage der Meinungsfreiheit, die im Blogeintrag angesprochen wird: Sehr oft wird im Netz Meinungsfreiheit falsch ausgelegt und als Narrenfreiheit verstanden. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass ich jederzeit und überall Gehör finden muss. Wenn ich den Blogeintrag richtig interpretiere, sehen wir das aber ohnehin ähnlich: Es ist kein Forenbetreiber verpflichtet, jemanden Raum für seine Meinung zu geben - auf meiner eigenen Webseite darf ich sehr wohl bestimmen, innerhalb welchen Rahmens und mit welcher Tonalität diskutiert wird. Dazu ein etwas älterer Blogpost: https://www.brodnig.org/2014/09/15/wie-wir-diskutieren-wollen/
ich weiß nicht, ob sie das internet wirklich schützen können. die diskussionskultur ihres forums und derer, in denen sie sich bewegen, können sie verbessern und gestalten.
ich kommen aus einer kultur, die es fast nicht mehr gibt und die in emailclients und newsreadern stattfindet. da teile ich die menge der als troll bezeichneten noch in nützliche und (irgend_ein_schimpfwort) ein. der nützliche troll kann der diskussion die möglichkeit geben, einen unvorhergesehenen gang zu nehmen, der weiter führt.
der begriff ist für mich höchstens nutzbar, um menschen, die sich in einer diskussion unangemessen verhalten, weiter zu reizen. das kann sehr hilfreich sein, ist aber vermutlich nicht der grund, warum sie oben den begriff benutzen.
.~.
Danke für den Kommentar! Ich glaube, wir haben hier wirklich einen anderen Troll-Begriff. Der nützliche Troll ist meines Erachtens eben kein richtiger Troll. Da wird die Herkunft des Begriffs sehr spannend beschrieben: http://smg.media.mit.edu/papers/Donath/IdentityDeception/IdentityDeception.pdf Womöglich liegt unsere unterschiedliche Haltung gegenüber Trollen auch daran, dass wir von ganz anderen Diskussionsstilen reden: Ich persönlich mag keine Diskussionen, die hauptsächlich von der Provokation leben. Solche Debatten sind vielleicht besonders "lebhaft" (um nicht zu sagen: untergriffig), aber selten kommen Menschen dabei auf einen gemeinsamen Nenner oder gar auf eine neue Erkenntnis. Aber korrigieren Sie mich, wenn ich Sie falsch verstanden haben oder Sie dies anders sehen!
Ich teile diese Meinung, nachdem ich eben eine Vorfrühstückrunde durch die Artikel gemacht habe. Spröde und auch ein wenig gespreizt sind die Zugänge der NZZ.at bisher - nichts hat mich wirklich gepackt oder dazu angeregt, den link weiterzuleiten oder zu empfehlen (was mir bei "le monde diplomatique", z.B. nur, dauernd ein Bedürfnis ist.
Trotzem habe ich es jetzt mal abonniert, war allerdings auch gleich verärgert, weil die Rechnung von wirklich stolzen 14 € für den ersten Monat gleich mit dem Promo Angebot von 1€ abgebucht wurde. Kommt nicht gut.
Danke für den Hinweis! Das fiel mir noch gar nicht auf, dass NZZ.at 15 Euro statt 1 Euro abbucht, muss gleich mal meine Rechnung überprüfen. Ich kann gut nachvollziehen, was Sie zu le monde diplomatique erzählen. Ein solches Mitteilungsbedürfnis ist der beste Beleg, dass der jeweilige Autor irgendetwas richtig gemacht hat.
Eine Zwischenbilanz kann man angesichts des kurzen Bestehens wagen, für mehr ist es noch zu früh: Mir fehlt bislang eine klare Notwendigkeit, warum ich ein Medium mehr lesen soll (es mangelt ja nicht an Informationen).
Ich glaube, dass die NZZ den heimischen Markt grundsätzlich richtig eingeschätzt hat: Im Segment Qualität gibt es noch Platz und wenn es gelingt eine gute und neue (andere bzw. ergänzende) Berichterstattung zur heimischen Politik zu etablieren, könnte das Vorhaben Erfolg haben (die Konkurrenz im außerösterreichischen Bereich der internationalen Politik ist sehr groß).
Mir liegt weder das Design, noch der konzeptionelle Aufbau, aber das kann sich noch ändern. --- Michael Fleischhacker hat sich m.E. seit seiner Zeit bei der Presse doch etwas von dem Berserkerdasein wegbewegt.
