Von Wien nach Cupertino
Milliardenfach werden Apps aufs iPhone geladen. Eine kleine heimische Firma setzt sich auf dem stark umkämpften Markt durch
Erst die Apps machen aus Handys ein tragbares Fotolabor, ein Navigationsgerät, eine kleine Spielkonsole, eine digitale Buchhandlung oder einen Radioapparat. Dank der kleinen Programme wird das iPhone zum Alleskönner, zum Schweizer Taschenmesser der Nullerjahre. 300.000 Applikationen werden allein im Onlinegeschäft von Apple angeboten, dem sogenannten App-Store. Bald erwartet Apple den zehnmilliardsten Download. Eine Milliarde Dollar verdienten die Softwareentwickler vergangenes Jahr über Apple. Firmen wie Nous wollen mitnaschen, bisher gelingt das den Österreichern ganz gut.
15. Bezirk, Wien. Hier ist Nous zu Hause. Eine ehemalige Schaufensterpuppenfabrik wurde in ein stylishes Bürogebäude umgewandelt, das 15-köpfige Team entwirft Applikationen für Mercedes und Red Bull, fürs Europäische Parlament und das San Francisco Museum of Modern Art. Mittlerweile gibt es auch zwei Niederlassungen in den USA und Dänemark. Wie schafft es die kleine österreichische Firma, sich gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen?
Eine gute App zu entwerfen ist eine hohe Kunst. Als der App-Store neu eröffnet hatte, machten manche Hobbyprogrammierer Irrsinnssummen. Heute ist das Geschäft viel schwieriger geworden. “Mittlerweile ist der Enduser-Markt sehr übersättigt“, sagt Stickelberger. Vom virtuellen Fitnesstrainer bis zur digitalen Zeitungsausgabe, für nahezu jeden Zweck gibt es bereits unzählige Programme. Es ist ein Mythos, dass man im App-Store so leicht reich werden kann. Etliche iPhone-Programme rentieren sich nicht – die Konkurrenz ist zu groß, zu billig. Viele Apps werden um nur 79 Cent angeboten. Die meisten heruntergeladenen Programme sind überhaupt gratis.
Firmen wie Nous finanzieren sich über Aufträge großer Marken, Hotels, Museen. Für eine professionelle App muss man zwischen 10.000 und 50.000 Euro zahlen, heißt es in der Branche. Die Apps sind inzwischen ein großer Geschäftszweig. Nous versucht zum Beispiel, mit besonders gutem Design und intuitiver Bedienung zu punkten. Im Team arbeiten Programmierer, Designer und sogar eine Psychologin. “Der Mensch kann auf einen Blick nur fünf bis sieben Punkte erfassen“, erklärt Eva-Maria Michelcic, die als Projektmanagerin für die Presse-Applikation zuständig ist. Die Tageszeitung gibt es auch als kostenlose digitale Version am iPhone oder iPad, dem Tablet-Computer von Apple. Statt umzublättern, wischt man einmal über das Display; um einen Text zu lesen, tippt man mit dem Finger darauf. Eine schöne Fusion aus Zeitungsoptik und iPhone-Haptik. Für die Software wurde Nous ausgezeichnet: Apple kürte sie zu einer der besten Applikationen des Jahres 2010.
Viele Verleger stecken große Hoffnungen in die Apps. Vielleicht wird die Zeitung künftig über digitale Lesegeräte wie das iPad verkauft. Gleichzeitig birgt das App-System aus Cupertino Gefahren. Der Weltkonzern bestimmt ganz allein, welche Apps am iPad und iPhone installiert werden dürfen. Immer wieder fliegen Programme aus dem Store, weil sie den Kaliforniern zu anzüglich oder zu provokant erscheinen. Der Pulitzerpreisträger und Cartoonist Mark Fiore wurde zum Beispiel zensuriert, weil sich seine Satire-App über öffentliche Personen lustig machte. Nun wurde bekannt, dass Apple bei den kaufbaren Zeitungsapplikationen strenger eingreifen will. Wer eine Printzeitung abonniert, soll die iPad-Version künftig nicht mehr gratis erhalten. Der Konzern will mitnaschen, kein Wunder, erhält er doch bei jeder verkauften App 30 Prozent des Umsatzes. “Man hat die Wahl, sich dem unterzuordnen oder nicht mitzumachen“, so Stickelberger. Also fügen sich Firmen wie Nous und sogar große Verlage. Lieber mit Magengrummeln dabei sein, als etwas zu versäumen.
