Feindliche Facebook-Werbung
Wie Negative Campaigning konkret aussieht – ein aktuelles Beispiel von der dubiosen Fanpage “Die Wahrheit über Sebastian Kurz”.
Facebook-Werbung eignet sich nicht nur dafür, das eigene Lager anzusprechen: Man kann die bezahlten Einblendungen auch dafür nutzen, die Sympathisanten des politischen Gegners zu adressieren. Interessanterweise passiert genau das gerade. Die umstrittene anonyme Facebook-Seite namens “Die Wahrheit über Sebastian Kurz” bewirbt derzeit gezielt Facebook-Fans von Sebastian Kurz.
Hier zwei Werbesujets, die Fans von Sebastian Kurz eingeblendet werden:
In beiden Fällen hat die anonyme Fanseite “Die Wahrheit über Sebastian Kurz” jene Nutzer adressiert, die Fans der offiziellen Seite “Sebastian Kurz” sind: Das heißt, eine feindlich gesinnte Seite versucht gezielt Sympathisanten des ÖVP-Politikers mit negativen Botschaften zu adressieren. Hier ein Screenshot zu den Werbeeinstellungen:
Mehrere Aspekte sind an dieser politischer Facebook-Werbung interessant:
1.) Die Fanpage “Die Wahrheit über Sebastian Kurz” ist nicht irgendeine Seite: Sie ist ein dubioses Wahlkampfinstrument, das mit untergriffigen Behauptungen arbeitet und auch schon antisemitische Töne anschlug. Die rechtslastige Fanpage gibt aber nicht bekannt, wer hinter ihr steht.
2.) Woher hat diese Fanpage Geld für Facebook-Inserate? Immer wieder stellt sich die Frage, ob andere Parteien hinter solchen Accounts stecken: Wir wissen das in diesem Fall nicht – aber diese Werbesujets (die meiner Vermutung nach einigen Leuten derzeit angezeigt werden) werfen die schwerwiegende Frage auf, wer hier der Geldgeber dieser attackierenden Werbung ist.
Das Besondere an Online-Werbung ist, dass sie genaues “Targeting” ermöglicht: Also dass Werbekunden und eben auch Parteien genau eine Zielgruppe ansprechen können – auf Facebook zum Beispiel eine gewünschte Altersgruppe oder auch Nutzer, die eine spezielle Fanpage gelikt haben. Das macht es auch für Wahlkampfteams sehr verlockend, für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Botschaften zuzuschneiden.
Gerade Facebook-Werbung kann im Wahlkampf negativ eingesetzt werden: In den USA wurde zum Beispiel bekannt, dass Trumps Team sogenannte “Dark Posts” bei Sympathisanten von Hillary Clinton einsetzte. Afro-Amerikaner und junge Frauen bekamen Beiträge eingeblendet, die Hillary Clinton in einem schlechten Licht zeichneten – das Besondere an Dark Posts ist, dass diese nicht wirklich öffentlich sind. Das heißt, nur jene Nutzer sehen diese Werbung, die damit gezielt adressiert wird (für Journalisten oder andere Außenstehende bleibt die Werbung verborgen).
Wer nachschauen möchte, warum ihm eine (politische) Werbung auf Facebook eingeblendet wurde, kann das übrigens tun: Bei jeder bezahlten Einblendung kann man rechts oben auf die drei Punkte klicken und dann im Menü auf “Warum wird mir das angezeigt”. Facebook wird dann eine grobe Erklärung liefern, welche Zielgruppe jeweils beworben wird. Hier sieht man dieses Menü:
Ich sammle derzeit Screenshots von politischer Werbung auf Facebook: Falls jemand selbst interessante Beispiele bemerkt, bin ich immer über Bildschirmaufnahmen oder andere Hinweise dankbar!
Screenshots: Facebook.com
View Comments
Wer keine Sorgen hat, der macht sich welche und untermauert sie auch noch wissenschaftlich... 🤣
Eine weitere Ursache könnte sein, dass solche Falschmeldungen aus journalistischer Sicht einfach "origineller" und damit auffälliger sind als die "alltägliche Wahrheit". Journalist/innen wollen, dass ihre Meldungen möglichst gut ankommen. Dafür haben sie vor allem zwei Möglichkeiten:
1.) Sie finden ein Sensation und berichten darüber.
2.) Sie erfinden eine Sensation und berichten darüber.
Nur Qualitätsjournalist/innen haben eine dritte Option:
Sie gehen in die Tiefe und decken Hintergründe sowie Beweggründe von Geschehnissen auf. Damit erreichen sie aber leider meist nicht die Massen.
zu 9: correctiv meldet am Schluss, dass nicht 2,6 sondern 5,3% aller Immigranten als Flüchtlinge anerkannt wurden. Wow, das ändert die Lage ja völlig, Hahaha!! Heißt jetzt, mit "5 von Hundert" wäre die Schlagzeile korrekt, die Aussage der Schlagzeile, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der uns immer als "Flüchtlinge" verkauften Menschen tatsächlich Flüchtlingsstatus haben, bleibt also völlig intakt!
Ich empfehle, hierzu den Faktencheck von Correctiv zu lesen: https://correctiv.org/echtjetzt/artikel/2017/05/16/faktencheck-fluechtlinge-italien-prozent/
Zu dieser Thematik fallen mir gleich eine ganze Reihe von Zitaten ein, die belegen, dass die hier behandelten sozialen Wirkungen schon längst bekannt sind und kein wirklich neues Phänomen darstellen.
