Junge Zukunftsangst: Was Julia Engelmanns Slam wirklich aussagt
“Eines Tages, Baby, werden wir alt sein. Oh Baby, werden wir alt sein, und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können”, mit diesen Worten wurde die deutsche Studentin Julia Engelmann scheinbar über Nacht berühmt.
Im Poetry-Slam-Auftritt an der Uni Bielefeld beklagt die 21-Jährige, dass sie selbst zu viel nachdenkt, zu viel abwartet, sich zu viel vornimmt und dann zu wenig davon umsetzt. Statt beim Marathon mitzulaufen, schaue sie planlos aufs Smartphone. Ein Gefühl der Mutlosigkeit, das anscheinend viele teilen: Mittlerweile wurde das Youtube-Video mehr als vier Millionen Mal angeklickt.
Glaubt man Julia Engelmann, sind die heutigen Studierenden Versager. “Ich bin so furchtbar faul /wie ein Kieselstein am Meeresgrund. Ich bin so furchtbar faul /mein Patronus ist ein Schweinehund”, beklagt sie an sich und den Gleichaltrigen.
Das ist Ausdruck einer Leistungsgesellschaft, in der man gar nicht früh genug anfangen kann, sich den perfekten Lebenslauf zurechtzuschneidernDas ist natürlich Unsinn: Wer heute die Matura macht, hat vermutlich schon wesentlich mehr geleistet als die eigenen Eltern im selben Alter. Generationenvergleiche zeigen, wie pragmatisch die Heranwachsenden sind. Laut der Shell-Jugendstudie ist “Fleißigkeit und Ehrgeiz” für 60 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein wichtiger Wert. Medien sprechen gerne von “angepassten Strebern”.
Aber ist nicht auch Engelmann eine solche Streberin? Ohne es zu merken, spricht sie tatsächlich einer Generation aus der Seele – einer Generation, die extrem hohe Ansprüche an sich stellt und gar nicht merkt, dass sie sich viel zu viel Stress macht.
Wovor fürchtet sich die Poetry-Slammerin konkret? Dass sie eines Tages alt ist und niemals einen Marathon lief, nie die “Buddenbrooks” zur Gänze las. Dabei hat Julia Engelmann für ihr Alter schon sehr viel erreicht: Sie spielte in der RTL-Soap “Alles was zählt” und bei Theaterstücken mit. Offensichtlich ist sie eine höchst talentierte Performerin. Das Video zeigt eine sympathische junge Frau, der man zurufen möchte: Du hast doch noch alle Zeit der Welt!
Es ist vielsagend, dass sich ausgerechnet eine 21-Jährige Sorgen um ihren Nachlass macht. Das ist keineswegs Ausdruck einer Generation von Nichtsnutzen, sondern dem Gegenteil: einer Leistungsgesellschaft, in der man gar nicht früh genug anfangen kann, sich den perfekten Lebenslauf zurechtzuschneidern.
Julia Engelmann widerlegt somit ihre eigene These: Eines Tages, wenn sie alt ist, kann sie tatsächlich Geschichten erzählen – etwa wie es war, als sie mit einem Youtube-Video zur Galionsfigur einer verunsicherten Generation wurde.
Link-Tipp:
– Die Mädchenmannschaft hat Julia Engelmann einen Samstagabendbeat gewidmet. Toller Text!
Dieser Kommentar erschien im Falter 5/14. Foto: Flickr-Userin ashleyxu
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das ist ja wieder einmal tatsachenverdrehung in reinkultur ... das topic wurde von 0utput, deinem co-landesmediensprecher, nach interne diskussionen verschoben und auf u.a. meine initiative wieder öffentlich gestellt.
es wäre vielleicht sinnvoll vorher intern einmal miteinander zu reden bevor eine anschuldigung an den BV ausgestossen wird ...
nebenbei ist die schaffung eines landesmediensprechers ohnehin so unnötig wie ein kropf, insbesonders wenn beide personen ohnehin landesvorstand sind ... zumindes noch ...
Ich glaube nicht, das es noch lange einen LV Toni Straka geben wird.
Mein Tipp - es ist Urlaub, nimm den Kindle mit - alles andere verursacht nur Multitasking und das hat nichts im Urlaub verloren ;)
da hat sie ja schon mal so einen halbherzigen versuch gestartet und hat über weihnachten auf ihre Mails verzichtet. das war schon einen artikel wert ;-P
Finde ich auch die beste Variante. zB bei Thermen-Urlauben wird das Handy zwar mitgenommen aber untertags in den Safe gelegt. Am Abend kann man dann immer noch nachsehen.
"Jetzt wird immer so getan, als ginge es bei Musik nur ums Geldmachen. Das ist Bullshit. Mit Musik und Kunst beginnt man doch nicht fürs Geld, sondern weil es einem Freude macht." OGott O Gott ist diese Piratenpartei in ihrer Argumentation sowas von naiv. Natürlich geht es ums Geld. Da muss man gar nicht herumreden. Geld ist doch nicht Scheisse, Scheisse ist gratis Klauen und Scheisse ist, wie hier versucht wird in diesem Artikel mit diesen Kleindieben ein anständiges Gespräch zu führen. "Warum hast Du den Kaugummi gestohlen?" - "Weil er aus Material erstellt wurde, dass 100% synthetisch und weil er in einem Drittweltland von unterbezahlten Kindern zusammengestellt wurde." "Und warum isst Du dann den Kaugummi?" "Weil ich ihn vernichten muss, damit ihn nicht ein anderer isst." Dasselbe mit Kleidern aus Drittweltländern, mit Nahrungsmittel, mit Geld, mit Rassismus. Ich finde die Piratenpartei einfach nur flau, etwas für Egoisten.
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Verständlich, dass du dermaßen deprimiert bist. Was können wir denn auch für diese Abhängigkeit, wenn iPhone und Co mittlerweile so viel können und uns den Alltag erleichtern. Dein Verlustgefühl kann ich sehr gut nachempfinden. Ich hoffe du hast mittlerweile ein Neues!
Wirkliche Musikliebhaber wollen natürlich ein gut produziertes Album. Gerade wer viel Wert auf Sound legt, der wäre sehr enttäuscht, wenn die Platte zuhause aufgenommen werden musste, weil der Künstler sich die Produktion nicht leisten konnte. Musik ist auch Arbeit und der Künstler sollte dafür auch entlohnt werden. Wer aus Freude am Fussball mit dem Sport beginnt, bekommt auch irgendwann Geld dafür, wenn er gut genug ist. Fussball ist doch auch Kultur!
entschleunigung
http://www.youtube.com/watch?v=03wZ8ue12N4
Ich würde das nicht so kritisch sehen. Vielleicht sieht man weniger Frauen im Zusammenhang mit nerdigen Spielen, weil sie nicht so infantil sind wie dies Peterpansyndromisierten Spielkinder.
Wenn der ORF keine Fan-Seiten machen darf, dürfen doch sicher die Fans Fan-Seiten machen. Wäre nur schön, wenn der ORF dann Logos etc. kostenfrei zur Verfügung stellen würde.