Langsam steigt allerdings der Druck auf Apple. Die Konkurrenz wächst, Google setzt seine Android-Handys massenweise ab, das Windows Phone 7 ist eine weitere Alternative zum iPhone. Nous entwickelt auch für diese Handytypen Applikationen, die Wiener sind bestrebt weiterzuwachsen. Das iPad eröffnet ihnen neue Geschäftsfelder, die Niederlassung in den USA wollen sie ausbauen. Derzeit sitzen dort nur drei Personen. “In den USA sehen wir noch mehr Zukunftspotenzial als in Europa“, meint Stickelberger. Er ist überzeugt: Die mobilen Apps sind nicht bloß Hype, sondern ein weiterer Meilenstein in der Computergeschichte.
Dieser Artikel erschien im Falter (Ausgabe 3/11). Foto: Katharina Gossow
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Ich finde an den drei Beispielkomentaren nichts verwerfliches.
Für freie Meinung und gegen Neusprech!!!
Ich verstehe das Problem mit den Beispiel-Kommentaren leider auch nicht. Das Problem ist anscheinend doch eher der Inhalt, nicht die Form. Wären im Kommentar #1 böse Polizisten gemeint gewesen, wäre wahrscheinlich alles in Ordnung.
Spannender finde ich folgende Frage: Welcher der folgenden Kommentare ist denn nun ein Hass-Kommentar?
a) Asylanten sollten sofort, ohne wenn und aber, wieder abgeschoben werden!
b) Dem Polizisten, der mit Pfefferspray auf die Demonstranten losgegangen ist, sollte man selbst mal eine ordentliche Ladung ins Gesicht verpassen.
c) All cops are bastards!
Ich denke, dass das Einstellen eines einzelnen Community-Managers, der nach seinen eigenen bzw. nach redaktionell vorgegebenen Moralvorstellungen die Nutzerkommentare zensiert, nicht der richtige Weg sein kann. Zu empfehlen wäre da eher, auf eine andere Technologie zurückzugreifen, die eine Regulierung durch die Community selbst ermöglicht - quasi durch Mehrheitsentscheid. Ein gutes Beispiel hierfür liefert momentan das Portal YouTube, in dem die Möglichkeit besteht, jeden einzelnen Kommentar als positiv oder negativ zu bewerten. Ab einer gewissen Anzahl negativer Bewertungen wird ein Kommentar standardmäßig ausgeblendet (und nicht gelöscht!) - man muss ihn explizit wieder einblenden, falls man neugierig darauf sein sollte, warum er geschmäht wurde. Nach meiner Beobachtung funktioniert dieses System recht gut und wird von der YT-Nutzergemeinde durchaus gerne in Anspruch genommen. Außerdem stellt es einen Kompromiss zwischen Zensurbefürwortern und -gegnern dar.
Bei vielem im Artikel möchte ich zustimmen, aber eine Befürchtung bleibt: Zu viel Kontrolle. Zum Beispiel Foren mit einer Vorab-Moderation finde ich persönlich unbenutzbar. Auch zu strenge Nettiquette, wie Spiegel-Online-Foren, wo wohl das siezen gefordert wird (Leute, wirklich?) sind ein Hinderungsgrund. Und eine Zwangsregistrierung erst Recht. Dafür muss man die Seite schon sehr oft besuchen, dass sich das lohnt. Um gelegentlich mal einen interessanten Blogartikel durch einen Tipp zu ergänzen werde ich mir bestimmt keinen Account anlegen.
Hi, mich beschleicht oft das Gefühl Internetforen werden zum Abreagieren verwendet. In der "offline" Welt leiden viele Menschen an Harmoniesucht. Man möchte Freunde nicht verunsichern oder gar verärgern. Also spielt man eitle Wonne, geht nach Hause und lässt Dampf ab beim Beschimpfen von Fremden.
Andererseitsss sind Regeln wie: „Dont feed the Troll“ schon recht alt, werden aber nicht immer befolgt. Hier müssen die Nutzer noch erwachsen werden. Youtube bietet dafür mit dem Ausblenden von stark negativ bewerteten Kommentaren eine Hilfe an. Bei einigen Themen wie Sexismus, Ausländerhass etc. ist ignorieren nicht ausreichend. Hier müssen die Nutzer die nötigen Werkzeuge erhalten um solch einen Hassposter zu melden, auszublenden. An einer Moderation kommt man dann natürlich nicht mehr vorbei. Moderatoren lassen sich aus der Community rekrutieren.