Ich finde Ernst und Sprödigkeit gut, Infotainment (Wein, Essen, Kochen, Unterhaltung, usw.) gibt es genug. --- Ich sehe es weder als Qualitätsmerkmal, noch als Aufgabe von Journalismus an, dem Leser etwas zu einem Anliegen zu machen (der kann und sollte darüber selbst befinden, mich interessieren soweit das vollständig möglich ist, Fakten und sonst nichts, also: Genauigkeit, Objektivität, Neutralität, usw.).
Es scheinen sich die Journalisten erstmals in der Geschichte ihre Definionsmacht mit den Konsumenten teilen zu müssen. Das ist offensichtlich ungewohnt und kann durchaus beunruhigen :-)
Nach 30 Jahren Erfahrung (Mailboxen, Modem-Netze, Usenet und dann die Webforen) erlaube ich mir, ein Resume ziehen:
Es leider hilft nix, es braucht auch Talent dazu, mit Postings, und auch "Trollen", richtig umzugehen. Und das Dumme dabei ist, dieses Talent kann man nicht lernen. Wer Schweinsohren hat, wird auch nach Jahrzehnten Musikstudium kein Musiker, ebenso ist es mit Moderatoren: ohne Sprachgefühl, Wortwitz, Persönlichkeit und Allgemeinbildung wird er es nicht schaffen, sich durchzusetzen, außer, er löscht alles Störende - und das ist dann meist reine Willkür und verscheucht gerade die Originellen. Dass man jetzt sogar eine Software sucht, um Trolle zu entdecken, ist ein absolutes Armutszeugnis.
Die meisten Leute schreiben ohnehin nix, die lesen nur mit.
Das Hauptmotiv beim Posten ist sehr oft, einfach cool rüberzukommen, wurscht, worum es geht.
Die Mehrheit der Poster hat von nichts eine Ahnung oder/und es fehlt an Persönlichkeit. Man schreibt ausschließlich nach der aktuellen politisch korrekten Mode, was das Risiko von Kritik von vorneherein minimiert. Meldungen der Tagespresse werden empört oder zustimmend kommentiert, eigene Meinungen wagt man kaum, weil das immer risikobehaftet ist. Man sieht Posten als Kampf, wo es eher darum geht, andere "niederzumachen", Argumente sind weniger wichtig, es geht ums "Gewinnen". Bemerkt der Moderator nicht, dass diese Leute überhaupt nicht ihre eigene Meinung verlautbaren, sondern nur das, wovon sie denken, dass es gut und gefahrlos rüberkommt, wird das Forum immer öder. Und die Poster, die diese Heuchelei stört, werden spöttisch und sarkastisch und sind dann die "Trolle".
In Foren ist es nicht anders als in den herkömmlichen Medien und auch der Politik: das einfachste Mittel, um unbequeme Leute stillzulegen, ist, ihnen Rechtslastigkeit, -Populismus, -Extremismus und Neonazitum draufzunageln. Ob das auch stimmt, ist irrelevant, es wird ohnehin kaum wer zu widersprechen wagen, weil man ihm sofort Nähe zu obiger Geisteshaltungen unterstellen kann. Und wem solche Vorgangsweisen nicht gefallen, der ist dann der "Troll", wenn der Moderator nicht kompetent ist.
Interessant war auch der Übergang aus der vor-Internetzeit ins Internet. Waren vorher eher die Freaks und Nerds beteiligt, wurden nun die Universitäten eingebunden. Leider brachte das keine Qualitätsverbesserung: Studenten und Professoren beeindruckten nur durch den Versuch, Inkompetenz hinter aggressiver Rhetorik und Überheblichkeit zu verstecken.
Ich schätze den Anteil an sachlichen, kompetenden Schreibern, mit denen es sich überhaupt zu diskutieren lohnt, auf maximal 5% und das quer durch alle Schichten, vom Hilfsarbeiter zum Dreifachdoktor. Diese 5% zu erkennen und zu halten ist die hohe Kunst, die Moderatoren einfach beherrschen müssen, wenn nicht nach einiger Zeit nur Wichtigtuer, Nichts-Sager, Beschimpfer und Provokateure übrigbleiben sollen, eben die wirklichen "Trolle".
Das größte Problem ist natürlich, dass es überhaupt nichts gibt, was nicht irgendjemand Anderen stören könnte. Eliminiert man alles irgendwie Konfliktträchtige, kann man alle Foren getrost abschalten - es bliebe einfach nichts lohnendes übrig, außer dem Wetterbericht, vielleicht. Twits von Politikern sind Musterbeispiele von beliebiger Inhaltsleere, um nur ja nirgends anzuecken - absolut verzichtbar.