„Aus Lügen, die wir ständig wiederholen, werden Wahrheiten, die unser tägliches Leben bestimmen.“ Hegel (1770-1831)
„Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen, bestimmen das Zusammenleben“ Epiktet (um 50 bis 138 n.Chr.)
Und der größte Unsinn ist der Spruch im Volksmund:
„wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“
Richtig ist: „wer ständig lügt, dem glaubt man schließlich“
oder wenn oft genug Falsches gesagt, gedacht, geschrieben wird, wird es richtig!
Siehe dazu auch solch banale Dinge, wie die Falschschreibung(sprechung) des Adjektivs extrovertiert.
Natürlich heißt es extravertiert, aber es wurde die letzten 50 Jahre so oft falsch geschrieben und gesprochen, dass es schließlich in der falschen Form im Duden gelandet ist....
keep groovin´& over the tellerrand thinkin´´
Super Website! Super Artikel. Weiter so
LG Alex
Tja, wenn's nur immer so leicht ginge eine Fake News zu identifizieren. Genau Schritt 3 ist nämlich das Problem - in vielen Fällen lässt sich eben nicht oder erst viel zu spät nachweisen, dass gezielte Irreführung betrieben wird. Und dann ist eine Fake News schon eine gewisse Zeit Fakt News geworden...
Ungefähr jedes Merkmal oder jede Manipulationstechnik, die hier exklusiv "rechts" zugeschrieben wird, ist von allen Akteuren im politischen Spektrum in exakt der angeprangerten Form genutzt worden und wird es weiterhin. Die "AfD-Wut" über irgendwas unterscheidet sich beim Facebook-Emoji nicht von der Wut über Lohnungerechtigkeit oder tote Kinder am Strand unter einem taz-Artikel, die patriotische App unterscheidet sich funktional rein gar nicht von gleichartigen Apps, die zur "Vernetzung von Protest" erstellt wurden und nun ja, "Revolutionsversprechen" sind rechts? ... kicher ... schon mal auf 'ner 1.Mai-Demo gewesen?
Es gibt signifikant messbare Unterschiede zwischen den Parteien - dass die AfD stärker Wut erntet als andere, ist das Ergebnis dieser Untersuchung von Josef Holnburger: http://holnburger.com/Auf_den_Spuren_des_Wutbuergers.pdf Man kann dort auch alle anderen Parteien ansehen und nachlesen, welche Reaktionen diese ernten. Aber natürlich: Wut ist eine universelle Emotion, gesellschaftlicher Wandel wird oft über Wut erreicht, zB weil Menschen einen unfairen Zustand nicht länger hinnehmen wollen. In meinen Augen macht es einen qualitativen Unterschied, in welche Richtung Parteien Wut einsetzen - problematisch wird Wut meines Erachtens, wenn man sie gegen gesellschaftlich schwächer gestellte Menschengruppen einsetzt
Vielleicht nur am Rande (oder auch gar nicht...) interessant, aber hier noch ein kleiner Exkurs zum Thema Technologie und Utopie: Bereits im Zusammenhang mit elektrischer Telegrafie und mit der Verlegung des ersten transatlantischen Unterseekabels in den 1850er/60er Jahren äußerten Zeitgenossen immer wieder die Idee, dass, sobald dieses Kabel verlegt und somit Kommunikation im Minutentakt zwischen Großbritannien und Nordamerika möglich sei, eine Ära immerwährenden Friedens zwischen GB und den USA ihren Anfang nähme. Wer sich minutenschnell austauschen könne, der könne schließlich alle potentiellen Konflikte oder Unstimmigkeiten im Nu aus dem Weg räumen. Bald musste man aber feststellen, dass dem nicht so war, wobei hier unterschiedliche Faktoren ihren Teil dazu beitrugen (hohe Kosten pro Nachricht, weshalb diese stark verkürzt wurden, diplomatisches Prozedere, das mit dieser neuen Form der Kommunikation nur schwer zu vereinbaren war, etc.) - In der britischen Presse der damaligen Zeit wurde diese Entwicklung dann wiederum ausgesprochen reflektiert betrachtet und techniksoziologische Betrachtungen angestellt, die heutigen Ansätzen in nichts nachstehen (ich habe da nur Einblicke in die britische Presse, wie an anderer Stelle darüber geschrieben wurde, weiß ich nicht). Ironischerweise war es dann einige Jahrzehnte später ein Telegramm, mit dem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte...
Aber wie gesagt... das nur am Rande.
Ansonsten - schöner Vortrag! Like! Respect! :)
Das ist total spannend! Sorry für die späte Antwort, aber hatte den Kommentar noch gar nicht gesehen: Das ist eine extrem interessante Anekdote! Ist das vielleicht irgendwo beschrieben, wo ich mehr dazu lesen kann? Ich sammle solche Beispiele auch gerne, weil man weiß nie, wo man solche Beispiele unterbringen kann... Auf jeden Fall: Danke schön für die interessante Rückmeldung!
„Politische Diskussionskultur“ - das ist freilich speziell in Österreich sowieso eine der permanent endangered species.
Bald sind wir so durchgeregelt, dass wir gar keinen Spielraum mehr für Meinungsbildung haben und nur noch das politisch Erwünschte denken. Wünsche aber sind keine Rechte. Sie sind höchstens ein Anzeichen verwöhnten Wohlstands, der Befindlichkeiten zum Nachteil aller anderen hochhält, Menschen gegeneinander ausspielt und Beliebigkeit statt Kritik- und Konfliktfähigkeit kultiviert. Haben wir uns zur modernen Wohlstandsgesellschaft entwickelt, um solche Menschen zu werden?