Guter Artikel, alles Gute beim Buch!
Der Artikel spricht mir aus der Seele. Besonders gefällt mir, dass das Problem von Hasskommentaren mal thematisiert wird, ohne einer Klarnamenpflicht das Wort zu reden. Denn für ano- oder pseudonymes Posten gibt es diverse Gründe, viele davon völlig legitim. Außerdem löst eine Klarnamenpflicht, wie Sie das ja schon im vorangehenden Beitrag dargelegt haben, das Problem überhaupt nicht. Das ist in dem Zusammenhang einfach eine Scheindebatte.
Sehr wertvoll fand ich auch den Hinweis darauf, dass es eine wichtige Rolle spielt, ob und wie die Autor_innen des kommentierten Artikels sich an der Diskussion beteiligen.
In einem Punkt greift mir der Artikel aber etwas zu kurz, nämlich wenn das Problem auf die Form der Kommentare reduziert wird, unabhängig vom Inhalt. Die Form ist sicherlich ein großes Problem, und die meisten Meinungen kann man auch ohne hate speech vortragen. Es gibt aber auch Meinungen, die an sich hasserfüllt sind. Um ein besonders klares Beispiel zu nehmen: Wenn jemand der Meinung ist, alle Homosexuellen sollten getötet werden - dann kann er_sie das so sachlich und unaufgeregt formulieren wie nur möglich (also wie ich das in dem Beispiel grade getan habe), es bleibt eine zutiefst hasserfüllte Botschaft.
Ich bin also der Meinung, dass Foren und Kommentarspalten keineswegs allen Meinungen Platz einräumen sollten, genausowenig wie allen Formulierungen. (Das bezieht sich natürlich auf Portale mit dem entsprechenden Anspruch; pi oder Krone haben halt das Publikum, das zum redaktionellen Inhalt passt.) Nicht alles, was generell gesagt werden darf - strafrechtlich sind der Meinungsfreiheit zum Glück nur seeehr weite Grenzen gesetzt - muss auch überall gesagt werden dürfen.
Problematisch ist natürlich die Grenzziehung, wofür es sicher kein Patentrezept gibt. Da ist auch die Selbstdisziplin von Blogger_innen und Redaktionen gefragt; positive und kritische Kommentare sollten unbedingt nach den gleichen Kriterien behandelt werden. Auf jeden Fall bin ich für größtmögliche Transparenz, d.h. es sollte so gut wie möglich allgemein dargelegt werden, was akzeptabel in Kommentaren ist und was nicht. Im Sinne der Transparenz bin ich auch eher dafür, Hasskommentare nachträglich zu löschen, als Kommentare von vornherein erst nach Prüfung freizuschalten. Dann können User_innen nämlich ab und an sehen, was gelöscht wird und was nicht.
Eine Halde für gelöschte Kommentare nach Vorbild von hatr.org fände ich auch gut. Dann kann man nämlich sehen, ob tatsächlich nur Hasskommentare gelöscht werden oder generell missliebige Meinungen und sanfte Polemiken. Außerdem bleibt so die Freakshow an einem sicheren Ort erhalten. Daraus lassen sich ja auch wichtige Erkenntnisse über die Verbreitung bestimmter Formen von Hass gewinnen.
I want to to thank you for this great read!! I definitely enjoyed every bit of it.
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Schön auf den Punkte gebracht kann man da nur sagen, ich selbst arbeite in einer Werbeagentur in Klagenfurt und wir stellen zum Teil auch Printmedien her. Da finde ich diesen Artikel sehr treffend, da ich auch schon oft sowas zu hören bekommen habe.
Dann werde ich mal etwas Feenstaub auf den Bildschirm werfen um etwas schönes zu zaubern. =)
You really make it seem so easy with your presentation
but I find this topic to be really something which I think I would never
understand. It seems too complicated and extremely broad for me.
I'm looking forward for your next post, I will try to get the hang of it!
Ich glaube auch das ist Geschmackssache, da gibt es sicher einige Pros und Contras ;) Ich persönlich bevorzuge die guten alten Bücher, aber in der jüngeren Generation scheinen eBooks voll im Trend zu liegen, hier ein Beispiel. LG