Diskrepanzen und Eigen-Dynamiken in Foren aufzulösen und das Potential zu nutzen, intelligenten Leuten zuzuhören und die überflüssigen Trolle einzubremsen, ist die hohe Kunst des Moderators. Sicher nicht einfach, aber diese Fähigkeiten haben Zukunft.
Hallo Frau Brodnig,
ich habe gerade Ihren Beitrag im ARD Mittagsmagazin gesehen. Ihre Aussage "Demokratie lebt vom Konsens" hat mich jedoch ein wenig stutzig gemacht. Meiner Meinung nach lebt die Demokratie intersubjektiv betrachtet von dem "Konflikt". Da Sie kurz vorher im Beitrag meine Sichtweise teilten, "Demokratie lebt von Gegensätzen" unterstelle ich Ihnen völlig unwissend, dass Sie sich versehentlich falsch äußerten.
Beste Grüße
Johannes Pfaller
Demokratie lebt davon, dass alle die gleichen Chancen haben. Und genau das ist immer mehr bedroht, je mehr Einschuechterung stattfindet. Einschuechterung ist zB das Raufen von Peter Westenthaler, FPOe, dann BZOe. Und genau diese beliebigen Aufspaltungen des 3. Lagers in FPOe, BZOe, FPK ... sind verfassungswidrig.
Ich bin mit meinem Kommentar spät dran, weil der Text schon älter ist, aber ich muss dazu etwas sagen. Trollen muss meiner Meinung nicht per se etwas Schlechtes sein. Es mag sein, dass es vielen Trollen nur darum geht, Aufmerksamkeit zu erregen und andere zu verstören. Aber gerade das Zurücktrollen kann man auch als Gegenstrategie sehen.
Ein Beispiel: Nicht nur in der konservativen und Boulevardpresse, sondern sogar in der einzigen liberalen Tageszeitung in Österreich wird das Forum oft überschwemmt mit rassistischen, sexistischen, homophoben, antisemitischen Postings. Die Frage, wie man damit umgeht, stellt sich jetzt nicht nur für die Redaktion, sondern auch für die anderen PosterInnen, die damit nicht einverstanden sind.
Nun kann man versuchen, sachlich zu bleiben und das Diskussionsniveau zivilisiert zu halten. Oder man kann eben auch zurücktrollen. Damit meine ich nicht, dass man sich auf das gleiche Niveau wie die Trolle begibt. Aber man muss auch nicht sachlich bleiben. Man kann ja durchaus die Welle aus rassistischen, sexistischen usw. Postings zu unterbrechen versuchen, indem man etwas schreibt, das darauf abzielt, "die Trolle zu trollen". Also etwas schreiben, womit man vielleicht die Trolle ärgert, bzw. sind es ja oft sogar Hater und nicht "nur" Trolle. Nicht durch Beschimpfung und Erniedrigung, aber eben zb durch Sarkasmus, Polemik, was ich hier absolut für angebracht halte.
Es ist halt die Frage, was man erreichen möchte. Und ich finde, es ist okay, wenn man beim Umgang mit Trollen nicht immer sachlich bleibt. Und eben stattdessen Dinge schreibt, über die sich ein Troll dann selbst ärgert. Das ist wahrscheinlich keine Antwort auf die Frage, wie die Diskussionskultur im Internet zu retten ist. Aber es ist zumindest ein Ansatz, um sich nicht jede Frechheit von den Trollen gefallen lassen zu müssen.
ch möchte alle warnen
http://www.telepathietelekineseterror.blogspot.com
Sendet den Link an alle möglichen Leute weiter.
Fakt ist das es Telepathen gibt die das können und an Menschen üben und wissen das man ihnen Ausgeliefert ist da es nicht offiziell anerkannt ist und als Psychose abgetan wird. In meinem Blog steht im Tatsachenbericht wie si es bei mir machten detailliert dokumentiert. Ich bin mir sicher das diese Telepathen für eine menge Selbstmorde verantwortlich sind. Eben so ist es nicht unwahrscheinlich das sie das an Menschen üben um Schlüsselpersonen in Politik, Wirtschaft und auch Psychologie zu kontrollieren. Die Analyse stellt Lediglich einen Erklärungsversuch nach den Wahrscheinlichsten Möglichkeiten dar, ist also reine Hypothese.